Bis zur Thingstätte auf dem Heiligenberg müssen 340 Höhenmeter bezwungen werden. Die nach dem Vorbild antiker griechischer Theater errichtete Freilichtbühne wurde 1935 vom Reichsarbeitsdienst und Heidelberger Studenten erbaut. In den 56 Zuschauerreihen fanden bei der Eröffnung 20.000 Menschen Platz. Sie sollte vor allem für Propagandaveranstaltungen genutzt werden. Doch schon bald verloren die Nationalsozialisten das Interesse an der Anlage und man ließ sie weitestgehend verfallen. Inzwischen steht die Anlage unter Denkmalschutz und wird im Sommer für Open-Air-Konzerte genutzt. 8.000 Besucher lässt man heute noch zu, obwohl das Gelände wegen der schwierigen Infrastruktur schwierig zu bewirten ist.
Wir dürfen das eindrucksvolle Amphitheater komplett durchqueren und erreichen ein Stückchen weiter den ersten von drei Gipfeln auf unserem Höhenprofil. Rechts ist die Ruine der vermutlich 1.000 Jahre alten Michaels-Basilika des einstigen Michaelsklosters zu sehen. Im 15. Jhd. beschloss der Senat das Kloster abzureißen und die Steine zu verkaufen.
Unmittelbar danach führt uns auch erstmals ein echter Trail einige hundert Meter bergab. Nach einem kurzen Gegenanstieg können wir auf einem gleichmäßig abfallenden Waldweg schön Fahrt aufnehmen. Dickes Laub auf den Wegen macht es einem gar nicht immer leicht, die wahre Beschaffenheit des Untergrundes zu erkennen, aber ich spüre, da ist viel Asphalt dabei. Über fast drei Kilometer zieht sich der Downhill hinunter ins Mühlental bis zur ersten Wechselstelle der Fünferstaffeln (km 11,5) hin.
Die Streckenlängen für die einzelnen Läufer der Fünfer-Teams sind nicht gleichmäßig, so folgen die nächsten Wechsel in den Abständen nach 7,7 km, 9,6 km, 6,6 km und 7,3 km. Die Zweier-Teams haben sogar die Möglichkeit zu wählen, so können sie entweder bei km 19,2 oder 28,8 an den Partner/in übergeben.
Auf unterschiedlichem Terrain, ohne technisch schwierige Abschnitte, aber dafür meist im Anstieg gelangen wir zum Weißen Stein (km 17), dem zweithöchster Punkt des Kurses auf 548 Meter. Über 500 Höhenmeter beinhaltet der Abschnitt. Eine Zeitmessmatte bestätigt unser ordnungsgemäßes Passieren. Der Weiße Stein ist im Übrigen der Name des Berges. 1906 wurde hier von Mitgliedern des Odenwaldklubs ein 20 m hoher Aussichtsturm aus Stein gebaut, der bei gutem Wetter eine schöne Aussicht auf andere Berge des Odenwalds bot, heute ist er aber durch hohe Bäume weitgehend zugewachsen.
Gegenüber ist für uns eine Verpflegungsstation aufgebaut. Angeboten werden Wasser, Iso, Bananen und Riegel. 12 VPs und Wasserstellen sind auf dem Rundkurs eingerichtet, mehr als ausreichend. Eigene Verpflegung muss man nicht mitführen. Wem trotzdem nach mehr ist, der kann hier auch in der gleichnamigen Gaststätte „Weißer Stein“ einkehren. Der Wind bläst recht kräftig und Wolken ziehen auf.
Recht unspektakulär, überwiegend auf Asphalt und meist abwärts, dafür aber bequem zu laufen führt uns der nachfolgende Downhill über breite Forststraßen hinunter zur Neckarbrücke. Über Ziegelhausen gelangen wir auf die andere Flussseite nach Schlierbach zum nächsten großen Verpflegungs- und Staffelwechselpunkt (km 28,8). Recht praktisch für die Teamläufer, liegt er doch direkt am Bahnhof. Bedrohlich haben sich die Wolken verdichtet, aber es ist noch trocken.
Danach geht’s wieder auffi. Erst noch mäßig bis etwa km 34, aber ab hier wartet der Aufstieg zum Gipfel des Königstuhl auf uns. Mit dem Einstieg in die sogenannte Himmelsleiter, einer Sandsteintreppe mit über 600 grob behauenen und unregelmäßigen Stufen, verbunden mit 250 Höhenmetern, wird auch der „Trail Marathon“ seinem Namen gerecht. Die relativ bequeme Lauferei ist hier zu Ende. Wo wahrscheinlich für viele Straßenläufer jetzt der Alptraum beginnt, fängt bei mir und anderen Trailern erst so richtig der Spaß an.
Die grobe Naturtreppe mit den zahlreichen Felskanten und Geröllsteinen zähle ich definitiv dazu. Wobei ich der Meinung bin, dass sie eigentlich wirklich gut zu gehen ist, die Höhenabstände sind nicht übertrieben eklig. Die Meinung habe ich aber wohl mehr oder weniger exklusiv, wie ich so an den Gesichtern ablesen kann. So brauchen doch auch einige zwischendrin längere Verschnaufpausen um wieder zu Kräften zu gelangen. 400, 300, 200, 150… schön werden uns die Reststufen herunter gezählt, per aufgesprayter Markierung.
Mit 567 m ist der Königstuhl der höchste Punkt unserer Strecke (km 35). Hier hat sich der Veranstalter eine nette Überraschung für uns einfallen lassen. Wir werden mit Schneeboden begrüßt. Etwa 20 Meter lang ist der alpine Abschnitt. Einige Kubikmeter Schnee, der bei der Eispräparation anfällt, wurde aus der SAP Arena in Mannheim herbei geschafft.
Nicht alle laufen wie wir auf den Königsstuhl. Hier ist auch die Bergstation der Heidelberger Bergbahn. Jährlich nutzen mehr als eine Million Fahrgäste die Möglichkeit, den wunderschönen Blick auf Heidelberg und das Neckartal zu genießen. Die Aussicht reicht sogar weit über die Rheinebene bis hin zur Pfälzer Weinstraße. Bis 2002 konnte man, auf dem hier ebenfalls postierten Fernsehturm, noch eine Aussichtsplattform in 30 m Höhe besuchen. Sie ist aber mittlerweile für den Publikumsverkehr geschlossen, da der Turm sanierungsbedürftig ist.
Für uns ist der Trailspaß am Gipfel aber noch nicht beendet, bergab geht er weiter. Schön ruppig und technisch sehr schwierig führen uns überwiegend Single-Trails bis in den Schlossgarten. Auch hier gibt es eine Premiere, denn zum ersten Mal darf dieser bei einem Sportevent durchquert werden.
Das Heidelberger Schloss aus rotem Sandstein ist DAS Wahrzeichen der Stadt Heidelberg. Bis zu seiner Verwüstung war es die Residenz der Kurfürsten von der Pfalz. Seit den Zerstörungen um 1700 wurde es nur noch teilweise restauriert. Zahlreiche Sagen und Legenden ranken sich um die Burg. Besonders gut gefällt mir die Geschichte des kurfürstlichen Hofnarren und späteren Mundschenk Perkeo.
Perkeo war ein etwa ein Meter großer, aber 100 kg schwerer Zwerg. Zuerst musste er als Hofzwerg zur Belustigung des Fürsten und des Hofstaates beitragen. Später war es als Hofmeister und Mundschenk seine Aufgabe, auf den Inhalt des kurfürstlichen Weinkellers achtzugeben. Er musste täglich 15 Flaschen Wein trinken, sonst wurde er ausgepeitscht. Seit seiner Kindheit soll er ausschließlich Wein als Getränk zu sich genommen haben. Als er erkrankte, riet ihm sein Arzt dringend davon ab, sich weiterhin dem Wein hinzugeben und empfahl ihm stattdessen Wasser. Trotz großer Skepsis und Furcht nahm er diesen Rat an …und verstarb am Folgetag.
Im Inneren der Burganlage gibt es auch heute noch ein riesiges Weinfass zu besichtigen. Es wurde 1751 im Auftrag von Kurfürst Carl-Theodor erstellt und fasst 236 Fuder oder 221.786 Liter. Es wurde aber nur dreimal gefüllt, weil es nie dicht war. Wein gibt es für uns leider nicht zu kosten, dafür wurde aber an den Getränkestationen ab km 29 noch zusätzlich Cola ausgeschenkt.
Die Umrundung des Schlosses zieht sich auf eine Länge von ca. zwei Kilometer hin und hält zudem auch eine leichte Steigung für uns bereit. Von allen Positionen kann die Burganlage bewundert werden. Der Touristenansturm hält sich glücklicherweise heute in Grenzen, unbehindert können wir den Schlossgarten durchqueren.
Die Flamme rouge, so wird der letzte Kilometer bei den Etappen der Tour de France bezeichnet, beginnt am Eingang zur Altstadt. Man hat uns eine Gasse mitten durch die Fußgängerzone freigehalten. Rechts und links wird sie von viel Publikum gesäumt und man spendet uns tüchtig Beifall. Im Ziel auf dem Universitätsplatz werde ich mit einer schönen Medaille belohnt. Sieben Stunden gibt man den Marathonis Zeit, sich den verdienten Lohn abzuholen.
10 Minuten nach meinem Finish fängt es an zu schütten. Optimales Timing könnte man sagen.
Die letzten Kilometer ab Himmelsleiter haben einiges dazu beigetragen, dass der Marathon den Zusatz „Trail“ auch wirklich verdient. Ich würde mir aber wünschen, dass man insgesamt mehr Trails in die Strecke integriert. Möglichkeiten dazu gibt es bestimmt.
Die vielversprechende Premiere ist trotzdem bestens gelungen. Es ist von allem etwas dabei: Eine tolle Stadt, viele Sehenswürdigkeiten, eine wunderschöne Landschaft, gute Organisation und auch prickelnde Trails …nur die vielen asphaltierten Waldwege werden echte Trailrunner nicht so mögen. Daran sollte man arbeiten.
Männer
1 Sturm, Marco (GER) Team Scott 03:01:15
2 Hegmann, Tobias (GER) TSG Kleinostheim 03:05:16
3 Biehl, Marcus (GER) LG Lage-Detmold 03:06:28
Frauen
1 Grüber, Almuth (GER) Engelhorn Sports Team 03:34:08
2 Mitkina, Tatiana (RUS) Die Wuerfels 03:46:23
3 Raatz, Simone (GER) LG Region Karlsruhe 03:55:30
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