Klaus meinte nach meinem letzten Lauf, die Saison sei für richtige Trailrunner noch nicht vorbei. Da hat er Recht.
Allerdings spiegelt meine niedrige Trainingsintensität das nicht ganz wieder. Außerdem ist bald Weihnachten, d.h. die Zeit ist knapp und das Restgeld des Jahres ist schon für Weihnachtsgeschenke ausgegeben. Da kommt mir der Trail du Hoyoux mit gerade einmal 12 Euro Anmeldegebühr (plus freiwillige Spende) und 190 km Anfahrt von Düsseldorf gerade recht.
Eine sehr klare Positionierung, keine Laufshirts, keine Medaillen, wiederverwendbare Startnummern, gpx-Datei in der Woche davor, kein Schnickschnack, nur pures Laufvergnügen. Wie ich schon öfter geschrieben habe gibt es in Wallonien wirklich in fast jedem Dorf einen Traillauf, und selbst die vermeintlich kleinen sind nicht klein. Der Trail du Hoyoux hat teilweise bis zu 1.000 (!) Anmeldungen. Diese Jahr sind es eine Woche vor dem Lauf 132 auf der Marathonstrecke (mit 1.300 Höhenmetern), 237 auf 27 km, 341 auf 15 km und 142 auf 7 km – also tatsächlich fast 900. Und manche kleine Läufe entpuppen sich als wahre Schätzchen, so wie dieser.
Der Hoyoux ist ein Flüsschen im nördlichen Wallonien, etwas westlich von Liege, der von Marchin nach Huy fließt und dort in die Maas. Marchin ist der Ausgangspunkt des Laufes. Ein kleines schmuckes Dörfchen, das den Vorteil hat, einen schönen Festplatz für Partyzelt und Startbogen zu haben und auf den zahlreichen langen Einfallstraßen zudem reichlich Parkplätze bietet, um auch größere Veranstaltungen problemlos ausrichten zu können.
Huy ist eine mittelgroße Stadt, die neben einer oberhalb des Ortes gelegenen Zitadelle (mit Bergbahn, falls man nicht wie wir einfach hochläuft), alten Gebäuden und pittoresken Brücken eines der zwei belgischen Atomkraftwerke zu bieten hat (man täusche sich nicht, die Ladestation für E-Autos direkt gegenüber bietet nur 58 bzw. 23 kW Ladeleistung, was nach einem Traillauf mit schlechter Ladeplanung zu deutlichen Verzögerungen bei der Heimfahrt führen kann). Die Strecke führt von Marchin nach Huy und zurück. Aber so was von.
Los geht es um 9, eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang bei 3° Celsius. Zwischendurch kommt einmal kurz die Sonne raus, aber das täuscht, denn es wird nur bis zu 6° und auf den Hochebenen weht ein kühles Windchen. Mütze und lange Jacke sind daher Pflichtprogramm, ebenso etwas um den Hals und Handschuhe, wenn auch nur für die erste Stunde. Einige trauen sich in kurzen Hosen zu laufen, ich bin froh, dass ich das nicht getan habe. Stöcke haben nur wenige, die sind aber gar keine dumme Idee.
Bis auf einen kurzen Nieselregen ist das Wetter trocken, der Trail hat allerdings dem Anschein nach die letzten Wochen eine hervorragende Bewässerung erhalten, die einige Herausforderungen mit sich bringt. Der erste Teil der Strecke geht tendenziell bergab, etwas durch die Dörfer und viel über Felder und durch kleine Waldstücke. Man hat zwar schon im Kopf, dass man da auch wieder hoch muss, sind aber ja anständige Wege. Vermutlich waren für alle die ersten 10 km die schnellsten und einfachsten.
Danach wird es deutlich anspruchsvoller. Sowohl, weil der Hoyoux und auch andere kleine Flüsschen (die Maas überqueren wir nicht) sich tief ins Gelände eingeschnitten und so hervorragende An- und Abstiege geschaffen haben. Ich habe mich noch nie bei einem Traillauf derart viel an Bäumen (bergab) oder Steinen (bergauf) festgehalten. Echt extrem anstrengend. Zusätzlich hat der Veranstalter eine echte Gabe, die zu laufenden Wege so schmal und „abwegig“ wie möglich zu halten. Selbst wo es einigermaßen gute Wanderwege gibt, führt der Trail meist durch das Unterholz einige Meter versetzt daneben. Immer noch eine Art Weg, aber eben ein deutlich herausfordernderer. Vorteil: Wanderern und Mountainbikern begegnet man nicht. Nachteil: Matschigen Stellen kann kaum ausweichen.
Bergauf kann man in meiner Preisklasse nicht laufen und bergab nur selten, da die Gefahr zu stürzen erheblich ist. Dazu kommt die Tatsache, dass der Trail teilweise direkt an steilen Abhängen verläuft und man wirklich aufpassen muss, nicht einen Abgang zu machen. Und im Matsch kann man natürlich auch nicht laufen, nicht wegen der nassen Füße, die man ohnehin kaum loswird, sondern schlicht wegen der Rutschgefahr. Die mag aber auch deshalb besonders ausgeprägt sein, da ich im letzten Viertel (Stichwort Trainingszustand) unterwegs bin und daher der Weg schon umfassend beansprucht ist. Kurzum, eigentlich kann man also nie laufen (ich vereinfache hier etwas um der Dramatik willen).
Alles sehr erholsam, könnte man denken, ist es aber nicht, da man gerade bei rutschigem Untergrund mit dem Aufwand für einen Schritte meist nur einen halben Schritt vorankommt. Und die Steigungen gibt es natürlich auch noch. So habe ich tatsächlich eine ganze Stunde länger gebraucht, als nach meiner ersten Zieleinlaufabschätzung nach 10 km zu erwarten gewesen wäre. Und einen Sturz könnte ich mir, erstmalig in meiner Laufkarriere, leider auch nicht verkneifen. Bergab in knöcheltiefem Matsch einmal auf den Hintern. Glücklicherweise nur Schürfwunden am Arm und Bein – die lange Hose hat ggf. Schlimmeres verhindert.
Aber, wenn man sich darauf einlässt, ist das Ganze eine Riesengaudi, wie der Bayer sagen würde. Technisch anspruchsvoll, abwechslungsreich, hervorragend gekennzeichnet, ein paar Sehenswürdigkeiten dazu (zwei Schlösschen, ein Turm, zahlreiche Brücken, spektakuläre Felsüberhänge, zwei Abschnitte direkt am Bahngleis, eine große Fabrikanlage, ein Atomkraftwerk und ganz viel Wald. Da es eher weniger warm war, war auch das mit der Verpflegung kein Problem. Sollte eigentlich bei 10, 19 und 34 km sein, die 19 war auf 24 verlegt, was dank umfassender Vorräte aber kein Problem darstellte. Besonders lecker waren die Salamiwürfel, Zucker hatte ich ja in Form von Gels selber genug dabei. Aber auch Orangenviertel zählen immer wieder zu meinen Motivationsrettern. Zum Abschluss gab es sogar noch eine lokale Live-Band im Zelt. Gar nicht so schlecht, wenn man nicht dringend nach Hause unter die Dusche möchte.
Wer auf anspruchsvolle, rustikale Strecken steht (welcher Trailläufer tut das eigentlich nicht), sollte mal beim Trail du Hoyoux, Marchin mitmachen. Ich kann den Lauf von ganzem Herzen empfehlen.