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27.04.19 - Trail du Grand Ballon

Steif gefroren, aber glücklich

Wer widrige Bedingungen liebt und gerne mal einsam läuft, war beim Trail du Grand Ballon genau richtig!

In den Vogesen gibt es viele Möglichkeiten, an Trailwettkämpfen teilzunehmen, z. B. am Trail du Grand Ballon.  Ich war am Wochenende 27./28.04.2019 bei dieser Veranstaltung, die zu den Scott Xtrails Trailrun Series zählt. Der Grand Ballon (=Große Belchen) ist ja mit einer Höhe von 1424 m der höchste Gipfel in den Vogesen, eine kahle Bergkuppe so wie der Petit Ballon (= Kahler Wasen oder Kleine Belchen, 1272 m), der ja in der Trailszene bestens bekannt ist.

Kurz zur Veranstaltungsserie ein paar Worte: Es gibt die SCOTT Xtrails TRAILRUN SERIES als Veranstaltung einmal in Belgien (Ende Januar 2019) und einmal in Frankreich/Vogesen (Ende April 2019). Bei diesen beiden Serien wird an zwei Tagen (Samstagvormittag, Samstagnachmittag und Sonntagmorgen) gelaufen. Die einzelnen Wettkämpfe sind so aufeinander abgestimmt, dass ein Läufer genau an 3 Läufen teilnehmen kann. Je nach Länge der gewählten Wettkämpfe gibt es wiederum eine Staffelung: Short Distance (aus 3 / 16 / 8 km), Middle Distance (aus 3 / 16 / 22 km) oder Long Distance (aus 3 / 16 / 32 km).

Mein Interesse galt der längeren Distanz über 48 km. Bei den Ultrastrecken gibt es genau zwei verschiedene Strecken zur Auswahl: die 70 km-Strecke und 3320 Höhenmeter mit einer zusätzlichen Schleife mit 23 km um den Gipfel des Grand Ballon herum und die etwas kürzere Distanz mit 48 km und 2240 Höhenmeter. Die Startzeiten der beiden Ultradistanzen ist für die 70 km um 6 Uhr und für die 48 km um 7 Uhr, die Zielschlusszeit für beide Strecken ist um 19 Uhr, woraus sich für die längste Strecke 13 Stunden und für die 23 km kürzere Distanz 12 Stunden ergibt.
Dieses Jahr waren die Wetterbedingungen für das Wochenende mit Regen, Wind und Schnee nicht so gut vorhergesagt. Letztes Jahr war es sommerlich warm und ich hätte mir eine Abkühlung gewünscht.

Le Markstein, auf 1176 m Höhe gelegen, bietet für die Austragung eines solchen Events die idealen Bedingungen und vor allem bei schönem Wetter eine prächtige Aussicht rundherum. Es sind auch genügend Parkplätze vorhanden, da es in den Wintermonaten ein beliebtes Skizentrum ist. Zudem liegt es unweit der höchsten Erhebung der Südvogesen, dem Grand Ballon. Schließlich erschließt sich zu allen Seiten ein wunderschönes Wandergebiet, das ich auf meinem Trail über 48 km erkunden durfte.

Ich hatte mir eine Übernachtung im 30-minütig entfernten Guebwiller genommen, ein Weinstädtchen in den Vorbergen der Vogesen in Richtung Rheinebene. Ich wollte schon früh los, weil ich noch vom letzten Jahr in Erinnerung hatte, dass bei der Startnummernausgabe großer Andrang war. Also fuhr ich nach einem reichhaltigen Frühstück um kurz vor 6 Uhr los und war eine halbe Stunde später in Le Markstein an der Route des Crêtes (= Hochstraße).  Das Thermometer in meinem Auto zeigte kühle 8° C an, auf der Höhe waren es nur noch  3°. Nun, das war ja zu erwarten, genauso war die Wettervorhersage für das Wochenende!

 

 
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Die Startnummernausgabe befand sich in einem Nebenraum des Hotel Wolf, einem kleinen, netten Hotel an der Hochstraße gelegen. Ich erhielt meine Startnummer und ein Bufftuch als Souvenir, das Eventshirt hatte ich mir schon im letzten Jahr gekauft. Draußen hielten sich nur wenige Läufer auf, es war einfach zu kalt und zu windig. Die Schneereste am Straßenrand machten den winterlichen Eindruck komplett.

Kurz vor 7 Uhr versammelten sich dann alle 300 Starter im Startbereich und warteten ungeduldig und fröstelnd auf den Startschuss. Die Trailläufer setzten sich in Bewegung, über die Straße hinauf auf den Hügel hinter dem Hotel. Ganz schön eng, wenn alle Läufer sich den schmalen Weg teilen müssen!

 

 
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Das sollte sich aber gleich auflösen, wenn wir uns auf den langen Abstieg nach St. Amarin begeben würden. Zuerst folgten wir einem breiten Forstweg über etwa 4 km im Wald,  es war nebelig und nichts zu sehen! Doch plötzlich kam ich aus dem Wald, der Nebel war weg und die Aussicht prächtig.  Viele Läufer nutzten die Gelegenheit zum Fotografieren. Wer weiß, wann sich noch einmal so eine Aussicht bieten würde! Dann kam auch schon der erste steile Trail zwischen nassem Ginster hindurch, der sich in engen Serpentinen ins Tal schlängelte. Nach 8 Kilometer stetig bergab kam ich in St. Amarin an, direkt vor der Friedhofsmauer, wo viele Trailer standen, um die Kleider zu wechseln. So befreite auch ich mich von meiner langen Regenhose, die mich anfangs vor der Kälte schützte, aber jetzt doch viel zu warm war.

St. Amarin (440 m) ist ein verschlafenes Dorf, das ich kaum erreicht hatte und schon wieder auf einer steilen Straße verließ. Zuerst noch auf Asphalt, dann auf einem steilen, rutschigen und vor allem matschigen Pfad. Der Regen hatte den Waldboden ganz schön aufgeweicht! Ich hatte meine Schuhwahl richtig getroffen, einen gut profilierten Schuh mit viel Grip, damit ich weder bergauf noch bergab ins Rutschen kam.

Übrigens hatte sich das enge Läuferfeld sehr gelichtet, schon auf dem 8 km langen Bergabstück konnte ich ohne Ausweichmanöver laufen. Bei den steilen Bergauf-Passagen würde es nicht anders sein. Bei km 17 kam ich an der ersten VP Grand Ballon vorbei. Neben Isogetränk und Wasser gab es Orangen und Bananen, Pain d'épice alsacien (= Gewürzbrot), Fruchtgummis und wie immer sehr freundliche Helfer. Hier bogen die 70 km-Trailer rechts ab, um auf 23 km den Grand Ballon zu umrunden.  Sie stießen dann wieder von einem Weg auf die Asphaltstraße zu den 48 km-Läufern, um für die restlichen 30 km genau denselben Weg zu nehmen wie die 48 km.

Gleich dahinter lief ich über eine Matte zur Zeiterfassung, nun hatte ich noch 31 km vor mir. Der Col du Haag mit 1233 m mit der gleichnamigen Auberge kam dann gleich dahinter, Ausgangspunkt für den kürzesten Weg auf den Gipfel des Grand Ballon.

 

 
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Nun ging es ein oder zwei Kilometer auf der Asphaltstraße, bis wieder ein Trampelpfad (GR5 Wanderweg „Route des Crêtes“) über die Wiesen führte. Hier oben blies nun doch ein kräftiger Wind und der Regen peitschte unentwegt in mein Gesicht. Ich überlegte mir ernsthaft, meine Regenhose erneut überzustreifen. Aber so lange ich in Bewegung bleiben würde, konnte es nicht schlimmer werden. Also hielt ich durch, wenn nur nicht der verdammte Wind wäre. Glücklicherweise führte mich der Trail immer wieder durch kurze Waldstücke mit Krüppeleichen, wo dann der Wind etwas weniger kräftig blies. Ich wusste, dass es nun nicht mehr weit bis zur Kreuzung am Markstein sein konnte. Dann war sie da, nur etwa 500 m vom Start/Ziel entfernt.  Aber der Traillauf war ja noch lange nicht zu Ende (etwa km 22).

Nun hatte ich niemanden mehr in Sichtweite, alle waren im dichten Nebel verschwunden, so auch  einer der schnellen 70 km-Läufer (sie waren ja bereits eine Stunde früher aufgebrochen). Ich war die meiste Zeit allein unterwegs, Orientierung gaben die großen gelben Schilder.

Kurz über die nasse Wiese und dann wieder ein steiler Weg hinunter – das musste eine Skipiste sein!  Im Wald traute ich fast meinen Augen nicht, so steil war der aufgeweichte Trampelpfad. Möglichst direkte Falllinie, um nicht unnötig Kurven zu laufen, führte dieser genau auf den kleinen unscheinbaren Stausee Lac de la Lauch zu, den ich über die Staumauer querte.

 

 
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Hier unten war´s jetzt nicht mehr ganz so kalt und nicht mehr so windig wie oben an der Hochstraße. Schließlich stand der nächste Anstieg im Wald bevor, der gleich steil und gnadenlos nach oben führte. In nur 3 km hatte ich mehr als 300 m an Höhe zu bewältigen, zuerst durch Wald und später dann über eine grüne Wiese mit vielen gelben Narzissen, die trotz der Kälte bereits blühten. Hier oben war es richtig schön, grünes Gras, gelb blühende Narzissen und ab und zu eine Kiefer. Da hätte ich verweilen können, wenn der Regen nicht so kalt gewesen wäre und der Wind mir nicht so eisig ins Gesicht geblasen hätte.

 

 
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Auf einer Fahrstraße angekommen, sah ich ein Schild mit der Aufschrift Col de Breitfirst, 1280 m.d.M. Alles klar, ich wusste, warum mir so kalt war. Nun musste es aber nicht mehr weit bis zur zweiten VP sein. Mir war nicht nur saukalt, ich war steif gefroren.

Da war endlich die Auberge du Steinlebach (km 30 / 1135 m), in einem Nebenraum der Auberge war für uns aufgetischt. Ich nutzte die Zeit um mir meine Hose anzuziehen. Es kostete mich schon Überwindung, wieder hinaus in die Kälte und den Wind zu gehen. Ein kurzes Asphaltstück hinauf bis zum Wanderweg GR5 „Route des Crêtes“ in nördliche Richtung. Das Besondere an dieser Wanderroute ist, dass sie über die Hautes Chaumes (= hohe Stoppelwiesen) direkt auf dem Kamm entlang geht, wogegen die Autostraße immer auf der westlichen Kammseite entlangführt. Eigentlich eine tolle Sache, denn man hätte einen sagenhaften Blick in die Rheinebene und den Schwarzwald, und in die andere Richtung weit nach Frankreich hinein …. aber heute sah ich nur Nebel und es regnete bzw. graupelte immer heftiger. Nichts war mehr trocken, auch die Kamera nicht, die zeitweiße streikte. Es war einfach zu kalt!

Immerhin hatte ich schon mehr als 30 km geschafft, da konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Ich querte erneut die Straße, nun aber auf der anderen Seite des Passes Breitfirst und folgte einem Serpentinenweg steil bergab. Irgendwann mündete dieser Weg auf einen breiten Waldweg, das sich endlos ins Tal zog. Ich hoffte die ganze Zeit, dass nach der nächsten Kurve endlich die dritte und letzte VP kommen würde, aber es dauerte. Endlich hatte ich den VP an einem Haus mitten im Wald (Ravito Kruth / km 38 / 535 m) erreicht, wo ich auf andere Läufer traf, die mich zuvor überholt hatten.

 

 
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Laut Streckenprofil sollte ich nun genauso viele Kilometer hinauflaufen, wie ich vorher hinuntergelaufen bin. Und so war es auch! Erst in endlosen Serpentinen, dann wieder ein kurzes Stück auf einem breiten Forstweg. Dieser Wechsel wiederholte sich ein paar Mal,  bis ich schließlich an einer Asphaltstraße aus dem Wald ankam. Ich konnte erst gar nicht glauben, dass ich es fast geschafft hatte. Vielleicht war es der Nebel, der mich umgab, oder die Kälte, die keine klaren Gedanken mehr zuließen. Ich konnte kaum noch die Wegweiser ausmachen, so neblig war es hier oben. Zuerst entlang der Straße, dann unterhalb der Straße durchs Dickicht, bis ich vor einer Treppe stand. Genau das war´s, so hatte ich es vom letzten Jahr noch in Erinnerung, fast unüberwindbar hohe  Stufen führten hinauf ins lang ersehnte Ziel!

Ich war froh, dass ich es geschafft hatte, bekam eine Medaille umgehängt und ging ganz steif vor Kälte, ohne nach links oder rechts zu schauen, zu meinem Auto. Dort würde ich mir endlich trockene Kleider anziehen können. Das war gar nicht so einfach, da ich so stark zitterte und meine Sachen nicht richtig greifen konnte. Das Thermometer zeigte +3° C an, was sich aber nach der langen Anstrengung und dem eisigen Wind sehr viel kälter anfühlte.

Die Organisation des Trailevents war super, ich fand alles Wichtige auf der Homepage des Veranstalters.  Die Verpflegungspunkte sind ausreichend und gut verteilt, es gab neben Iso und Wasser auch noch Coca-Cola, allerdings muss man an seinen eigenen Becher (Pflichtausrüstung) denken. Bei der 70 km-Strecke war eine VP mehr eingeplant.

Die Strecke war perfekt markiert, es waren an Richtungsänderungen immer mehrere Schilder angebracht, so dass es gar nicht möglich war, sich zu verlaufen. Unterwegs gab es viel Abwechslung, ständig wechselte der Untergrund, mal steinig, mal tiefen Schlamm, mal durch einen Bachlauf, mal bergauf, mal bergab, mal enge Serpentinen und mal ein gerader Weg. Eigentlich der perfekte Trail zum Einstieg für die bevorstehende Saison!


Siegerzeiten des 48 km-Trails:

Der Luxemburger David Clearebout in 4:37:21 Stunden siegte vor den beiden Franzosen Michael Schiebel mit 4:47:06 Stunden und dem drittplazierten Brice Weigel mit 4:47:23 Stunden. Der vierte Daniel Mejia kam nur wenige Sekunden später ins Ziel (4:47:42 Stunden).

Die erste Frau über 48 km Audrey Marchand kam als 33. Ins Ziel mit 5:33:33 Stunden, zweite wurde Caroline Fabre in 5:34: 31 Stunden (40. Gesamt) und Valdine Martin in 5:45:32 Stunden (52. Gesamt). Unter den 291 Finishern insgesamt über die 48 km waren nur 47 Frauen dabei.

 

Siegerzeiten des 70 km-Trails:

Die drei ersten Männer waren alles Franzosen, erster wurde Stéphane Knittel in 6:52:35 Stunden vor Quentin Labous 6:53:01 Stunden und Frédéric Jung 7:06:32 Stunden.

Die erste Frau Marie Binder kam als 72. ins Ziel und hatte eine Zeit von 10:11:14 Stunden, vor Christelle Thiebaut mit 10:15:41 Stunden (77. Gesamt) und Hélène Stunnenberg mit 10:22:19 Stunden (81. Gesamt)

 

Fazit:

Bei der 48 km-Strecke stiegen nur etwa 4% aus, von mehr als 300 Startern also nur 12 Läufer, die nicht finishten. Bei der langen Distanz beendeten 30 Läufer vorzeitig das Rennen, was einem Prozentsatz von knapp 17% entspricht.

 

 

 

Informationen: Trail du Grand Ballon
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