Wenn ich in meiner DUV Statistik ganz nach unten scrolle, steht da der Trail Uewersauer. Es war mein erster Ultra und mein erster echter Trail Lauf. Das war 2010. Da war die Veranstaltung schon ein Klassiker. Zumindest in Luxemburg. In Deutschland gab es in dieser Hinsicht kaum was, außer ein paar Einladungsläufen für Insider. Und im Winter schon gar nichts. Mir war jedenfalls nichts bekannt, außer dem Heiligabend-Marathon bei den Fellers.
Ich hatte im Sommer, nach einem Bericht von Klaus Duwe bei M4Y, in Davos den Swiss Alpine Marathon gefinisht und hatte Trail-Blut geleckt. Für die Premiere des Zugspitz Ultratrails mussten jetzt ein paar Trainingskilometer her und so fand ich im benachbarten Luxemburg diese Veranstaltung. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich mich vorbereitet habe. Total ahnungslos ging ich das Ding an. Noch die Flausen vom Straßenlauf im Kopf, habe ich schon gleich am Anfang maßlos übertrieben und mich auf den matschigen Wegen komplett hingerichtet. Ab Kilometer 40 hatte ich mich dann nach einer längeren Zwangs-Gehpause an eine Frauengruppe gehängt. Es waren erfahrene Ultra-Läuferinnen, die frei von Testosteron die Strecke von Anfang bis Ende mit der gleichen Belastung gelaufen sind. Scheinbar mühelos und gut gelaunt, sind sie voller Freude vor mir hergelaufen bis ins Ziel. Ich hatte Mühe zu folgen, aber es war eine sehr wichtige Lektion für mich und hat mich für mein weiteres Läuferleben nachhaltig geprägt.
In den Folgejahren bin ich den Uewersauer immer mal wieder gelaufen. Leider ist das Winterangebot in Deutschland immer noch sehr begrenzt. Die gute Organisation des Rennens hat dazu geführt, dass sich viele Läuferinnen und Läufer an einem meist eiskalten Novembermorgen in dem kleinen Örtchen Heiderscheid in den luxemburgischen Ardennen an der Startlinie treffen, um gemeinsam den Saisonabschluss zu feiern. So soll es auch dieses Jahr sein, obwohl die Saison für mich noch nicht zu Ende ist. Die Form für den Sommer trainiert man ja bekanntlich im Winter. Außerdem liebe ich Matsch und Wasser. Das sind schon mal gute Voraussetzungen für einen Wintertrail.
Heiderscheid liegt im nördlichen Luxemburg und ist von uns aus in knapp 2 Stunden zu erreichen. Wir sind mit einer Gruppe Hartfüßler unterwegs. Melanie läuft heute ihren ersten Ultra, Fanny die 30, Alex, unser Bahnsprinter das kurze Ding. Auf alle anderen warten 52 Kilometer. Die Strecke hat sich im Laufe der Jahre kaum verändert. Nur die Laufrichtung hat ein paar Mal gewechselt. Wie der Name schon verrät, geht es im Wesentlichen an der oberen Sauer entlang. Ich erinnere mich noch an eine Pontonbrücke über einen Stausee und an einen sehr steilen Abhang. Genau. Und einen elenden, freien Höhenweg, wo es dir immer sehr kalt um die Ohren bläst. Und natürlich der Herbergsvater im Fuchs-Kostüm. Ob es den noch gibt?
Ich will meinen Mitfahrern nicht auf die Nerven gehen und konzentriere mich besser auf die Renneinteilung. Das Ding muss in sieben Stunden und 15 Minuten über die Bühne gehen. Das ist eine stramme Zeitvorgabe und ich hoffe, dass es für mich reicht. Ich habe dieses Jahr zwar schon ein paar lange Strecken gemacht, aber das Tempotraining war mehr als bescheiden. Wenigstens ist es schön kalt heute Morgen. Dann trödelt man nicht unnötig rum. Bei meinen letzten Teilnahmen habe ich immer gefährlich am Cut-off gekratzt. Um es gleich vorweg zu nehmen: der Trail Uewersauer ist kein reinrassiger Trail. Dafür ist der Singletrail-Anteil einfach zu gering. Es ist eher ein Landschaftslauf. Durch den Termin im Winter ist die Strecke jedoch nicht zu unterschätzen.
Wir sind viel zu früh in Heiderscheid. Es bleibt noch Zeit für eine Tasse Kaffee und ein Schwätzchen mit ein paar der vielen bekannten Läuferinnen und Läufern. Dann geht es auch schon nach draußen in die Kälte, die in diesem Jahr aber nicht ganz so hart ist. Die 30er starten mit uns und so setzt sich nach dem gemeinsam runtergezählten Countdown ein großes Läuferfeld in Bewegung.
Es geht über eine schlammige Wiese zum Campingplatz. Ein Loch vor der Straße verschluckt uns und spuckt uns hinter der Straße wieder aus. Nach dem Campingplatz biegen wir ein in einen schnuckeligen Trail. Es geht immer nur bergab. Das Tempo ist entsprechend hoch. Im Tal folgen wir einem Bachlauf, bevor es über eine steile Rampe wieder berghoch geht. Wir kommen in den kleinen Ort Merscheid, den wir aber gleich nach einer Pferdewiese wieder verlassen. Wieder geht es steil nach unten. Wir laufen die Strecke diesmal also „verkehrt“ herum. Die beiden Downhills sind mir nämlich als fiese Schlussanstiege noch gut in Erinnerung.
Wir queren ein Bachbett und steigen direkt wieder hoch. Oben angekommen bläst uns ordentlich die kalte Luft um die Ohren. Nach einem flachen Feldweg auf der Hochebene ist der erste Verpflegungspunkt erreicht. Ich brauche noch nichts und laufe direkt weiter. Nach kurzem Anstieg geht es jetzt auf bequemen Wegen immer leicht bergab und ich kann gut Strecke machen. Wir kommen in ein romantisches Tal und folgen dem Wasser, das wir immer wieder über kleine Brücken queren. Links und rechts wird der Bach durch Felsen in sein Bett gezwungen. Mein Lieblingsabschnitt. Sehr flott erreiche ich den Ausläufer des Stausees. Hier wird die Sauer mit ihren Zuflüssen zur Versorgung des Landes mit Trinkwasser zum größten Stausee in Luxemburg aufgestaut.
Ich bin die letzten 18 Kilometer in 2 Stunden gelaufen. Das ist eindeutig zu schnell, aber irgendwie läuft es ganz gut heute. Auch die zweite Verpflegung lasse ich links liegen. Ein schmaler Pfad führt uns bergan. Zuerst über viele umgestürzte Bäume, dann wird der Weg zu einem kleinen Bachlauf. Oben überrascht der Blick auf Esch-sur-Sûre, vor uns liegen die Ruinen der ältesten Burg Luxemburgs, darunter, eingebettet in einer Flussschleife das mittelalterliche Dorf. Über rutschige Treppen erreichen wir das Flussufer, um direkt auf der gegenüberliegenden Seite wieder aufzusteigen. Die Läuferinnen und Läufer der 30 Kilometer-Strecke verlassen uns hier.
Wir umrunden die Flussschleife in einem stetigen Auf und Ab, begleitet von immer wieder neuen Aussichten auf das schöne Städtchen und die Burgruinen. Dann geht es eine Zeitlang nur noch steil berghoch. Sehr steil. Ich erinnere mich noch an mein erstes Mal, als ich hier runtergelaufen bin und weiß, dass der Single-Trail noch ewig ansteigt. Nach einem flachen Zwischenstück geht es genauso steil wieder bergab. Wir kommen zur nächsten Verpflegung. Hier muss ich meine Flasche auffüllen und etwas Nahrung aufnehmen. Ich spüre, dass die Vorräte zur Neige gehen und das anfängliche hohe Tempo kann ich nicht mehr halten. Nach einer Cola nehme ich noch eine Bouillon und trabe langsam weiter.
Den folgenden Anstieg nutze ich noch zum Ausruhen, dann geht es auf gut laufbaren Wegen wieder stetig leicht bergab, perfekt um Strecke zu machen. Das sind für mich geschenkte Kilometer. Der farbige Herbstwald verleitet mich zum Träumen und schwupps, liege ich auf der Nase. Immerhin kann ich mich noch einigermaßen abrollen und habe mich nicht verletzt. Die anschließende Adrenalin-Dusche beschert mir dann ein paar schnelle Kilometer. Der Downhill will gar nicht aufhören. Nur zwei kurze Gegenanstiege unterbrechen den Flow, der erst in Toodlermillen am Ufer der Sauer endet. Es ist der tiefste Punkt der Strecke und auch bei mir ist die Form hier ziemlich im Keller.
Meine Füße sind leicht angeschwollen und schmerzen. Ich muss die Schnürung meiner Schuhe etwas lockern, dann ist es wieder besser. Nach der Brücke geht es ewig berghoch. In einer Straßenkurve ist die Verpflegung. Hier haben wir in etwa die Marathondistanz hinter uns gebracht. Meine Hochrechnungen auf eine fantastische Zielzeit ist mittlerweile dahingeschmolzen, denn ich weiß, dass noch zwei elende Anstiege auf mich warten. Der erste kommt nach einem kurzen Downhill. Es geht steil bergan. Mir ist kalt und ich versuche auch beim Gehen den Puls hochzuhalten. Mein Knie und meine Hüfte erinnern mich an meinen Sturz, aber eigentlich läuft es noch ganz gut. Das Wetter ist jetzt sehr ungemütlich. Kalter Wind bläst in alle Ritzen und ich ziehe auch noch die Handschuhe und das Stirnband an.
Auf der Hochebene angekommen, ist es zum Gehen einfach zu kalt. Also laufe ich soweit es der Puls zulässt, bis ich die letzte Verpflegung erreiche. Ein langer Downhill bringt Windschatten und es wird wieder angenehmer. Der Weg lässt sich gut laufen. Der einsetzende Nieselregen ist mir egal. Ich konzentriere mich auf den Untergrund, um nicht noch eine weitere Pirouette zu drehen. Gerade am Ende eines Rennens lauert ja bekanntlich die gemeine Schnappwurzel überall. Dann kommt auch schon der Schlussanstieg. Die ansonsten perfekte Markierung ist kurz vor Erreichen von Heiderscheid etwas spärlich, aber ich erinnere mich noch an heute Morgen. Da sind wir die gleiche Strecke gelaufen.
Die Windräder in der Nähe verschwinden in den ungemütlichen Regenwolken. Das trübe Winterwetter und die letzte Schlammpassage können mir nichts mehr anhaben. Nur noch kurz durch den Ort, zum Hintereingang der Halle und schon laufe ich ins Ziel in der warmen Halle ein. Die Siegerehrung ist schon lange vorbei und die meisten meiner Mitfahrer sind schon geduscht. Für mich war es trotzdem ein gutes Rennen. 25 Minuten konnte ich zur letzten Austragung gutmachen. Als ich von der (warmen!) Dusche komme, ist Melanie auch da. Sie hat heute ihren ersten Ultra gefinisht, was wir mit einem Bier feiern, bevor es wieder nach Hause geht.
Fazit:
Der Trail Uewersauer ist eine perfekt organisierte Veranstaltung. Mit einem üppig gefüllten Starterbeutel und perfekter Organisation lockt er jedes Jahr viele Läuferinnen und Läufer aus Deutschland, Frankreich und dem Beneluxraum in das kleine Ardennendörfchen Heiderscheid. Schöne Singletrails wechseln sich mit schmalen Forstwegen aber auch einigen Asphaltabschnitten ab. Die Strecke ist nicht sehr schwer und für Trail- wie auch Ultra Anfängerinnen und Anfänger sehr gut geeignet. Die Anstiege und Downhills lassen sich meist gut laufen. Die Strecke ist technisch nicht sehr anspruchsvoll und macht Spaß. Ein Klassiker, der in keiner Trail-Statistik fehlen sollte.
Die Strecken
Uewersauer Trail 52,1 km, (+/- 1810 Hm)
Mid Trail 33,1 km, (+/- 950 Hm)
Sprint Trail 10,7 km, (+/- 390 Hm)
Team-Trail
(3 Männer/Frauen/Mixed je Team auf der langen Strecke, jeweils 20, 15,4 und 16,7 km)
Nordic/Walking
(10,7 oder 33,1 km)