Eigentlich laufe ich nur selten eine Veranstaltung zweimal. Eine Ausnahme ist der Petit Ballon. Wettertechnisch unberechenbar, ist er für mich ein perfekter Vorbereitungslauf für alles, was in der Saison noch kommt. Auf der ersten Hälfte geht es nur berghoch und ab der Marienstatue am Gipfel kann man es bis ins Ziel ordentlich laufen lassen. Die Form am Berg und der Muskelkater am nächsten Tag sind gute Gradmesser für die tatsächliche Form und geben Auskunft, was für die wirklich großen Rennen im Sommer noch zu tun ist.
Viermal war ich bereits hier. Das ist aber schon eine Weile her. Und angeblich hat sich die Streckenführung ein wenig geändert. Ein höherer Trail-Anteil soll die Strecke anspruchsvoller machen. Ich schaue in meine DUV-Statistik und bin gespannt, wie ich zeitlich in diesem Jahr unterwegs sein werde. Mein Kalender ist prall gefüllt und ich will den Lauf als letztes Training für Teneriffa nutzen. Also diesmal nicht gemütlich, sondern an der Leistungsgrenze. Dafür ist der Petit Ballon sehr gut geeignet. Das sieht man auch am prominenten Teilnehmerfeld. Viele Topläuferinnen und Läufer nutzen das Rennen als Standortbestimmung.
Gut zwei Stunden brauchen wir mit dem Auto zum Start in Rouffach. Der Wecker klingelt also schon mitten in der Nacht. In Saarbrücken lade ich Marc ein. Die anderen aus unserem Verein sind gestern schon angereist. Wir sind früh dran, und die vielen Helfer leiten uns direkt zum Parkplatz in die Nähe der Halle. Wir holen die Nummer ab und bringen den obligatorischen Wein (einmal mit und einmal ohne Alkohol) der hier traditionell bei der Nummernausgabe ausgegeben wird, zum Auto.
Wettertechnisch ist heute für den ganzen Tag Regen gemeldet. Am Gipfel wird es wohl schneien. Aber bis jetzt ist es trocken. Kurz vor acht verlassen wir die warme Halle zum Start, der direkt davor ist. Dort steht schon eine riesige Menschenmenge und wartet darauf, dass es losgeht. Die Läuferinnen und Läufer des Ultras und des Marathons starten gemeinsam. Dabei starten beim Ultra 1200 und beim Marathon 500 Teilnehmende.
Eine riesige Menschenmenge setzt sich pünktlich um acht in Bewegung. Die ersten neun Kilometer geht es recht wellig durch die Weinberge. Von Trail noch keine Spur. Betonwege und schmierige Pflastersteine bilden den Untergrund. Immer hoch und runter. Das Tempo ist für meine Verhältnisse recht flott und ich muss tierisch aufpassen, dass ich auf den schmierigen Steinen nicht ins Rutschen komme. Es ist neblig, trüb und kalt. Ein paar dicke Tropfen wechseln sich mit leichtem Nieselregen ab. Trotzdem ist das Wetter noch besser, als erwartet. Ich bin etwas verhalten und lasse es entgegen meines Plans erst mal etwas gemütlicher angehen. Überholen bei diesen Läufermassen ist mir zu hektisch.
Nach Soultzmatt verlassen wir die Weinberge und wechseln in den Wald. Vor dem ersten Single Trail gibt es einen riesigen Stau. Läufer, die versuchen, sich an der Menge vorbei zu mogeln, werden laut ausgebuht. Geduldig warten wir, bis es weitergeht. Ich verliere dabei gut zwanzig Minuten und auch auf dem anschließenden Aufstieg geht es nur langsam vorwärts. Hätte ich doch besser vorher ein wenig Gas gegeben. Auf dem folgenden Waldweg geht es lange leicht bergab. Ich nehme wieder Tempo auf und so langsam wird mir auch wieder warm. Dann folgt der erste längere Aufstieg durch den Wald.
Die Läuferinnen und Läufer haben sich so langsam ins Feld einsortiert. So geht es in einer langen Kette den Berg hoch. Nur noch selten finden Überholvorgänge statt. Je höher wir kommen, verwandelt sich der Nieselregen in Schnee. Die Wegränder sind leicht gepudert, aber der Weg ist noch frei von Schnee. So stapfen wir bis zum Col de Boenlesgrab. Hier ist die letzte Verpflegung vor dem Gipfel des Petit Ballon.
Hier trennen sich auch die Strecken. Der Ultra führt hoch zum Gipfel und die Marathonis umgehen diesen auf etwa gleicher Höhe, um an der übernächsten VP wieder zu uns zu stoßen. Bis zum Cutoff um elf ist es nur noch eine halbe Stunde. Ich dachte, ich wäre schneller, aber der Stau hat mich auch gut eine halbe Stunde gekostet. Ich fülle schnell meine Flasche und merke, dass ich mal wieder zu wenig trinke.
Jetzt folgt der längste und schwierigste Anstieg des Rennens, hoch zum Gipfel des Petit Ballon (1272m). Direkt nach der Verpflegung geht es schon richtig steil zur Sache. Es ist sehr neblig, aber immerhin perlt der Schnee gut von der Jacke ab. Um uns herum ist alles weiß und ich beschließe, meine Schneeketten aufzuziehen. Eine gute Entscheidung, denn ab jetzt liegt richtig Schnee, der über die komplette Wegbreite zu einer eisigen Kruste festgetrampelt wurde. Die Läuferinnen und Läufer ohne Spikes haben große Mühe, die steilen Anstiege hochzukommen. Ohne Stöcke ist es noch schwieriger.
Dann beginnt das Stück am „Kahlen Wasen“, wie der Petit Ballon auch genannt wird. Wir treten aus dem Wald und an der kahlen Flanke des Gipfels geht es im dichten Nebel in Serpentinen in die Höhe. Immerhin kann man ohne Spikes hier seitlich in den Schnee ausweichen, wo man wieder etwas Gripp hat. Der Wind bläst mir den Schnee in die Augen und ich bin froh, dass ich die Sonnenbrille dabei habe. Die Marienstatue auf dem Gipfel erkennt man erst, wenn man fast davor steht. Zum Verweilen ist es zu ungemütlich.
Beim nächsten Mal nehme ich eine Plastiktüte mit. Auf der könnte man den folgenden Downhill perfekt herunterrutschen. Unten angekommen, gibt es an der Verpflegung heißen Boullion. Dann geht es wieder hoch zum Gipfel. Es kommen mir noch viele Läuferinnen und Läufer entgegen. Das Wetter kann der guten Stimmung nichts anhaben. Sogar die Helferinnen und Helfer, die hier in der Kälte ausharren müssen, sind immer noch gut gelaunt.
Eintausendachthundert Höhenmeter haben wir hier schon im Sack. Es folgt ein ewig langer Downhill. Erst noch über Schnee und vereiste Rinnen, dann wird der Track matschig und schließlich lege ich die Schneeketten wieder ab. „Très roulante“ geht es auf guten Fahrwegen stetig nach unten. Genau richtig, um ordentlich rollen zu lassen, ohne sich die Beine zu schreddern. Perfektes Training. Wo kann man schon mal sieben Kilometer am Stück bergab laufen? Auf dem folgenden Single Trail sammeln wir nochmal ordentlich Höhenmeter, um danach wieder einen ewig langen moderaten Downhill zu genießen. Ein paar schlammige Passagen sorgen dafür, dass es nicht langweilig wird.
Ein lang gezogener Fahrweg, unterbrochen von kürzeren, steilen Single-Trail- Abschnitten, ist unser letzter nennenswerter Anstieg. Oben angekommen, kann man im Nebel schon die Rheinebene erahnen. Unter uns wieder Weinfelder und kleine Ortschaften. Es ist kühl geworden, aber der vorhergesagte Regen bleibt weitestgehend aus. Vor und hinter mir sind immer noch viele Läuferinnen und Läufer. Mal überhole ich, mal ziehen welche an mir vorbei. Die Strecke ist jetzt gut laufbar.
Ein wenig wellig nähern wir uns Rouffach. Dann geht es wieder steil bergab. Wir rennen durch die Weinreben und kurz vor Rouffach begleiten uns die Kinder und Jugendlichen, die auf dem Mini Trail unterwegs sind. Im Ort wartet viel Begleitung der restlichen Ultras und die Familien der Kids, die uns alle lautstark anfeuern.
Nach gut acht Stunden laufe ich durch den Zielbogen. Marc wartet schon. Er ist nach unglaublichen fünf Stunden dreißig ins Ziel gekommen. Ich bin mit meiner Zeit auch zufrieden, obwohl ich vielleicht noch etwas mehr Gas auf den Downhills hätte geben sollen.
Direkt im Zielbereich gibt es eine schöne Finisher-Jacke und eine kleine Tüte mit Präsenten der Sponsoren. Ausgiebige Zielverpflegung ist auch noch da. Ich belasse es bei einem Finisherbier. In die warme Halle gehe ich nicht mehr, sonst will ich nicht mehr weg. Ich ziehe mich am Auto schnell um und dann geht es auch schon wieder nach Hause. Trotz aller Widrigkeiten war es für mich ein sehr schöner und erfolgreicher Lauf.
Fazit
Der Trail du Petit Ballon ist ein absoluter Frühjahrsklassiker. Technische Single Trails und gut laufbare Fahrwege wechseln sich ab. Ambitionierte Teilnehmende sollten sich beim Start vorne einsortieren, um nicht ausgebremst zu werden.
Die Veranstaltung ist perfekt organisiert. Die Markierung ist perfekt, verlaufen unmöglich. Die günstige Anmeldegebühr beinhaltet viele Präsente vom Wein bis zur Finisher-Jacke. Pasta-Party vor und nachher, kann bei der Anmeldung mitgebucht werden.
Das Wetter kann noch sehr winterlich sein. Insbesondere am Gipfel ist immer mit Schnee und Kälte zu rechnen. Die Cutoff-Zeit von neun Stunden klingt recht großzügig, schmilzt aber auf der nicht ganz einfachen Strecke schnell, wie der Schnee in der Sonne. Trotzdem würde ich den Lauf auch Trail-Anfängern unbedingt empfehlen.
Strecken
Trail Du Petit Ballon 52 Km gemessen D+2253m
Marathon Du Petit Ballon 42 Km / D+ 1400 m
Circuit Des Grands Crus 23 Km / D+ 700 m
Mini Trail De L’Ane 12 Km / D+ 400 m
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28.03.17 | Erster ECU-Wertungslauf 2017 über den Petit Ballon |