Start um Punkt 10Uhr. Ich bin angeschlagen, da will ich nicht im Weg herumstehen und starte weit hinten. Viele Läufer haben ihre Familien mitgebracht, man spricht italienisch am Streckenrand. Auf der Geraden geht es rein in den Ort, an den schönen, alten Engadiner Häusern vorbei. Der deutsche Philosoph Nietzsche hat hier viel Zeit verbracht, das Haus in dem er hier wohnte, ist nun ein Museum.
Renate, eine alte Bekannte, läuft auch mit. Sie läuft überall da, wo sie mit der Bahn hinkommt. Fliegen will sie nicht. Drei als Urzeitmenschen verkleidete Läufer, Kostüm „Ötzi“, ernten mit „Ugga Ugga“-Gebrüll Applaus und Gelächter. Nach gut 1km verlassen wir Sils und den Asphalt, schnurgerade auf den Lej da Silvaplauna zu. Der Weg wird in voller Breite genutzt. Wer hier überholen will, hat Stress. Am Silvaplaner See angelangt, laufen wir ans rechte Ufer.
Km3: Schatten, damit Kühle und die ersten Höhenmeter im Wald. Blick rüber nach Silvaplana. Jedenfalls ein tolles Fotomotiv. Das ist das Problem hier: Tolle Fotomotive gibt es ständig, es ist wunderschön. Wer schneller läuft, hat weniger von der schönen Landschaft. Unterschiedliche Grüns in den Seen, in den Wäldern, auf den Bergen Reste vom Schnee, blauer Himmel und da und dort weiße Wolken.
Britta läuft genauso unrhythmisch wie ich, weil sie zwischendurch auch fotografiert. Mit demselben Problem: Man knipst fast immer dieselben Leute. Den Vorsprung, den man rausgelaufen hat, verliert man beim Knipsen wieder. Radfahrer auf ihren Mountainbikes stehen am Wegesrand und warten, bis wir vorbei sind. Jetzt sind die 900 Läufer noch relativ eng beisammen, sodass sie nicht allzu lange warten müssen. Außerdem sieht man so einen Auftrieb auch nicht alle Tage.
Für die Kite-Surfer ist es heute noch zu früh, der richtige Wind kommt erst später am Tag.
Nach 5km verlassen wir das Seeufer und den Wald, nun riecht es nach Heu. In der Sonne ist es sommerlich warm, bei km6 die erste Versorgungsstelle. Es gibt Wasser, Iso, Powerriegel und feuchten Schwamm. Viele sehr junge Helfer sind im Einsatz und eifrig bei der Sache.
Was ist das für ein Geschnatter! Die Herren vor mir, offenkundig Italiener, werden hier von ihren Familien bejubelt. Wir wechseln über die Straße zum nächsten See: Lej da Champfèr.
Michael bekommt ein Baby in die Hand gedrückt, zum Abbusseln. „Für die Moral“, wie er sagt. Britta und ich knipsen uns gegenseitig. Nun haben wir See mit Wald als Fotomotiv und Gegenlicht. Adelbert aus Bayern läuft in Lederhose und mit Alphorn auf der Schulter. Immer wieder bleibt er stehen, tutet rein und läuft weiter.
Der See ist zu Ende, wir laufen dem Inn entlang. Es geht über den Fluss und bergauf, als mir vier Reiter entgegen kommen. Die Pferde haben doch etwas mit dem Gefälle zu kämpfen. Am nächsten, sehr kleinen See, Lej Marsch, gibt es ein Lagerfeuer. Zum Glück zieht der Rauch gut ab.
Schließlich geht es am Tennisplatz von St. Moritz vorbei und an einer Olympia-Skisprungschanze. Alt, und nicht allzu groß ist sie. Es geht runter, durch einen Campingplatz, wir werden bestaunt. Km10 ist auf den Boden gesprüht, dafür habe ich 64min gebraucht. Kurz bevor wir zum Kempinski-Hotel kommen, gibt es am Waldrand eine Schwammstation. Ein Berner Sennenhund sitzt im Schatten und scheint sich recht wohl zu fühlen. Vorm Kempinski dann eine Labestelle mit allem Drum und Dran.
Flach weiter zu einem Sportplatz, hier legt gerade einer einen 100m-Sprint hin. Alle Achtung, der zieht ab! Der macht das heute nicht zum ersten Mal. Warum ist der nicht in Moskau bei der WM?
Schiefer Turm von St. Moritz, erwähnt 1139. Da war er noch nicht schief. Die dazugehörige Mauritiuskirche musste vor 100 Jahren abgerissen werden. Man hat eine andere Kirche daneben hingestellt. Wir sind also am nächsten See angelangt, dem Lej da San Murezzan. Biken verboten, das kümmert nicht alle, aber sie fahren langsam und gefährden niemanden. Der Kies-Erde-Weg ist gut planiert und gar nicht so schmal. Man hat einen wunderbaren Blick auf das gegenüberliegende St. Moritz. Riesige Hotels und Häuser hat man hier hergebaut, einige ohne einen Architekten, wie mir scheint. Der Gesamteindruck aber passt. Die roten Eisenbahnwaggons der Rhätischen Bahn im Vordergrund geben ein malerisches Bild. Es ist schön hier zu laufen, sehr schön sogar!
Bevor wir den St.-Moritz-See verlassen, geht es an einem Hundebadestrand vorbei. Das Wasser sieht ja wirklich verführerisch aus. Am Anstieg zum kleinen Lej da Staz kann man duschen. Es hat gerade zugezogen, der See wirkt recht finster. Ausflügler sitzen auf Bänken und sehen den Läufern zu. Noch 200m bis zur nächsten Labe. Die ist gut bestückt. Adelbert montiert wieder das Mundstück auf sein Alphorn und tutet einmal kräftig.
Ich spüle ein Stück PowerBar mit Iso runter. Km15, ich bin 100min unterwegs, Evi wird den Muragl-Lauf bereits beendet haben, ihr erstes Rennen im Ausland. Im Wald geht es nun weiter bergauf, nach wenigen Minuten habe ich den höchsten Punkt der Strecke erreicht.
Ein leicht gewellter Weg, nun tendenziell bergab, die Sonne kommt zwischen den Bäumen durch, sehr schön zu laufen. Eine wandernde Familie am Wegesrand will wissen, wie weit wir hier laufen? Insgesamt 26, keine 10km mehr! Hey, heute werde ich unter 4 Stunden ins Ziel kommen, wird mir bewusst, sogar locker unter 3! Ist ja zur Abwechslung einmal kein Marathon, was ich da laufe.
Der Weg runter wird steiler, raus aus dem Wald, unter der Eisenbahn durch. Es gibt schon wieder zu essen und zu trinken. Ein Bub streckt mir einen Wasserbecher entgegen, Iso, Banane, PowerBar. Es ist genug von allem da. So viel, dass sich auch zwei Wanderer laben dürfen. Am Weg zum Ortsanfang von Pontresina muss ich durch einen „Wasserwerfer“, kein Platz um dem auszuweichen. Wenigstens ist mein jetziger Fotoapparat wasserdicht.
Bevor wir richtig in den Startort des Muragl-Laufs reinkommen, geht es auch schon wieder raus. An ein paar Pferden vorbei, hier gibt es wieder anfeuernde Zuschauer, unter der Bundesstraße durch und in den Wald. Rechts unten fließt der Flazbach, weißlich grünes Gletscherwasser, ist bestimmt ziemlich kühl. Der Weg windet sich durch Bäume und Felsen, ein wahrer Genuss. Nach ein paar Minuten verlassen wir den Wald, wir laufen an weidenden Kühen vorbei und in Folge parallel zur Eisenbahn. Mittlerweile bin ich mit Yvette und Michael gut bekannt, durch die Fotostopps treffen wir uns immer wieder einmal.
Es ist warm geworden. Die Fahrgäste im vorbei brausenden Panoramazug der Rhätischen Bahn bekommen heute nicht nur die schöne Landschaft zu sehen, sondern auch buntes Laufvolk.
Punt Muragl, wieder eine Stärkung. Keine Höhenmeter mehr und auch kein Schatten mehr. Wir laufen an der markanten San Gian-Kirche bei Celerina vorbei, deren höherer Turm nach einem Blitzeinschlag 1682 nicht mehr repariert worden ist. Hier ist ein Profi-Fotograf postiert, der mit der Kirche einen pittoresken Hintergrund hat.
Quer über die flachen Wiesen laufen wir zum und über den dunkelgrünen Inn, von rechts mündet der Flazbach. Die verschieden farbigen Gewässer mischen sich. Es wird gefischt, die Sanitäter sind beschäftigungslos, einen Schluck Iso nehme ich gerne.
Jetzt immer am linken Inn-Ufer entlang. In der Pizzeria Sper l'En haben Evi und ich gestern gut gespeist. Unter der Straße durch, sodass ich nun den Inn auf Augenhöhe habe. Oben kündet ein Schild vom letzten Kilometer. Vor der „Promulins Arena“ werden wir für die letzten Meter angefeuert, im Festzelt geht es schon hoch her. Runter vom Damm und noch eine Runde auf dem Kunstrasenplatz bevor ich im Ziel bin. Ging ja ganz gut. Das Erdinger alkoholfrei habe ich mir redlich verdient! Finishershirt gibt es obendrein.
Als Evi und ich bei prachtvollem Wetter das Sportgelände verlassen, wir müssen abends wieder in Oberösterreich sein, kommt uns fröhlich hüpfend der hoffnungsvolle Läufernachwuchs entgegen. Denn für den Nachmittag stehen noch Kinderläufe über diverse Distanzen am Programm.
903 FinisherInnen beim 34. Engadiner Sommerlauf (26km)
441 FinisherInnen beim Muragl-Lauf (11km)
070 FinisherInnen beim Nordic-Walking (11km)
Startgeld CHF 35 - CHF 50, je nachdem
Bruttozeitnehmung an der Startnummer
reichlich Labestellen, Wasser, Iso, Bananen, Powerriegel,
Traumhaft schöne Strecke, 100 Höhenmeter rauf, 200 runter
Zielversorgung: Erdinger alkoholfrei, Bananen, Äpfel,
Shuttle zum Start, Kleiderbeuteltransport vom Start zum Ziel
Finishershirt, Urkundenausdruck bzw. -download