Dort wo der europäische Gedanken geboren wurde, erstreckt sich ein Gebiet, welches wilder, urwüchsiger und romantischer nicht sein kann. Die tiefe Waldeinsamkeit des Gebietes, das die Kelten nach ihrer Jagdgöttin Arduinna benannten, wechselt sich mit der kargen, melancholischen Hochebene mit ausgedehnten Feldern des Öslinger Plateaus ab, das von der Sauer und deren Nebenflüsse tief eingeschnitten wird und schroffe Talabhänge mit imposanten Schieferfelsen hinterlässt.
An den steilen Ufern thronen neblige Burgen und Ruinen und erzählen von Rittern und Helden, von Grafen, Herzögen und Königen. Von den engen Talböden führen schmale, kurvenreiche Pfade zu den Höhendörfen, die über den herbstlichen Laubwäldern schweben.Tief verwurzelt in der Bevölkerung der Ardennen sind die Sagen, Legenden und Erinnerungen, die von Kampf, Mut, Überlebenskampf und Herausforderungen künden. Die dauernden Kriege zwischen den Habsburgern und Bourbonen haben das Land entvölkert, wer noch konnte, wanderte nach Amerika aus.
Meine Irrfahrt durch Luxemburg (siehe Bericht 2009 ) hat mich und mein Auto, welches ich total ramponiert nach meinem Lauf wiederfand, stark geprägt. So trete ich auch in diesem Jahr mit Respekt und Unsicherheit einen der härtesten, schönsten und geheimnisvollsten Trailläufe an, die Mitteleuropa zu bieten hat.
Die Burg Esch in Esch-sur-Sure (Esch über der Sauer) liegt 6 Km vor Heiderscheid dem Austragungsort des Marathons. Der Blick vom Tal hoch zur nächtlichen Burg haut mich um. Die alte Brücke über der Sauer leuchtet in einem überschwenglichen, weihnachtlichen Wasserfall und spiegelt sich im Wasser, über dem leuchtenden Ensemble thronen die Türme der 1000 Jahre alten Festung. Imposant der „Lug- und Spähturm“, der auf einem separaten Felsen steht. Die steilen Gassen sind menschenleer.
Empfehlenswert ist ein Wochenende im Luxushotel unterhalb der Burg und die Gruselführung (4 Euro). Die Sage über die mysteriöse Ankündigung des Todes des Kreuzfahrers Heinrich von Esch lässt es dir kalt über den Rücken rinnen. Morgen ist Totensonntag, fröstelnd laufe ich zum meinem Auto, begleitet vom heiseren Krächzen der schwarzen Totenvögel.
Die Strasse ist gesperrt, doch mutig kratzt mein Auto die 3 km zur Jugendherberge Lultzhausen. Für Trailrunner kostet die Übernachtung, feinste Pastaparty und Frühstück 28 Euro.
Das nächtliche Röcheln und Pfeifen von Stevie vertreibt nicht nur das Käuzchen vor dem Fenster den Mehrbettzimmers, sondern Belgier und Deutsche samt ihrer Matratzen in den Konferenzsaal.
Ein herrlicher sonniger Tag kündigt sich an, als die Wagenkolonne sich auf die 6 km nach Heiderscheid begibt. Die Mehrzweckhalle ist randvoll mit Läufern. Die neuesten Hits werden gespielt, ich schaue mit die CD´s an, denn Luxemburger CD´s sind Millionen wert, wie ich aus der Presse weiss.
Die Ausschreibung erzählt von 50,1 km und 1600 hm, doch dieses Jahr gibt es einen Umweg, denn die Pontonbrücke bei Lultzhausen ist unpassierbar. 52.5 km mit 1915 hm werden also dieses Jahr angegangen, dafür gibt es einen Qualipunkt für den UTMB. Zeitlimit 7 Stunden.
Heiderscheid ist das Gebiet des Jasmännchens. Laut der Sage ist der Typ für alles, was schief läuft verantwortlich. Meistens versetzt er Grenzsteine und Wanderer und Läufer in Angst und Schrecken.
Doch es gibt einen sonnigen Start, so ein herrliches Wetter hat es beim Uewersauertrail noch nie gegeben. Vorbei geht es an der endlosen Reihe der Läuferautos über die Hochebene, hinunter ins Tal. Das Läuferfeld ist eng. Zwei Läufer haben sich nicht auf den Weg konzentriert, auf den das Jasmännchen große Steine gelegt hat, sie stürzen, müssen aussteigen.
Dieses Gebiet heisst Letschrammerdaachn. Ich schramme mir zwar nicht das Dach ein, aber die Brombeerranken reissen an den Beinen, Äste peitschen ins Gesicht. Dann geht es steil aufwärts ins Teletubbie-Land. Leuchtend grüne Wiesen, strahlend weisse Windräder und ein Himmel so blau wie der Bildschirmschoner von Windows. Hier beim VP 1 bietet sich eine grandiose Aussicht auf die Talhänge der Sauer und die gegenüberliegenden Höhendörfer. Der höchste Punkt (500 m) wird nun bald erreicht sein, dann geht es steil hinab ins Tal der Sauer.