Die Zahl der Läufer, die von flachen Asphaltstrecken auf Trails umsteigen oder zumindest ab und zu auch auf unbefestigten Wegen laufen wollen, wächst stark an. Vor allem im Ultratrail-Bereich hat sich das Angebot an Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum innerhalb sehr kurzer Zeit mehr als verdoppelt. Doch bevor man sich an die ganz großen Abenteuer wagt, braucht man natürlich kleine Wettkämpfe auf technisch nicht allzu schweren Strecken. Dazu ist der 10,5 km / 401 Höhenmeter Kurs in Bad Wildbad, der auch zweimal als Halbmarathon oder viermal als Marathon gelaufen werden kann, eine gute Gelegenheit. Auch 2 x 21 oder 4 x 10,5 km Staffeln sind möglich.
Mit einem etwas mehr als 1 km langen, steilen Trail-Aufstieg, einem vermutlich ungefähr 2 km langen, rasanten Downhill-Trail und ansonsten breiten Waldwegen, Holzbrettern oder Asphalt gibt dieser Kurs Anfängern Gelegenheit, sich zwischendurch auch auf weniger anspruchsvollem Untergrund zu erholen, aber dennoch bei einem Wettkampf teilweise auch auf echten Trails zu laufen. Für erfahrene Trail-Fanatiker eignet sich der Kurs dagegen gut als schnell laufbare Abwechslung zu den gewohnten, langsamen Ultratrails.
Von der A8 Ausfahrt Pforzheim sind es nach Bad Wildbad durch das Enztal mit dem Auto etwa 25 km. Für mich ist die Anreise sehr bequem, denn ich kann beinahe vor meiner Wohnung in Karlsruhe in die S-Bahn einsteigen und ohne Umsteigen bis fast direkt zum Start fahren.
Die Kurstadt im Nordschwarzwald lebte lange Zeit vor allem von den vielen Kurgästen, doch diese Übernachtungszahlen ebbten inzwischen stark ab. Da der Verkehr durch einen Tunnel um den Ort herum geleitet wird, ist es ein recht ruhiger Ort, den ich immer wieder gerne besuche. Die größte Sehenswürdigkeit in Wildbad ist das Palais Thermal, zu dem ich in der kalten Jahreszeit oft fahre. Wer es nicht kennt, der sollte einen Start beim Trailrun mit einem anschließenden Besuch eines der schönsten Bäder Europas kombinieren. Ich liebe diesen märchenhaften Zauber aus einer Mischung von Jugendstil und maurischem Orient, die vielen wunderschönen Becken und die Aussicht vom großen, sehr modernen Saunabereich in den oberen Stockwerken.
Start und Ziel ist bei der Trinkhalle im 35 Hektar großen Kurpark. Diesen naturbelassenen, etwa 1,5 km langen Landschaftspark mit Felsgruppen, vielen schönen Pflanzen, einem großen Ententeich und vor allem der munter plätschernden Enz durchqueren wir bei unserem Lauf natürlich auch.
Ich beschränke mich heute auf den Halbmarathon, also auf zwei Runden, da dies für mich ideal in die Vorbereitung zu weiteren Ultratrails passt. Als ich etwa eine halbe Stunde nach Start des Marathons in Bad Wildbad ankomme, bin ich froh, erst 15:45 Uhr starten zu müssen, denn noch regnet es, soll aber später besser werden. Eine Stunde lang fotografiere ich im Kurpark die vorbeilaufenden Marathonis, dann etwa 70 Halbmarathonis an der Startlinie. Wir werden darauf hingewiesen, dass wir jetzt nicht unter dem Zielbogen hindurch laufen dürfen, sondern links daran vorbei. Auf die Frage, ob wir nach der ersten Runde über die Zeitmess-Matte sollen, wird unmissverständlich geantwortet, dass wir auch dann links daran vorbei müssen, damit nicht versehentlich unsere Zeit der ersten Runde als Finisherzeit aufgezeichnet wird. Ein Irrtum, wie sich heraus stellt. Als ich am nächsten Morgen reklamiere, weil ich meinen Name nicht in der Ergebnisliste finde, wird das aber innerhalb kürzester Zeit korrigiert.
Gleich nach dem Start laufen wir am Königlichen Kurtheater vorbei, dann geht es schon halbwegs steil durch den Randbereich des Kurparks aufwärts. Kurz folgen wir einer Straße, dann beginnt der etwas mehr als 1 km lange Trail-Aufstieg. Technisch ist dieser Pfad nicht besonders schwer. Doch für die Läufer, die hier erstmals auf Trails laufen, bietet er schon alles, was sie zur Einstimmung brauchen: Wurzeln, Steine, ein paar Baumstämme, die man überschreiten muss und manchmal auch steilere Steigungen. Einer Läuferin, die vor mir ihre Kräfte schon zu Beginn verschleißt, indem sie versucht, ein steiles Wegstück zu laufen, gebe ich den Tipp, solche Passagen lieber zu marschieren, weil es effektiver ist.
Bei km 2 kommen wir an der Bergstation der Sommerberg-Bahn vorbei. Diese Bahn verbindet schon seit über 100 Jahren den Kurort mit dem etwa 300 m höher liegenden Wandergebiet. Im Jahr 2011 wurden die alten Waggons durch eine moderne Version ersetzt. Oben am Sommerberg gibt es einige Hotels und auch Restaurants mit Aussichts-Terrassen.
Hier ist auch der Eingang zu einem der größten Mountainbike-Parks Deutschlands, wo die Radler auf eigenen Trails abseits der ausgewiesen Wanderwege bergab sausen können. Noch ganz neu ist der Baumwipfelpfad. Auch Kurgäste mit Rollstuhl können nun mit der Bergbahn zum Sommerberg fahren und dann auf breiten, rollstuhlgerechten Stegen hoch über dem Boden durch den Wald rollen. Auch wir dürfen bei unserem Trailrun etwa 700 Meter weit auf diesem ungewöhnlichen Weg laufen, allerdings leider nicht auf den 40 m hohen Turm hinauf. Schade, die Spirale auf den Turm und anschließend auf der Rutschbahn hinab hätte aus diesem Wettkampf etwas Einzigartiges gemacht.
Nun folgen einige Kilometer auf relativ flachen, breiten Waldwegen. Heute ist es sehr kühles Wetter, doch an heißen Sommertagen würde sich die fast ausschließlich durch Wald führende Streckenführung bewähren. Klassische Aussichtspunkte gibt es aber auf dieser Route nicht.
Dann beginnt der etwa 2,5 km lange Abstieg, meist auf Trails. Zuerst dürfen wir auf einem anfangs recht schmalen Pfad abwärts laufen. Durch den Regen wurde der Boden an manchen Stellen etwas rutschig, aber man kann hier trotzdem schnell und problemlos laufen. Es folgen ein paar rasante Serpentinen. Da es während meiner ersten Runde sehr düsteres Wetter ist, bleibe ich für jedes Foto stehen. Mir gefällt natürlich der Abschnitt am besten, auf dem der eigentliche Weg durch umgestürzte Bäume blockiert wird, so dass wir ein steiles Stück weglos den Hang hinab steigen müssen. Neulinge erfahren hier, wie es auf den großen Trails oft zugeht.
Die zweite Hälfte des Abstiegs kann deutlich schneller gelaufen werden. Jetzt folgt die asphaltierte Durchquerung des schönen Kurparks. Schon geht es am Zielbogen vorbei auf die zweite Runde. Dieses Mal steige ich wesentlich schneller den Trail hinauf als zu Beginn. Ich fühle mich so richtig in meinem Element. Für Marathon-Sammler ist dieser neue Lauf eine willkommene Abwechslung, daher wundert es mich nicht, dass ich mit Michael Weber und Ulrich Tomaschewski zwei Mitglieder des 100 Marathon Club sehe.
Noch einmal Baumwipfelpfad, noch einmal Vollgas auf den breiten Wegen, dann erreiche ich wieder den Downhill-Trail, den ich dieses Mal mit voller Freude ungebremst hinab sause. Im Kurpark laufe ich an Lionheart Erwin Bittel vorbei, der gerade seine dritte Runde beendet und noch eine weitere vor sich hat. Eigentlich würde ich jetzt gerne mit ihm weiter laufen, aber für mich ist am Zielbogen der Halbmarathon vorbei und ich erreiche nach 2:20:45 das Ziel. Platz 25 von 39 Männern, davon bin ich überrascht, da ich nahezu nie Tempo-Training mache. Doch es hat mir heute ausgesprochen Spaß gemacht, vor allem bei der zweiten Runde oft doppelt so schnell zu laufen, wie es bei langen Ultratrails vernünftig ist. Ich bin zwar mit Leib und Seele Ultratrailer, werde aber zukünftig zur Abwechslung öfters solche kurzen, schnellen Trails laufen.
Für mich war es auch eine ungewohnte Erfahrung, alle 2 - 3 km eine Verpflegungsstelle zu erreichen, bei meinem letzten Wettkampf gab es nur drei innerhalb von 9 Stunden.
Sieger beim Marathon waren Claudia Waiderlich und Rene Strosny, beim Halbmarathon Christine Sigg-Sohn und Peter Lürßen, bei den 10,5 km Katharina Wabnitz und Uli Stein.