Hier handelt es sich um eine extrem professionell organisierte kleine und persönlich gehaltene Laufveranstaltung für alle Leistungsniveaus an den südlichen Ausläufern des Himalaya, für Geschäftsreisende und Touristen gut für ein Wochenende von Neu-Delhi aus erreichbar. Der Trail ist steil und felsig, so dass weniger das Laufen als das erwanderte Naturerlebnis und die kulturelle Besonderheit des Ortes einen überragenden Eindruck machen.
Etwas unerwartet stand für Herbst eine Dienstreise nach Indien an, die über 12 Tage gehen sollte. Sprich, es gab ein Wochenende, an dem ich entweder in Delhi verweilen oder an einer geeigneten Laufveranstaltung an einem idyllischeren Ort teilnehmen konnte. Da ich Delhi schon kenne und mir die für den Laufsport nur bedingt hilfreiche Luftqualität noch bildhaft vor Augen stand, machte ich mich auf die Suche nach der mir bisher unbekannten indischen Lauf-Community.
Zunächst bin ich verblüfft. Es scheint in Indien jede Menge Marathonveranstaltungen zu geben. Zentrale Anlaufstelle dafür ist die Registrierungsseite townscript.com. Wenn man allerdings genauer hinschaut, fällt auf, dass wohl jeder noch so kurze Stadtlauf als Marathon beworben wird, so dass sich die Auswahl, zumal für ein konkretes Wochenende, rasch reduziert. Am Ende finde ich nur einen einzigen Lauf, auch noch im weit entfernten Pune, an dem man allerdings nur als „Indian Citizen in Good Standing“ teilnehmen kann. Hintergrund ist vermutlich, dass der Lauf in Zusammenarbeit mit der dortigen Militärakademie ausgetragen wird und über deren Gelände geht.
Ich erinnere mich, dass es Richtung Norden Berge gibt und stoße auf den Kathmandu Marathon in Nepal. Das hört sich toll an, mein Unterbewusstsein ruft allerdings wieder laut „Luftverschmutzung“ – Kathmandu ist in der Tat nach Delhi, Beijing und Lahore die Großstadt mir der schlechtesten Atemluft der Welt. Etwas deprimiert mache ich eine Abfrage auf der Seite von ITRA und lande dort einen Volltreffer: Summit Run Indrahar, ein kleiner Lauf am Fuße des Himalaya, mit Nachtbus oder einem kurzen Flug von Delhi erreichbar, am Samstag des besagten Wochenendes.
Der Summit Run findet erst zum zweiten Mal statt und wird mit viel Liebe vom lokalen Expeditionsunternehmen Boots and Crampons unter der Leitung von Chetan Sehgal und Romil Barthwal veranstaltet. Es handelt sich um eine Art „Skyrun“, bei dem es bergauf und auch wieder die gleiche Strecke bergab geht. Vom Niveau her ist für jeden etwas dabei, ausgehend von 2.000 Metern Höhe mit Hin- und Rückweg 10 km auf 2.500 m, 16 km auf 2.900 m, 20 km auf 3.200 m oder 30 km auf 4.350 m. Letztere Strecke führt bis zum Indrahar Pass, von dem ein Blick auf die noch deutlich höheren Berge im Norden möglich ist.
Da ich ja dienstlich unterwegs bin, entscheide ich mich für die 20 km Strecke. Für die Strecke von 20 km spricht auch, dass ich keine Zeit für die Akklimatisierung haben werde und dass im letzten Jahr der schnellste Läufer 3:29 h unterwegs war, der langsamste 8:53 Stunden, Durchschnitt 5:12 h, so dass es keine Unterforderung sein sollte. Für die 30 km wurden im Durchschnitt übrigens 12:06 h gebraucht, was mir auf einer Dienstreise eindeutig zu viel wäre.
Die Anmeldung erfolgt über Townscript, Kostenpunkt 50 Euro, ist aber unkompliziert, da die nachfolgende Kommunikation ausschließlich persönlich über E-Mail und WhatsApp stattfindet. So kann man schnell klären, dass ich auch ohne den formal zwingend notwendigen Wohnsitz in Indien starten kann und dass meine Krankenversicherung auch Indien abdeckt. Zwei Monate vor dem Lauf werden alle Teilnehmer gebeten, ein Foto einzusenden, damit für alle ein persönliches Poster erstellt werden kann.
Kurz danach stehen die Designs bereits auf einer Filesharing-Seite zur Verfügung. Das ist recht interessant: Da sieht man viele beim Laufen, aber auch Fotos von Geschäftsleuten oder einfach Passbilder, eine ziemlich wilde Truppe von gefühlt 40 Leuten und auf den ersten Blick nur Männer (am Ende sind es 49 Männer und 4 Frauen). Gleichzeitig wird eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet, über die die weiteren Instruktionen erfolgen, etwa das Angebot der Hotelvermittlung, das für den Lauf notwendige Material oder der genaue Ablauf. Auch werden aktuelle Fotos von der Strecke geteilt, vom frischen Schneefall, der aber schon bald geschmolzen sein soll und von den frisch angebrachten Markierungen.
Es ähnelt schon noch einigen Tagen einer typischen Chatgruppe von nervösen Grundschuleltern, deren Kinder erstmalig auf Klassenfahrt gehen und wo sich niemand schämt, eine Frage auch zum dritten Mal zu stellen und sei sie noch so seltsam, wie etwa „braucht man Trailrunningschuhe?“ (ja), ob man die Stöcke im Flugzeug im Handgepäck durchbekommt (nein) oder warum die Länge der Strecke in der verteilten gpx-Datei um ein paar hundert Meter von den 20 km abweicht.
Aber es entsteht auch eine innige Gemeinschaft, bei der man sich gegenseitig anbietet, im lokalen Sportladen noch eine Laufweste zu beschaffen oder gemeinsam von Delhi mit dem Nachtbus zu fahren oder am Vortag einen gemeinsamen Trainingslauf zu machen. Also sowohl chaotisch als auch wichtig und verbindend.
Natürlich könnte man die offiziellen Informationen auch selbst auf der Internetseite finden oder in der einen wichtigsten Vorbereitungsmail nachlesen, aber das Ganze erhält so den Charakter eines lange gemeinsam vorbereiteten Familientreffens, bei dem die Vorfreude Teil des Programms ist. Es gibt sogar zwei Wochen vor dem Lauf noch eine gemeinsame Videokonferenz zur persönlichen Ansprache, die ich für mich zeitlich allerdings nicht gepasst hat.
Am Ende ist was Ablauf und Ausstattung angeht nichts Unerwartetes dabei, außer vielleicht, dass man gegen möglichweise auftauchende Bären Pfefferspray dabei haben sollte. Da kommt man in Deutschland natürlich schlecht dran, noch viel schlechter durch die Kontrolle am Flughafen, so dass ich lediglich meine Trillerpfeife zur Tierabwehr dabei habe.
Startpunkt des Laufs ist das Regional Mountaineering Center in Mcleodganj, einem Stadtteil von Dharamsala, nahe der nördlichen Spitze Indiens. Dharamsala ist mit etwa 30.000 Einwohnern ein regionales Zentrum auf 1.500 m Höhe, Mcleadganj quasi ein Stadtteil, aber eher ein separater Ort, der an den recht steilen Hügeln darüber auf etwa 2.000 m Höhe klebt. Zwischen beiden gibt es seit 2022 eine Seilbahn.
Wenn man aber wie ich vom Flughafen Kangra kommt, hat man mit einem Taxi in Summe 1.300 Höhenmeter zu bewältigen, und diese extrem steil und auf Straßen, nein eher Wegen, die man in Deutschland für einspurig halten würde, die aber unter Zuhilfenahme der Hupe und öfterem Durchdrehen der Räder vom Fahrer mit großer Eleganz ohne jeden Aufsetzer oder Kratzer gemeistert werden.
Neben der Schönheit der Gegend ist der Ort religiös bedeutend. Einerseits historisch für die Hindus, andererseits seit einem halben Jahrhundert für buddhistische Tibeter, deren Hauptansiedlung in Indien sich hier findet, inklusive dem Dalai Lama und vieler tibetischen Organisationen, so dass der Ort den Spitznamen „Little Lhasa“ trägt. Dies ist auch im Stadtbild sehr präsent, nicht nur durch die Tempel, Gebetsmühlen und Gebetsfahnen, sondern vor allem durch die Tibeter selbst. Einige in dunkelroter Mönchsrobe, mehr noch in der traditionellen gestreiften Kleidung, die sich deutlich von den indischen Saris abhebt, die meisten aber westlich geprägt.
Die Gebäude des Dorfes, teilweise flach, öfter aber modern mehrstöckig, sind recht einfach gebaut und nur aus der Entfernung hübsch anzusehen. Müll findet man leider auch fast überall, auf den Straßen, aber auch an den Hängen und in den Wäldern. Man lebt finanziell wohl primär vom Tourismus, vor allem von spirituell suchenden Menschen, ein ganzes Stück weniger von Trekkinggruppen. In Dharamsala gibt es zusätzlich eine Basis für Paraglider.
Die Läden bieten neben Lebensmitteln vor allem tibetische Kleidung, religiöse Gegenstände aller Art und Souvenirs. Das meiste durchaus geschmackvoll, wie auch die zahlreichen wunderbaren Restaurants. Nach Anbruch der Dunkelheit ist gefühlt noch mehr Leben auf den Straßen als am Tage schon. In Summe ein Ort voller nordindischer Intensität, d.h. viele Leute ganz verschiedener ethnischer Gruppen auf den schmalen Gassen, viele Autos, dreirädrige Autorikschas und kleine Motorräder, viel Hupen und Rufen, dazu noch Kühe, Hunde und auch Affen, und intensive dazugehörige Gerüche, die köstlichen aus den Restaurants und die nicht so appetitlichen. Man ist, anders als in den modernen indischen Großstädten, gefühlt auf einem wirklich anderen Planeten.
Der etwas seltsam wirkende Name des Ortes heißt übrigens so viel wie „Stadtteil von Herrn McLeod“, einem von der lokalen Bevölkerung hoch geschätzten Gouverneur, der Mitte des 19. Jahrhunderts sowohl die lokale Kultur förderte, als auch als ein Beispiel christlicher Nächstenliebe galt. Im Hofe der alten anglikanischen Kirche vor Ort, „St. John in the Wilderness“, grast zufällig sinnbildlich friedlich eine von der Hauptstraße abgekommene und den Hindus heilige Kuh.
Am Startpunkt des Laufs findet am Vortag auch die Startnummernausgabe und die Überprüfung der Ausrüstung statt. Dies ist in der Tat hilfreich, da man die anderen Läufer jetzt einmal wirklich treffen kann, aber auch ein besseres Gefühl für diese ja sehr fremde und ungewohnte Gegend gewinnt. Ganz wenige Teilnehmer sind für die kurzen Strecken da, fast die Hälfte für die 20 km und die andere Hälfte für die 30. Alle wirken recht entspannt, ambitionierte Leistungssportler gibt eher wenige. Immerhin fünf Ausländer sind dabei, neben mir ein weiterer Deutscher, zwei Schweizer und eine Italienerin. Die anderen vier sind alle auf längeren Urlauben in der Gegend und kennen sich teilweise sehr gut aus. Der Ort scheint also auch auf Kenner eine gewisse Anziehungskraft zu besitzen.
Als „mittlerer 50er“ gehöre ich übrigens eindeutig zu der Seniorengruppe der Teilnehmer, was vielleicht schlicht daran liegt, dass Indien eine deutlich jüngere Bevölkerung hat als Deutschland und daher die meisten Teilnehmer um die 30 sein dürften. Neben den Informationen gibt es übrigens eine ganze Menge Goodies, ein Laufshirt, eine Wintermütze, und am Ende auch eine wirklich toll gemachte Medaille. Alles, auch die fantastische Vorbereitung, liegt für die Größe der Veranstaltung sehr deutlich über dem, was man erwartet hätte. Ich hoffe einmal, dass sich das herumspricht und zumindest aus Indien noch deutlich mehr Teilnehmer dazukommen.
Am Nachmittag versuche ich vor allem, mir nicht noch irgendetwas mit dem Magen zuzuziehen, was in Indien nicht selten ist und kurzfristig zu völliger Entkräftung führen kann, wie ich selber schon einmal erfahren musste. Für mich also nur Haferkekse, Wasser und Cola. Tibetische Köstlichkeiten dann erst nach dem Rennen. Es geht zudem früh ins Bett, denn der Start am Samstag ist bereits morgens um 4:30, d.h. Aufstehen um 3:00, wohl damit alle sicher vor Einbruch der Dunkelheit zurückkommen.
Die Cutoff-Zeiten sind dem entsprechend großzügig gesetzt und die Stirnlampen müssen nur für die ersten eineinhalb Stunden leuchten. Als Bonus erlebt man den Sonnenaufgang mit. Die Versorgungsstationen liegen bei 2, 5, 8 und 10 km, und dann umgekehrt, also eine sehr angenehme Dichte, falls ein Problem auftauchen sollte. Zusätzlich gibt es vier Notfalltelefonnummern, zwei davon von Personen mit einem militärischen Dienstgrad, so dass man davon ausgehen kann, dass alles sehr professional betreut wird. Mobilfunk-Empfang gibt es fast entlang der gesamten Strecke, so dass man nicht verloren gehen sollte.
Die Nacht ist leider nicht ganz so toll, da der Ort zwar an sich sehr ruhig ist, aber in fast jedem Haus ein Hund zu wohnen scheint, der die ganze Nacht über mit dem Nachbarhund kommuniziert. Ich bekomme also kaum ein Auge zu, man sagt aber ja, dass eine gewisse Müdigkeit bei Langstreckenläufen kein Nachteil sein muss. Von der Italienerin bekomme ich um Mitternacht eine Nachricht, dass sie sich am Nachmittag noch eine Lebensmittelvergiftung geholt hat und gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Laufen konnte sie also leider nicht, aber immerhin hat sie sich den Tag über dann noch gut erholt.
Pünktlich um 4:30 stehen etwa 25 Läufer im Dunkeln und bekommen noch einmal die generellen Anweisungen für den Lauf. Dazu wird Tee gereicht und auch ein paar leichte Snacks. Es sind etwa 15 °C, so dass einige in langer Hose, Jacke und Mütze dastehen, andere kurz und nur mit Laufshirt bekleidet. Ich zähle zu den Optimisten und bereue das auch nicht. Da es leicht bewölkt ist, wärmt es sich zwar nicht so wirklich auf und in den höheren Lagen geht auch etwas Wind, die körperliche Anstrengung kompensiert das aber ausreichend. Die wärmer angezogenen Kollegen sind mit ihrer Wahl aber auch glücklich. Schuhseitig bin ich mit meiner Wahl einer härteren Sohle für technische Läufe äußerst zufrieden, es gibt aber auch Läufer mit Barfußschuhen, die lediglich über etwas Moos und damit Rutschigkeit in den niedrigeren Lagen klagen, und es gibt Teilnehmer, die gleich in Wanderschuhen gekommen sind.
Zunächst ist es vor allem einmal dunkel. Auch 25 Stirnlampen, die sich dazu noch rasch verteilen, machen da keinen großen Unterschied. Zur Ermutigung hat eine Dame im Rucksack eine kleine Boom-Box laufen – Punjabi Pop ist zum Laufen gar nicht so unpassend und stört in der Finsternis auch weniger, als wenn man damit beschäftigt ist, die Natur visuell zu genießen.
Nach 2 km kommt in der Tat die erste Versorgungsstation, mit Wasser, Elektrolyten, Bananen, Datteln, Snickers etc. Sehr freundliche Leute, die freiwillig so früh aufgestanden sind, obwohl es weder große Menschenmassen noch Superstars zu sehen gibt. Die Anzahl der Helfer ist in Summe vermutlich höher als die der Läufer, was zu dem persönlichen Charakter der Veranstaltung natürlich sehr positiv beiträgt. Ich unterhalte mich immer ein wenig, bedanke mich vor allem intensiv, denn so selbstlos wäre ich wahrscheinlich nicht gewesen.
Die Strecke geht danach von noch befahrbaren Wegen in den Trail über, der vor allem aus Steinen und Felsen besteht, die an Zahl und Größe nach oben hin zunehmen. Es ist trocken und die Steine sind eher flach, so dass man vor allem darauf achten muss, wo man hintritt und dass man nicht mit seinen Stöcken zwischen den Steinen hängen bleibt.
Die ersten Kilometer wurde dem Trail noch künstlich durch Befestigung des Randes am Steilhang nachgeholfen, der obere Teil ist völlig naturbelassen. Auch wenn der Weg in Summe sehr angenehm ist, ist er aber vor allem steil. Man läuft mal 20 oder 50 m, um dann wieder das Gefühl zu haben, nicht einmal mehr zu wandern, sondern Treppen zu steigen. Es sind auch tatsächlich einige Treppen da, deren Stufenhöhe nicht unbedingt kindergerecht ist.
Es ist echt anstrengend, und obwohl mein Puls auf relativ entspanntem Niveau schlägt, atme ich doch eher schnell. Vermutlich hat das aber auch mit der fehlenden Akklimatisierung zu tun. Rede ich mir zumindest ein, um meine generelle Fitness nicht zu sehr in Frage zu stellen. Bei Station zwei wird es langsam heller, Station drei ist dann an dem recht bekannten Pass von Triund und man kann die ganze Aussicht genießen. Sie ist nicht so lieblich wie oft z. B. in den Voralpen, sondern schroff und wild. Die Helfer auf dieser Station haben die Nacht in kleinen Zelten auf dem Berg verbracht, um rechtzeitig die Versorgung der Läufer zu sichern. Wahnsinn. Man kommt aber eben auch nur zu Fuß hier hoch. Das umfangreichere Material wird per Maultier hochgebracht.
In Triund kommen mir auch schon die ersten Läufer entgegen, ganz vorne dabei die Schweizer Kollegen, so wie ich es vermutet hatte. Viele der schnelleren Läufer, auch die der 30 km Strecke, die eine Stunde später passieren, tragen gar keine Ausrüstung bei sich – die Versorgung ist ja auch großartig und lückenlos – und sind gazellengleich mit einer derartigen Trittsicherheit zwischen den Steinen unterwegs, dass ich nur neidisch hinterhersehen kann.
Das letzte Stück ist etwas flacher und der Wendepunkt „Snow Line“ gefühlt eher ein Startpunkt zu der folgenden richtig alpinen Strecke. Für mich passt es aber zeitlich mit einer Zielzeit von 5 h genau wie geplant. Zudem bewölkt es sich langsam, so dass ab der Mittagszeit oben am Indrahar Pass sogar noch Schnee fällt. Wenn man mehr Urlaubstage hat, sollte man sich aus meiner Sicht trotzdem die ganze Strecke vornehmen, zeitlich ist das für die meisten Trailläufer bei dem frühen Start gut zu machen.
Nach einigen Gruppenfotos geht es dann wieder bergab, so dass man endlich einmal den Blick nach unten hat und dazu genug Licht, um es wirklich genießen zu können. Es läuft sich natürlich auch viel leichter, oder man läuft überhaupt einmal richtig, und sowohl meine Beine als auch meine Knie, die hier schon stark belastet werden, machen ganz gut mit. Insgesamt ist es bei meiner Geschwindigkeit nicht zu anstrengend. Energie habe ich dank meiner Gels reichlich, da der Magen aber zu wenig zu tun hat nehme ich dann doch einmal dankbar ein Snickers zu mir, was mich gut bis zum Ziel trägt.
Auf halber Strecke kommen einem dann die ersten Wochenendwanderer entgegen. Erst einige Mönche, dann Touristen, dann besser gekleidete Familien. Jeder geht solange er Lust hat, auf der Strecke haben inzwischen sogar ein paar einfache Cafés geöffnet, die für die Verköstigung sorgen. Und man trifft auf dem Weg dann auch noch die ganze Tierwelt, d.h. Kühe, die einfach frei herumlaufen, Ziegen mit Hirten und eben Maultiere. Affen sieht man keine, man hört sie nur manchmal. Bären waren glücklicherweise keine da.
Auf den letzten Kilometern im bereits besiedelten Bereich gelingt es mir dann tatsächlich noch, mich zu verlaufen, bzw. von der eigentlich ganz einfach erkennbaren Route abzukommen und eine kleine Ehrenrunde von 2 km zu drehen. Gut, dass ich die Strecke auf dem Handy habe mitlaufen lassen, so dass mir mein Fehler immerhin irgendwann aufgefallen ist. Einem anderen Läufer ging es wohl noch etwas schlechter, der musste mangels GPS per Handyanweisungen wieder auf die richtige Strecke gebracht werden. Notfallnummern mit ortskundigem Personal sind wirklich ein Segen.
Am Ziel waren dann naturgemäß neben den Helfern nicht mehr ganz so viele Leute. 25 Läufer auf eine Laufzeitdifferenz von ca. 4 h aufgeteilt ergibt keine hohe Dichte der Zieleinläufe. Umso mehr aber wurde jeder persönlich begrüßt, erhielt eine vom Rennleiter Col. Pradeep Bist mit Hand ausgefüllte Urkunde und seine Medaille. Es wurden natürlich wieder viele Fotos gemacht. Einige hundert davon gingen schon wenig später per WhatsApp rum, so dass ich als Reisender von Glück sprechen kann, dass die App sie über WLAN und nicht LTE runtergeladen hat.
Übrigens waren nicht nur am Ziel Fotografen unterwegs, sondern auch an verschieden Stellen an der Strecke, so dass in einigen Tagen vermutlich eine riesige Fülle an Material auf Internetseite oder Google Drive zu Verfügung stehen sollte.
Zum Abschied lasse ich mir viel Zeit, trinke einige Tees und esse ein paar handgemachte Sandwiches, die ernährungstechnisch sicher zu sein scheinen. Man plaudert noch etwas und dann geht es wieder zurück ins Dorfleben.
Oder im Gegenteil, für mich geht es erst einmal ins Bett für einen langen Mittagsschlaf. Wenn man vom Trailrunning um 10 Uhr schon wieder im Hotel ist, kann man sich auch einmal eine schöne Ruhezeit gönnen – und dann sehr gutes Essen, mit Lamm gefüllte Teigtaschen in Gemüsesuppe, Empfehlung des Kochs.
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GUT ZU WISSEN:
Bei Läufen in der Wildnis ist das Thema Verletzungen und Versicherung durchaus ernst zu nehmen. Auf der langen Strecke hatte sich gestern spät ein Läufer so stark verletzt, dass er über Nacht am Berg kampieren musste und erst heute ins Tal zurückgebracht werden konnte. Anders als in den Alpen steht hier nicht mal eben ein Rettungshubschrauber bereit.
Der Laufveranstalter bietet für alle indischen Teilnehmer als Teil der Anmeldung eine Versicherung, die sowohl Rücktransport als auch medizinische Behandlung beinhaltet. Als ausländischer Teilnehmer hat man die Wahl, eine ähnliche Versicherung abzuschließen, die auch den Rücktransport ins Heimatland mit beinhaltet. Diese ist jedoch etwas teurer als z.B. die ITRA Versicherung für Läufer. Wenn man sich in den Bergen viel vornimmt, sollte man sich ggf. durchaus absichern.