Der Trail de la Sibérie, etwas südlich von Namur im „pays des vallées“, ist gedacht als Kombination von zwei Läufen. Freitagabend wird ein Nachtlauf angeboten, zwischen 6 und 25 km, am folgenden Morgen geht dann nach kurzem Schlaf der Langstreckenlauf los, 35, 42, 52, 75, 100 oder 125 km. Eine tolle und sicher aus Trainingssicht spannende Kombination zur Vorbereitung der Laufsaison.
Ich bin wieder einmal knapp mit der Zeit, so dass ich ohne Übernachtung nur am Samstag laufe, und auch nur 52 km mit 1.700 Höhenmetern. Bei der erwarteten Kälte und mangelndem Training sind mir die 75+2.300 als nächste Stufe dann doch zu viel. Warum ausgerechnet der Trail de la Sibérie? Ich nehme ja meist an eher kleineren Läufen teil, habe mit Mitte 50 aber nun doch einmal den Wunsch, eines der großen UTMB Rennen zu laufen. Und wie ich verstehe, sollte man für einen Startplatz einige UTMB-Index-Rennen gelaufen sein. Davon gibt es in Belgien 14, also etwa jeden Monat einen, im Februar eben den Trail de la Sibérie. Dafür zahle ich dann auch 45 Euro, was für mich so im oberen Mittelfeld meiner Laufkosten liegt (die UTMB Läufe kosten dann 150 Euro aufwärts, die nächsten beiden Jahre versprechen also teuer zu werden).
Der Name des Laufes kommt übrigens nicht daher, dass er bei sibirische Temperaturen stattfindet und man daher Eis und Schnee erwarten kann, oder wenigstens das Kälteste im Lande. Es gibt in Belgien in der Tat solch einen Ort, den man „Klein Sibireien“ nennt, aber der ist in der Gegend von Bütgenbach bzw. Elsenborn im Hohen Venn, nahe der deutschen Grenze. Sibérie ist schlicht ein besonders schöner Aussichtspunkt in Profondeville – der allerdings leider nicht auf der Strecke liegt, man sieht nur ein Hinweisschild.
Zurück zur Trainingsvorbereitung, da später noch einmal relevant: Die war eigentlich gar nicht schlecht. Temperaturen um den Nullpunkt, also angenehm gefrorener Boden, trotz Niederschlägen, und ein Hauch von Romantik im Bodennebel am frühen Morgen. Die Woche vor dem Lauf wurde es allerdings warm, so dass ich mich besonders auf steilen rutschigen Untergrund vorbereiten wollte. Also Halde Haniel hoch und runter. Ich bin auch mächtig gerutscht, habe schon extra die Stöcke nicht an den Handschuhen befestigt, bin aber doch einmal so unglücklich gefallen, dass ein Stock gebrochen ist. Teure Laufvorbereitung. Am Abend vor dem Lauf musste ich ein Auto zum TÜV bringen, hatte jedoch vergessen, dass der öffentliche Nahverkehr streikt – und ein Taxi war auch nicht zu bekommen. Also auch für mich ein unfreiwilliger 15 km Nachtlauf zum „Aufwärmen“.
Das mit den Stöcken wird noch einmal relevant, das mit dem Lauf am Vorabend hat im Nachhinein nicht geschadet. Ich war in Summe besser unterwegs als ich erwartet hätte.
Laufstart um 9, bei etwa 2h Fahrt von Düsseldorf sehr gut zu machen. Die Vortage waren warm und sonnig, ein guter Auftakt. Ich habe ja meist Glück mit dem Wetter. Diesmal allerdings nicht. Es war leichter Nieselregen angekündigt, und der kam auch tatsächlich. Die erste Stunde des Laufs dauerhaft, eine Stunde vor Ende dann noch einmal heftig. Bei 11 Grad weiß man sowieso nicht wie man sich anziehen soll. Manche, wie bei einem trockenen Stadtlauf in kurzen Hosen und Shirt, andere mit langen Hosen, zwei Lagen plus Jacke oben, Halswärmer und Mütze. Am Ende war wahrscheinlich jede Wahl gleich gut oder gleich schlecht. Ich war trotzdem ganz froh, lange Hosen zu tragen, alleine wegen meiner zwei Stürze.
Auf der Strecke haben sich eher flache Stücke mit recht steilen abgewechselt. Und der Boden war wirklich matschig und teilweise extrem rutschig. Auch dazu waren Stöcke gut, die etwa die Hälfte der Läufer dabei hatten, allein, um sich zu stabilisieren. Im Matsch bergauf macht man sonst einen Schritt hoch und rutscht wieder einen halben runter. Aber ich muss zugeben, die schnellen Läufer sind da irgendwie mit Maximalgeschwindigkeit und einem großen Selbstvertrauen durch. Die sind allerdings meist auch nur halb so alte wie ich. Man sah auf den ersten 23 Kilometern, bis zur ersten Versorgungsstation, ohnehin recht viele Leute, da die zeitlichen Abstände der Starts so gelegt waren, dass man von den Schnelleren auf den kürzeren Strecken überholt wurde. War eigentlich ganz nett und ist vor allem für die gut, die in größeren Gruppen mit unterschiedlichen Laufdistanzen dabei sind.
In Summe sind übrigens über alle Strecken 952 Läufer ans Ziel gekommen, zusätzlich 106 DNF/DNS. Also der erste Sturz nach 7 km: Flach, rutschig, schmaler Grat, Steilhang links. Merke: Versuche nicht, ein Gel zu dir zu nehmen, wenn ein Sturz ein Hangabwärtsrutschen mit sich bringen könnte. War zwar nicht weiter dramatisch, aber dann blutige Finger und keine gutes Gefühl.
Nach 23 km dann der kurze Stopp und eine Trennung der Strecken. Auf einmal ist man recht allein bzw. sieht nur noch wenige und immer die gleichen Läufer, denn das Feld hat sich ja bis dahin schon auseinandergezogen und stabilisiert. 23 km ist eigentlich ein ganz guter Zwischenstopp, da nahe der Hälfte, also mental förderlich. Der zweite Stopp, den ich leider übersehen haben muss, da etwas abseits vom Trail gelegen, ist bei 42 km, also wieder mental günstig, da noch 10 km verbleiben. Wenn man ihn verpasst (und genug Verpflegung dabei hat) ist es übrigens mental noch besser, da man erst bei etwa 8 verbleibenden Kilometern merkt, dass man ohne weiteren Stopp auf dem Weg zum Ziel ist. Zur Verpflegung habe ich ja immer die ganze Wanderausstattung dabei, und Wasser brauchte man nicht viel. Nur einmal hatte ich einen riesigen Heißhunger auf etwas Herzhaftes, so Mettbrötchen mit Zwiebeln. Eine Elektrolyttablette hat die Sehnsucht glücklicherweise stillen können – und am Ziel gab es genialerweise Rührei (und natürlich Bier, aber leider nur mit Alkohol).
Die folgenden 10 km sind dann etwas angenehmer, aber das macht die Reststrecke dann wieder wett. Auch durch den frischen Regen, der gerade an den Hängen noch einmal kleine frische Schlammlawinen produziert hat. Manchmal hat man sich dann nur von Baum zu Baum gehangelt. Auch ich, da ich bei einem weiteren Sturz dann noch einmal einen Stock gebrochen habe. Teurer Lauf. Ich hatte zwar an der Halde noch extra trainiert, wie ich ggf. besser die Stöcke loslasse, bevor sie brechen, es geht aber dann doch alles sehr schnell. Ärgerlich, aber ich war nahe dem Ziel, so dass es läuferisch nicht ganz so tragisch war. Und wie gesagt gab es an den ganz steilen Stücken ja auch noch Bäume. Merke: Es gibt auch Bäume bzw. Büsche mit dornenbesetzen Ästen. Das kann unangenehm blutende Hände verursachen. Man muss also genau hinschauen.
Bei Trockenheit und Sonnenschein wäre einem die Strecke vermutlich ganz anders in Erinnerung geblieben, vielleicht sogar fast schon langweilig, wenn auch angenehmer.
Man war durch die Bodenbeschaffenheit bzw. durch das Laufen an sich also gut beschäftigt, so dass gefühlt keine Langeweile aufkam. Die Kombination aus Anstrengung, Konzentration und Natur ist ohnehin die perfekte Kur für den Geist. Vielleicht auch ein Grund warum ich das überhaupt mache. Ein bisschen bekloppt ist das ja schon, wenn man das so liest. Echte touristische Highlights gab es auf der Strecke übrigens nicht wirklich. Eine Mariengrotte, ein Weltkriegsbunker, ein Draisinenbahnhof und ein Startplatz für Gleitschirme habe ich als die besonderen Orte empfunden. Ist ok, aber da bieten andere Strecken in Belgien deutlich mehr.
Am Ende sah ich wirklich aus wie Sau, hätte aber gut auch noch weiter laufen können. Letzteres ist ein gutes Zeichen, auch für notgedrungene Trainingsläufe kurz vor einem Rennen. Ersteres eigentlich auch. Als meine Kinder klein waren und mit braunen Hosen vom Spielplatz oder aus dem Wald kamen habe, sie immer gefragt, was die tiefere Bedeutung davon ist. Für mich war die immer, dass total vermatschte Hosen heißen, dass man einen tollen Tag hatte. So ist das vielleicht auch manchmal beim Laufen. Beim nächsten Mal wäre mir etwas weniger davon allerdings auch nicht unrecht.