Vor einigen Wochen war dieser Ort der Start des IRONTRAIL und heute der Start des 10 Kilometer-Muragl-Lauf, der gleichzeitig mit uns startete. Pontresina liegt ziemlich genau im Dreieck zwischen Zürich, Milano und München.
Seit der einheimische Forstinspektor Johann Coaz im Jahre 1850 mit zwei Gefährten den Piz Bernina in zwanzig Stunden bezwang, ist Pontresina zu einem Bergsteigerort geworden. Heute ist der Ort sozusagen ein "Basislager" für Ski-, Wander- und Kletterer in der Berninagruppe. Der Komponist Richard Strauss liebte Pontresina und sagte: "Es gibt nur ein Engadin auf der ganzen Welt. Wir sind hier restlos begeistert und schlürfen die Luft der Gemsen wie französischen Champagner! Kein Wunder, dass der gute Nietzsche hier übergeschnappt ist."
Wir laufen an einer Band vorbei, bevor wir eine etwa einen Kilometer lange Schleife laufen. Die Sonne zieht die Haut zusammen. Der Rest ist ein strahlend endloses Blau, zum Greifen nah. Wie unter der Hitze von Scheinwerfern schwitze ich. Warum laufen wir diese Schleife? Auf der Suche nach dem Sinn sehe ich auch schon auf einem Hügel die historische Kirche San Gian in Celerina, dem Wahrzeichen der Region. „Der heutige Kirchbau von 1478 fußt auf einer spätmittelalterlichen romanischen Vorgängerkirche, deren Bausubstanz sich noch heute im kleineren der beiden Türme im Norden der Fassade findet“ lese ich später. Ich bin versöhnt, die „Schlaufe“ hat sich gelohnt.
Ein kurzes Stück weiter verläuft die Strecke am romantischen Flussufer des milchglasfarbenen Inn entlang. Der Inn, der tatsächlich aussieht, als hätte man mit zu viel Wasser auf dem Pinsel in die Blaue Farbe des Wasserfarbkastens gestreift, fließt durch die Engadiner Seenplatte. Dem Silsersee, Silvaplanersee, Champfersee und dem St. Moritzsee. Anschließend weiter bis Passau, in die Donau bis schlussendlich ins Schwarze Meer. Am Piz Bernina, 4049 m ü. M., hat er seine Quelle.
Kilometer 25,9 - wir sind zurück in Samedan. Über einen nagelneuen Kunstrasen laufen wir in das Ziel des nagelneuen „Center da Sport Promulins“ ein. Dort bekommen wir ein wunderschönes Funktions-Shirt, welches uns als Finisher des 33. „Engadiner Sommerlauf“ ausweist. Falls es dem aufmerksamen Leser aufgefallen ist, folgt nun die schlechte Nachricht: denn einen weiteren Marathonlauf können wir heute nicht in unsere persönliche Statistik schreiben. Nicht schlimm, schließlich haben wir Urlaub.
Mit diesem engagierten Team ist es nicht verwunderlich, dass ständig neue Rekorde geschlagen werden, die sich mit dem Thermometer, den Anmeldlisten und dem Bibchip messen lassen. Ein besseres Image kann sich eine Laufveranstaltung schwerlich erträumen.
Nicht die Länge gibt den Ton an. Manche meinen, dass Frauen nur auf kurze Laufstrecken stehen. Das ist schlichtweg eine Lüge. Renate Werz vom 100 Marathon Club ist heute bereits zum 11. Mal dabei. Natürlich ist gegen Läufe mit Überlänge nichts einzuwenden, aber manchmal reicht es auch, wenn es kurz und schön zur Sache geht – besonders im Urlaub. Vielmehr sollte es darum gehen, Spaß zu haben und sich wohlzufühlen. Denn Kalorien kann man auch lustvoll verbrennen! Geht es jedoch nach Nietzsche, dann sollte „schweißtreibende körperliche Arbeit Sklaven überlassen bleiben."