Unterhalb von Ensch (km 25) ist der Sauerbrunnen (= kohlensäurehaltiges vulkanisches Wasser, was geysierartig an die Oberfläche tritt). Bemerkenswert ist der Brunnen, weil sich ein seltsamer Brauch bis heute erhalten hat: Während sich die männliche Jugend mit Wein stärkt, sammelt die weibliche, unverheiratete Jugend Eier ein, die dann gemeinsam gebacken und verzehrt werden.
Gegenüber in Thörnich (km 27) findet sich ein umgewidmeter römischer Stein, vier Meter hoch, jetzt mit der Jahreszahl 1615 versehen.
Die weltberühmte Weinberglage Thörnicher Ritsch hat ihren Namen von dem immer wieder abrutschenden Grauschiefer. Es gibt keine Wirtschaftswege, zu steil, zu ritschig. Auf dem Engas-Pfad geht es nur tief gebückt unter den Weinreben hindurch. Steil hinunter zur Mosel und wieder hinauf über den Ritsch-Klettersteig.
Dann plötzlich querfeldein durch mehrere herrliche Wiesen, eine dunkles Gestrüpp und Klüsserrath (clusae scartum= Rodung in der Bergenge, km 32) wird erreicht und wir überqueren den kleinen Fluss Salm.
Das Straßendorf schmiegt sich in ein von der Mosel geschaffenes Amphitheater. Die Ausdehnung des Ortes hat sprichwörtlichen Charakter: “ So lang wie Klüsserath”. Interessant ist, dass hier während der Inflationszeit der französischen Franc Zahlungsmittel war. Gerne würde ich jetzt Euros loswerden, doch Winzer und Gasthöfe haben geschlossen. Ich bin nicht unterhopft, ich bin am Arsch.
In der Kirche befindet sich das Grab des hiesigen Burgherren und Kreuzfahrers Richard von Hagen. In der Gerichtslinde ist eine fast vollständig eingewachsene Kette mit Eisenringen für die Häftlinge zu bestaunen. Ich staune, wie fertig man sein kann, denn ich stehe davor und vergesse ein Fotos zu schießen. Selbst die Bäckereien sind geschlossen. Eine Metzgerei! Die Fleischauslage lässt mich würgen. Ich habe gebettelt! Dann, eine Ewigkeit später, bekomme ich zwei Flaschen alkfreies Weizen aus Privatbeständen. “Kannst du mir sagen, was hier los ist? Dauernd laufen hier so Leute durch!”
Himmelsleiter! Hight Noon! Dreckshitze und dann dieser Anstieg. Dann kilometerlang rollen lassen, hinunter nach Trittenheim. Gott, wie bin ich platt!
Zweiter Verpflegungspunkt bei km 36, cut-Off Zeit 13:15 Uhr, die DNF-Läuferzahlen erhöhen sich schlagartig. Es ist heiß, sehr heiß. Aus mehreren Laufzeitschriften weiß ich, was zu tun ist, wenn man bei dieser Hitze läuft. Auch die Videoserie von A.A. mit Unterstützung von Dr.M., die in mindestens 16 Städten Deutschlands gezeigt wurde, bringen mich zu dem Schluss: Ich muss viel trinken. Aber was? Die Frage eines angehenden Ultraläufers über ein soziales Netzwerk, wann ich denn plane, bei diesem unmenschlichen Lauf in ein Schritttempo umzusteigen, kann ich endlich beantworten: Jetzt!
Hell leuchten die beiden Fährtürme (1829-1909), Wohnung des Fergers (Fährmannes) und Verankerung für das Zugseil. Seitdem die Brücke gebaut ist, braucht man die Türme nicht mehr. Auf der Brücke ein Schild “Hubschrauberspritzung”. Schwefel gegen Mehltau. Das Zeug stinkt in den vor Hitze flimmernden Weinbergen, legt sich auf die Zunge, macht Durst und raubt dir den Sauerstoff. Beim Aufstieg, querfeldein durch die Reben, bleibt der Höllensud an der schweißnassen Haut kleben und brennt in den Kratzern. Ein paar Regentropfen fallen glücklicherweise vom Himmel. In Schweich im Start/Zielbereich jedoch tobt ein Unwetter. Mein Zelt auf dem Campingplatz steht 10 cm tief im Wasser, wie mir die Nachrichtenagentur übermittelt.
Eine römische Wasserleitung kommt aus dem Felsen. Nicht außergewöhnlich, es gibt hunderte von diesen alten römischen Leitungen hier, teilweise noch aus keltischer Zeit, Höhe 1,20, Breite 0,6 Meter, die meisten kartographiert, doch der Drovetunnel mit seinen zahllosen Schächten hat Geheimisse! Alle Tunnel wurden vom Denkmalamt versiegelt. Fast, denn auf privatem Grund gibt es einige Zugänge, manche nur noch als Erdtrichter erkennbar, viele jedoch offen. Wie dieser hier, gerne als Partytunnel genutzt. Dort würde ich jetzt gerne rein, jedoch die Zeit und die Hitze drängt. Nix Party.
Gegenüber liegt Leiwen (nach Livia, der Gattin vom Kaiser Augustus), wo die Mutter von Beethoven herstammt. Nach einem beschissenen, sinnlosen Anstieg geht es bergab zur Konstantinhöhe, wo Kaiser Constantin eine Kreuzerscheinung hatte. Genau wie ich jetzt auch. “In hoc signo vinces” (In diesem Zeichen wirst du siegen). Konstantin konvertierte daraufhin zum Christentum und damit die gesamte westliche Welt. Ich konvertiere langsam zum DNF`ler, ich kann nicht mehr, kann diesen Schwachsinn vom “Runners-High” nicht mehr hören, und überhaupt!