Mittelalterliche Fachwerkhäuser mit kopfsteingepflasterten Gassen, romanische und gotische Kirchen, verwunschene Burgen, Käse und Wein, abwechslungsreiche Landschaften. Das sind die Vogesen mit ihren dichten Mischwäldern, saftigen Hochweiden, steilen Schluchten und romantischen Karseen. Ein Paradies für Trailläufer, denn über das Jahr verteilt finden hier etliche Veranstaltungen statt.
Unsere erste Laufreise in diesem Jahr ging zu den französischen Nachbarn in die Lothringischen Vogesen. Viva la France, Viva la Trail. Ich liebe die Vogesen, denn die Läufe, die dort angeboten werden, sind spektakulär und schwer.
Am Samstag, den 21. Feb. machten Marita und ich uns auf die Socken. Unsere Anreise ging über Colmar und durch das Vallee de Munster. Leider zeigte sich das Tal absolut schneefrei. Dies sollte sich aber ändern, da es ab Munster nur noch berghoch zum Col de la Schlucht ging. Oben auf der Passhöhe tauchten wir dann in eine Wintermärchenlandschaft ein. Gott sei Dank ging es ab hier über La Bresse nach Cornimont nur noch abwärts. Dabei verbesserten sich die Straßenverhältnisse zusehends. Cornimont war dann fast wieder schneefrei.
Zum Saisonauftakt findet hier am 22. Februar ein Traillauf mit 28 Km Länge und 1500 HöM + statt. Start und Ziel befindet sich an der Schule auf 525 m.
Die Vogesen-Gemeinde „Cornimont“ (Hornenberg) wird von der Moselotte durchflossen und grenzt im Osten an die Region Elsass und der Route des Cretes.
Es ist verdammt schön, wie ein kleiner Sieg, nach fünfmonatiger Verletzungspause wieder am Start eines Rennens bzw. Laufes zu stehen und das in meinem Wohnzimmer, den Vogesen.
In der Nacht vor dem Start hat es in den höheren Lagen heftig geschneit. Nach erfolgtem Start windet sich eine bunte Läuferschlange durch die Straßen stetig bergan. Nach ein paar Serpentinen ist die Straße gesperrt und es muss zur nächst höher gelegenen Straße über eine steile und verschneite Wiese geklettert werden. Das geht gleich dreimal so. Oben angekommen, bietet sich mir ein schöner Blick zurück auf das verschneite Cornimont.
Nach diesem ersten Kraftakt geht es weiterhin in langen Serpentinen den Berg hoch. Nach Verlassen der Fahrstraße geht es dann auf einen tief verschneiten Waldweg am Berghang kontinuierlich bergan, die vielen „Vorläufer“ haben ihre Spuren hinterlassen. Streckenweise ist der Schnee am Tauen und der Weg besteht dann aus tiefem Matsch. Umso höher wir steigen, desto weißer wird der Pfad wieder.
Nach ca. 3 Km geht es dann in den Wald mit immer mehr Schnee auf dem Pfad. Hätte ich nicht so viele Trailer vor mir, die mir mit ihren Spuren den Weg weisen, wer weiß, vielleicht hätte ich mich verlaufen. Erste querliegende Bäume müssen überklettert werden und bei besonders steilen Stücken kommt man nur auf allen Vieren voran. Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich ohne meine Tracks unterwegs bin. Ich bin aber nicht der einzige Idiot.
Bei Km 4 haben wir den zweithöchsten Punkt auf ca. 920 mtr. erreicht. Bis Km 7 geht es dann auf 805 müNN bergab. Dabei wird die eine und andere Rutschpartie hingelegt. Ab dem Bergweiler Rupt da Bamont geht es wieder bergan. Schnee, Schnee und noch mehr Schnee lassen bei mir mittlerweile nur noch ein schnelles Wandern zu. Vor mir erblicke ich eine bewaldete Kuppe, zu der die Fußspuren führen. Es geht hoch zum höchsten Punkt, dem „Haut du Roc“ auf 1015 müNN. Eine kleine Gruppe Skifahrer, der ich auf meinen Weg begegne, reicht mir zur Stärkung den mitgeführten Gewürztraminer. Merci.
Beim Aufstieg zum Haut du Roc bin ich viel und lange allein. Stellenweise muss ich mich sogar durch Unterholz schlagen. Oben am Gipfelkreuz kann ich dann auf zwei andere Trailer aufschließen. Beim Abstieg bin ich aber wieder, den Fotostopps geschuldet, solo. Die für die Vogesen typische Felsformationen sind einfach zu schön. Auf den nächsten 8 Km geht es ausschließlich bergab. Je tiefer es geht, desto weniger wird der Schnee und umso matschiger die Wegstrecke. Ganz nach der Devise: No Matsch, no Fun.
Später erzählt mir Marita, dass viele Trailer im Ziel aussahen wie im Matsch gebadete Schweine. Auch ich habe nicht nur im Schnee Bodenkontakt, sondern bleibe auch zweimal im Schlamm stecken. Immer wieder suchen wir neben dem Schlammpfad festen Untergrund. Am tiefsten Punkt in „Saulxures sur Moselotte“ auf 453 müNN am Campingplatz erreicht ich dann die einzige Versorgungsstelle.
Auf den nächsten 3 Km ist dann ab einer Ferme wieder Kletterei angesagt. Im Matsch ist es abwärts einfacher als aufwärts. Da ich nicht mit Stöcken laufe (wie soll ich sonst Fotos machen), muss ich mich an Bäumen nach oben ziehen. Sogar mein Mitläufer hat als Pikadores Probleme an dieser Stelle. Nachdem wir endlich wieder Schnee unter unseren Laufschuhen haben, gönne ich mir auf einem Schneebrett eine Pause im Liegen.
Immer felsiger und schmaler wird es im weiteren Verlauf des Trails. Nach Erreichen des Scheitelpunktes hieß es wieder absteigen. Auf einem Kilometer mit vielen Schlammpassagen gehen 110 HM verloren. Ein kleines Waldgebiet mit jeder Menge Bruchholz und tiefem Schlamm fordert einiges an Koordination. Einen kleinen Bach dürfen wir komfortabel auf einem Eisenträger queren.
Jetzt steht der letzte und ultimative Aufstieg (wieder im Schnee) an. Auf ca. 2 Km müssen etwa 250 HM erklettert werden. Mal in kurzen Serpentinen, aber auch in direkter Linie geht es steil bergan. Nach etlichen Verschnaufpausen erreiche ich irgendwann den Scheitel. Unter mir liegt Cornimont im Sonnenschein und ich freue mich auf den Abstieg. „Arrivee 4 Km“ ist auf dem Hinweisschild zu lesen. Und das abwärts, an einem steilen Berghang. Der Schnee wird weniger und der Matsch mehr.
Der Abstieg ist alles andere als einfach. Immer wieder hangele ich mich von Baum zu Baum, von Strauch zu Strauch. Endlich auf der Straße, die ins Ziel führt, muss ich erstmal kräftig durchatmen und kann mich freuen, diesen Abstieg ohne Sturz überstanden zu haben. Der Zieleinlauf ist in der Sporthalle der Schule, wo man mit dem Abbau Tische und Bänke beginnt.
Fazit: Knapp 28 Km mit 1500 HM sind bei diesen Bedingungen kein Pappenstiel. Dass der schnellste Trailer nur 2:40 Std. gebraucht hat, kann ich gar nicht glauben. Ich war beieinander, als sei ich einen Bergmarathon gelaufen.