Wenn die Stanzer ihren Berg-Ultra-Marathon als Trailrun bezeichnen, dann meinen die das so. Nix Straße, Gelände! 47,4km und 1.900 Höhenmeter sind eine Ansage. Man umrundet, vielfach auf Bergrücken, das Gemeindegebiet. Ich hatte keine Ahnung, wie riesig diese Gemeinde ist, jetzt habe ich eine Vorstellung davon.
Was kann man Mitte September laufen? Jungfrau, Stanz, Wachau? Die Entscheidung fiel im Februar. Stanz! Stanz ist der Exote, das interessiert mich. Ich wusste nicht einmal, wo dieses Stanz liegt. Jetzt weiß ich es und ich werde es nie mehr vergessen. Bruck an der Mur, Kapfenberg, Mürzzuschlag, Peter Roseggers Waldheimat, das kannte ich. Und da in der Steiermark liegt Stanz, keine 2.000 Einwohner auf 630m Seehöhe.
Freitagnachmittag mache ich mich auf den Weg, am Abend bin ich da. Um wenig Geld bekomme ich ein Zimmer. Es ist noch hell, so fahre ich zur Volksschule, hier sind Start und Ziel des 4. Stanzer Trailrun. Es wird eifrig gearbeitet, ich bekomme meine Startnummer, ein schickes Funktionsshirt und Kostproben von peeroton und Fitline. Zudem lerne den Veranstalter Robert Maierhofer kennen und viele andere nette Menschen. Viele davon werde ich morgen während des Rennens wieder sehen.
Nachts hat es recht heftig geregnet, es ist es frisch geworden. Tagsüber soll die Sonne rauskommen. Vor dem Start unterhalten uns Tanzvorführungen junger Damen, bei 8°C bewegt man sich besonders gerne. Eingedenk des Streckenprofils nehme ich schon vor dem Start ein Beutelchen MulticarboGel zu mir. Mein letzter Marathon ist eine Woche her, es wird anstrengend werden.
Pünktlich zum Start beginnt es etwas zu regnen. Die „Hells bells“ von AC/DC zum Countdown um 9 Uhr und los geht es. Etwa 110 Leute laufen los, 32 Dreier Staffeln, etwa ebenso viele auf der Kurzdistanz von 18,7km, dazu 50 LäuferInnen, die die Gesamtstrecke alleine bewältigen wollen. Relativ viele junge Leute sind dabei, nicht nur alte Hasen!
Der erste km beginnt mit leichtem Gefälle auf der Straße dem Bach entlang. Bald nach dem Ortsschild Stanz geht es rechts rauf in die Fischbacher Alpen, da und dort werden wir von den Anwohnern beklatscht. Auf der asphaltierten Straße geht es weiter rauf, der Regen ist stärker geworden, die drei Laufenten scheint das nicht zu stören. Von meinen Augenbrauen tropft es. Nun haben wir schon einige Höhenmeter gewonnen, entsprechend weit geht der Blick, da und dort haben sich Nebelfelder gebildet.
An der ersten Labestelle haben wir etwas Publikum, hier endet der Asphalt, auf einer Forststraße geht es weiter. Mit den Höhenmetern nimmt der Wind zu. Durch die Bäume sehe ich einmal rechts runter, wo Stanz liegt, dann auf der anderen Seite. Eine Gratwanderung im wahrsten Sinne des Wortes, den Blick am Boden, auf der Suche nach der gelben Markierung. Oft sehe ich mehrere Markierungen auf einmal, so viele Steine sind besprüht worden.
Die Wolken hängen tief. Etwa 30m vor mir sehe jemandem im gelben Shirt den Berg hoch marschieren. Der dreht sich um und ruft: „Siehst du eine Markierung?“ Ich sehe viele gelbe Punkte, das ist aber verwelktes Birkenlaub. Etwa 30m hinter mir ein Grüppchen, dem ich zurufe: „Seht ihr eine Markierung?“ „Ja, hier!“ bekomme ich zur Antwort. Die sind da hinten an einer Abzweigung, weg von der Forststraße. Helmut Linzbichler und ich müssen umdrehen.
Ich kann schwer unterscheiden, ob es noch regnet, oder ob es nur mehr von den Zweigen runter tropft. Ein Blick über Peter Roseggers Waldheimat: da hinten am Horizont ein paar sonnige Flecken, über mir dunkle Wolken. Es wird kälter. Wohl, weil der Wind hier heroben stärker geworden ist. Ab und zu ist es richtig nass und matschig, ich habe aber meinen Rhythmus gefunden.
Schließlich geht es leicht bergab, ich erreiche eine breite Straße auf der ich nun laufen darf. Vor einer Woche wurde hier ein Windpark in Betrieb genommen. Die Teile dieser enormen Windräder mussten ja irgendwie an ihren Bestimmungsort gebracht werden. Endlich die Stanglalm (1.490m). Der Wind bläst tüchtig, meine Startnummer 16 wird notiert, 1 Std. 55min habe ich für die 12,7km bis hierher benötigt. Zu meiner Freude gibt es zu Wasser, Iso und Cola, auch warmen Tee. Gestern hat es hier geschneit, momentan ist es nicht viel wärmer.
Weiter der welligen Straße nach. Die Windräder fauchen, das ist ganz schön laut. Einige wenige Wanderer trotzen dem Wetter, die meisten grüßen freundlich zurück. Ein Steinchen findet den Weg in meinen rechten Schuh. Es ist zu groß, um ignoriert zu werden. Ich lehne mich an einen Baum und öffne die Schuhbänder. Mit meinen klammen Fingern habe ich richtige Schwierigkeiten beim Verknoten.
Bald schon die nächste Labe, das Mädchen steckt im dicken Anorak mit Kapuze. Wann kommt denn endlich die versprochene Sonne? Wenigstens hat es aufgehört zu regnen.
Rein in einen Hohlweg, nicht gut zu laufen auf den losen Steinen, aber windgeschützt ist es da. Schließlich gelange ich an die Bergstation eines Schlepplifts. 1km am Pistenrand runter zum Gasthaus „Auf der Schanz“ (1.171m), einer Passhöhe. Schanz deshalb, weil hier eine Befestigungsanlage gegen Einfälle aus dem Osten war. 1529 und 1683 sind die Türken bis hierher gekommen.