Purer Genuss. Mehr bleibt nicht. Kurz darauf, erreichen wir See Nr. 3, den Lej Marsch. Neben Fischen und Edelkrebsen nutzen ihn auch viele Einheimische und Touristen zum baden. Es ist so heiß, dass man sich ebenfalls direkt in das kühle Nass stürzen will, aber zum Glücksendet der angrenzende Wald den Läufern Schatten.
Beinahe wären wir an der Olympiasprungschanze, welche bereits 1904 erbaute wurde und heute aber verfallen ist, vorbeigelaufen.
Es geht abwärts bevor wir das Campingplatzareal wahrnehmen. Mit aufrechtem Gang und flotten Schrittes laufen wir quer über diesen Platz, die Campingfreunde sind schon gut drauf und jubeln uns zu. „Allez, allez, Oranje, Oranje“.
Da halten uns doch tatsächlich ein paar Italiener für Holländer. Für die schnellsten Läufer ist das Vergnügen schon vorüber, denn sie haben bald das Ziel erreicht. Wir haben mit diesen Läufern etwa so viel gemein, wie ein Rennrad mit einem Hollandbike.
Das Laufen fällt mir jetzt schon schwer. Ich bin müde und meine Beine auch. So früh und schon Ermüdungserscheinungen? Wir sind doch gerade mal 10 Kilometer gelaufen. Ungewöhnlich für mich. Liegt es am Ende tatsächlich an der Höhe? Während ich mir gerade darüber den Kopf zerbreche, laufen wir, wie passend, auf den Stützpunkt von Swiss Olympic zu. Hier werden Olympioniken gemacht. Die ersten Anlagen für ein Höhentrainingszentrum in St. Moritz wurden bereits 1967/68 erstellt. Also gut denke ich mir, trainieren wie Olympia-Teilnehmer bei einem Berglauf ohne nennenswerte Höhenmeter.
Wir kommen letztlich aus dem Flachland. Leben und schlafen auf 130 m ü. M. Immerhin, der Taunus, ein deutsches Mittelgebirge mit dem Großen Feldberg liegt auf 881,5 m ü. M. und bietet uns somit die höchste Erhebung für ein Training. „Optimal sollte die Anreise vier bis sieben Tage vor dem Lauf erfolgen. Wer allerdings nicht so viel Zeit hat, sollte den Lauf so planen, dass die Belastung in den ersten 24 Stunden nach Ankunft stattfindet“. Dies konnte ich der Internetseite zum Engadiner Sommerlauf entnehmen.
Seit 17 Stunden befinden wir uns auf 1800 m ü. M. Weiter las ich: „Ein erstes Gebot beim Höhentraining lautet: vorsichtig beginnen! Der Körper braucht Zeit, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Zeit zur Gewöhnung heißt auch, sich die nötige Erholung und Ruhe gönnen und nur wenig und vor allem nur ganz lockere sportliche Tätigkeiten ausüben“.
Diesen Bericht hat die 34jährige OK-Präsidentin des Engadiner Sommerlaufs, Anne-Marie Flammersfeld, verfasst. Und sie muss es wissen. Als Diplom-Sportwissenschaftlerin, Personal Trainerin und Extremsportlerin arbeitet und lebt die sympathische Deutsche seit einigen Jahren in St. Moritz. Sie ist es auch, die die Engadiner zu sportlichen Höchstleistungen antreiben will. Den Namen werden wir uns merken, denn sie ist vielleicht die erste Frau, die noch in diesem Jahr durch die vier größten Wüsten läuft. Es sieht wirklich gut aus, dass sie die „4 Deserts Race“ auch als erste deutsche Frau gewinnen wird, denn zwei von vier Rennen hat sie bereits gewonnen. Wir drücken ihr die Daumen!
Da die Betonung in Anne-Maries Internetbericht auf „nur wenig“ und „ganz locker“ liegt, halte ich mich auch daran. Unter uns, dies ist natürlich nur eine Ausrede für mein momentanes Befinden.
Nun laufe ich an zwei jungen Mädels vorbei und schnappe ein paar Wortfetzen auf. Es handelt sich um Yoga. „Die Lehrerin sagt, zur völligen Entspannung musst du...“ es folgt Schnappatmung, sie kann den Satz nicht beenden, schade, hätte mich doch interessiert. Ich laufe weiter. Wahrscheinlich sind die beiden auch so ein paar „Nichtbergler“ wie wir.