Im Herzen von Baden-Württemberg, zwischen Stuttgart und Heilbronn, liegt Ochsenbach im Kirbachtal. Eingebettet in die abwechslungsreiche Landschaft des Naturparks Stromberg ist der Ort Ausgangspunkt des zum 9. Mal durchgeführten Kirbachtal-Laufes durch die Weinberge und in die Wälder der umgebenden Stromberghöhen.
Neben den Bambini- und Kinderläufen werden ein Jedermann-Lauf mit 7,3 km/100 Hm, ein Mittelstrecken-Lauf mit 13,6 km/400 Hm und Langstrecken-Lauf über 24,3 km angeboten, der bereits 555 Höhenmeter aufweisen kann. Dazu kommt noch der Stromberg-Extrem. Dieser wurde 2010 in die Lauf-Palette aufgenommen. Stolze 54 km, versehen mit knapp 1.200 Höhenmetern sind hier zu absolvieren. Mit diesen Vorgaben hat er sich an diesem Wochenende sogar zum beliebtesten aller Rennen gemausert. 77 Teilnehmer sind hier am Start, das überraschend tolle Wetter hat für einen ordentlichen Schwung an Nachmeldungen gesorgt. Die Startgebühren liegen mit 28 € für den Ultra bei Voranmeldung im erschwinglichen Bereich. In allen Kategorien kann man heute über 300 Sportler begeistern.
Etwa 900 Einwohner kann Ochsenbach aufweisen, so ist der gesamte Ort an der Württemberger Weinstraße heute mehr oder weniger in Läuferhand: Entweder als Parkplatz oder Veranstaltungslokation. Von der Sonnenberghalle, ziemlich am Ortsrand, wo die Abholung der Startunterlagen und Duschmöglichkeit untergebracht ist, bis in den zentralen Start- und Zielbereich in der Dorfstraße in der Ortsmitte, sind keine allzu großen Fußwege zurückzulegen.
Beim Anmarsch zum Startbereich können Jan und ich bereits erste wunderschöne Fachwerkhäuser bewundern. Von den rund 200 Häusern Ochsenbachs stehen 39 unter Denkmalschutz. Das älteste Haus ist ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1559. Die meisten der geschützten Gebäude stehen in der fachwerkgesäumten Dorfstraße und sind somit attraktive Kulisse für den heutigen Lauf. Nicht umsonst ist der Ort 1993 mit dem Prädikat „Schönstes Dorf in Baden-Württemberg“ ausgezeichnet worden.
Wie ein kleines Weinfest mutet der Startbereich an. Eingepasst zwischen die prächtigen Gebäude sind entlang des Zieleinlaufes unzählig viele Biertischgarnituren aufgebaut, teilweise sogar mit Überdach. Der Schutz von oben wird heute aber nur für die Sonne benötigt. Man kann seinen Schoppen Wein unter blauem Himmel genießen.
Weinbau zählt hier auch zur Haupterwerbsquelle, ca. 80 ha Rebfläche werden bewirtschaftet und überwiegend mit Trollinger, Lemberger, Portugieser und Sylvaner kultiviert. Jan ist aber besonders vom üppigen Kuchenbüfett hingerissen und genehmigt sich noch ein zweites Frühstück. Nach dem Zieleinlauf wird er dann wieder anstehen, so wie ich ihn kenne.
Die ersten, die heute auf die Strecke gehen, sind die Ultraläufer. Um 8 Uhr sind sie losgezogen. Eigentlich wäre das ja auch eher Jan‘s und meine Distanz, ich bin aber noch nicht bereit, meine Achillessehnen zu überlasten. Der Langstrecken-Lauf über fast 25 km bietet sich für mich heute zu einer perfekten Leistungskontrolle an, wobei ich in erster Linie an die Leistung oder Belastbarkeit meiner Sehnen denke, erst an zweiter Stelle an die konditionelle.
Die Kinder und Bambiniläufe sind seit 10 Uhr am Laufen. Um 11 Uhr starten dann die restlichen Konkurrenzen gemeinsam. Für alle Strecken gilt der Zielschluss um 14.45 Uhr, damit die Siegerehrung pünktlich um 15 Uhr stattfinden kann. Der 1. Vorsitzende des TV Ochsenbach, Volker Schoch, weist uns ausdrücklich darauf hin, dass nach zwei Kilometern eine Streckentrennung erfolgt. Die Langstreckenläufer müssen dort nach links, wer folgt ist selber Schuld und muss den längeren Weg dann selber ausbaden. Hauptsponsor Gerhard Kaufmann und Bürgermeister Horst Fiedler schicken uns pünktlich auf die Reise.
Auf der langen Geraden durch die Dorfstraße fühle ich mich noch richtig steif, ein kurzes Gefälle am Ortsende bringt mich langsam in Schwung. Die ersten beiden Kilometer führen über eine kleine Staatsstraße und somit auf Asphalt. Dann geht’s aber rein in den Wald und eine erste vorsichtige Steigung ist zu bewältigen. An deren Ende folgt die bereits erwähnte Streckentrennung.
Nur kurz ist die Waldpassage, weiter geht es am Waldrand entlang bis zur ersten Verpflegungsstelle bei km 5 an den Weinbergen oberhalb Hohenhaslach. Hier ist die älteste und größte Weinbaulandschaft des Kirbachtals. Gesichert ist, dass bereits im 10. Jahrhundert rings um Haslach Weinberge vorhanden waren. Der Hohenhaslacher Wein war bereits im 12 Jahrhundertweit bekannt und beliebt. Um 1400 war der Weinertrag in Hohenhaslach so groß, dass man im Wirtshaus für einen Heller soviel Wein erhielt, dass man zweimal kommen musste, um ihn trinken zu können. Heute gedeiht hier auf 160ha Rebfläche ein markanter Rotwein. Zum kosten gibt’s aber leider keinen an der VP. Hätte doch was und ist ja heutzutage nicht mehr so unüblich.
In den Weinbergen entlang geht es langsam ansteigend wieder in den Wald. Über drei Kilometer zieht sich dieser erste längere Anstieg auf den Baiselsberg hin. Ich kann heute alles laufend ohne Beschwerden bewältigen und erst auf einem letzten, 50 m langen Abschnitt auf dem „Krummen Steigle“ muss ich doch noch passen und gehen, das ist mir einfach zu steil. Aber nach einer Spitzkehre geht es wieder laufend weiter. Prinzipiell sind aber alle Steigungen gut zu bewältigen, richtig tolle Laufberge.
Oben angekommen, erwartet uns die zweite Getränkestelle. Der Weg führt uns über Nonnensessel langsam nach unten. Es gibt hier noch Überreste eines historischen Augustinerinnenklosters aus dem Mittelalter, übrig geblieben sind daher auch noch Bezeichnungen um den Berg wie: Teufelseck, Heidenkopf und Nonnenwäsch. Ein herrlicher Ausblick hinunter ins Tal erwartet uns am Waldrand. Auf Asphalt geht es teilweise deftig bergab, etwa einen Kilometer durch die Horrheimer Weinberge.
Erste Beweise für den Weinbau in Württemberg stammen im Übrigen bereits aus der Römerzeit. Unter Anleitung römischer Kolonisten wurde die Weinzubereitung erlernt und so wurden aus den germanischen Mettrinkern Weingenießer.
Ab km 10 ist die kleine Erholungsphase wieder beendet, ein erneuter Aufstieg auf den Baiselsberg steht an. Eine Schleife führt uns fast durchgehend ansteigend zur schon einmal besuchten Getränkestation auf dem Berg. Der Anstieg ist nur mäßig und somit deutlich schwächer als der erste, aber 4 km immer leicht bergauf ziiiehen sich hin. Je länger der Lauf dauert, umso besser fühle ich mich heute, ich kann komplett durchziehen, keine Beschwerden meiner dauergestressten Sehnen bremsen mein Aufwärtsstreben.
Auf unserem Kilometerschild 13 ist auch der Tachostand 42 abzulesen, somit sind wir ab hier auch gemeinsam mit den Läufern des Stromberg Extrem unterwegs. Der erste Ultra, auf den ich treffe, ist ein Vierbeiner, ein prächtiges weißes Exemplar. Leichtfüßig und scheinbar mühelos folgt er seinem Herrchen mit kleinem Abstand.
Der Großteil an Steigungen liegt bei km 14 hinter uns, meist geht es jetzt leicht abwärts. Eigentlich bin ich am Warten, dass Jan irgendwann auf mich aufschließt, beim Bergablaufen ist er eine Macht. Aber heute kommt er nicht in Sichtweite. Scheinbar täuscht mich mein Gefühl nicht, ich fühle mich immer noch super.
Bis Kilometer 22 sind wir, bis auf einen kurzen Zwischenanstieg, immer am Abwärtslaufen auf Waldwegen. Kurz vor einer letzten Getränkestation am Kirchbachhof verlassen wir den Forst. In der Sonne führen uns die beiden Schlusskilometer über Feldwege nach Ochsenbach zurück. Eine letzte giftige Steigung bringt uns in den Ort hinein, die meisten gehen hier nur noch. Ich ziehe das heute durch. Der Zieleinlauf über den vollbesetzten Festplatz auf der Dorfstraße ist große klasse.
Nach und nach treffen auch die Ultras ein. Viele altbekannte Gesichter sind darunter. Ein paar wenige sind noch auf der Strecke, als im Zielbereich die Zeitmessung scheinbar schon abgebaut wird. 6:45 Stunden sind für einige der Vielläufer unter den Ultras schon noch eine hohe Hürde. Aber letztendlich finden sich dann doch alle und auch jene, die die Sollzeit etwas überschreiten, erscheinen auf der Ergebnisliste.
Zur Siegerehrung sind die Besucherplätze noch gut gefüllt und man feiert mit einem guten Tropfen einheimischen Weines. Der Kirbachtal-Lauf hätte sicher noch ein paar Teilnehmer mehr verdient -Platz auf der Strecke wäre allemal.