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17.07.13 - Trail Verbier Saint-Bernard

Der Sieg über die Aasgeier

Aller guten Dinge sind drei.  2010 musste ich in La Fouly wegen Magenproblemen und Hitzerschöpfung raus, 2011 lief ich eine Woche vorher den Zugspitz-Ultra und der steckte mir noch ordentlich in den Knochen. Am Col de Fenetre verließen mich komplett die Kräfte, ich musste am VP Saint Bernard raus und den Rückweg im Bus antreten. Ein Fluch schien auf diesem Trail Verbier Saint-Bernard zu liegen. Dabei findet er in einer der schönsten Gegenden dieser Erde statt. Diese offene Rechnung gilt es 2013 zu begleichen.

Ich reise am Freitag an und übernachte dieses Mal im Bunker am Centre Sportiv. Das ist eine richtige Grenzerfahrung kann ich euch sagen, aber was tut man nicht alles. Der Bunker ist eine unterirdische fensterlose Anlage mit meterdicken Wänden und mehreren 30cm-starken Türen. Neonlicht gibt dem Ganzen einen schaurigen Endzeit-Charme. Die Lüfteranlage pustet unentwegt und lautstark trockene Frischluft nach innen. Wir teilen uns ein "Wohnzimmer" mit 30 Schlafplätzen. Es ist eng, sehr eng.

Nach dem "Einchecken" (sagt man das bei einem Bunker?) laufe ich erst mal zum Supermarkt, das Abendessen besorgen. Dort treffe ich Niels und Guido, die hatten den gleichen Gedanken. Im Auto packe ich jetzt meine Ausrüstung für morgen und danach geht's zur Startnummernausgabe und Kontrolle der Pflichtausrüstung. Die Läufermesse ist wieder sehr übersichtlich, das Wetter hingegen gigantisch und ich hänge mit Niels und Guido noch eine Weile im Sonnenschein ab. Die beiden wollen es morgen wirklich krachen lassen und legen, zumindest verbal, schon mal Zeiten vor, da lohnt es sich ja gar nicht die Laufschuhe festzuschnüren. Jungs, das macht keinen Spaß mit euch zu laufen, ich habe nur ein Ziel: Ankommen. Bei einer Finisherquote von ca. 60% ist mir das Sieg genug.

 
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Zurück im Bunker treffe ich auch Peter aus der Slovakei, wir kennen uns vom JUNUT, er ist den TVSB schon zweimal gelaufen und jedes Mal in traumhaften Zeiten. Die Nacht in einem 30-Mann-Schlafsaal entbehrt jeder Beschreibung ich erspare euch diese Details, könnte aber mit dem Wortschatz aus der Landwirtschaft, speziell mit dem aus der Viehhaltung dienen. Stundenweise gelingt es mir zu schlafen, aber ab 3 Uhr morgens ist Hochbetrieb. Ich entdecke meine Marotten bei anderen wieder: Schön zu sehen, was die alles mitnehmen und wie jeder sein Zeug akribisch packt. Danach Frühstück im Centre Sportiv und ab zum Start.

 

Start Samstag, Verbier - Place de l'Ermitage (1484m) 05:00 Uhr

 

 
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Der Himmel über uns ist sternenklar, es ist warm, es dämmert bereits und nach dem Startschuss geht's los. Alle stürmen davon, als gäbe es die nächsten 80km keine Überholmöglichkeit mehr und ich muss mich echt beherrschen, um mich nicht mitziehen zu lassen. Erst laufen wir durch das verschlafene Verbier, am Ortsrand führt uns der Weg nach oben. Zunächst als Wirtschaftsweg, danach als klassischer Bergweg. Ich befinde mich in einer Gruppe, die es wie ich auch nicht eilig hat und wir arbeiten uns stetig in Serpentinen nach oben. Immer wieder bekomme ich einen Blick auf das erwachende Verbier und den Nebel in den Tälern, das alleine ist es schon wert, hier zu starten. Oberhalb der Baumgrenze begrüßt uns dann die aufgehende Sonne und legt alles in ein rötlich-oranges Licht. Wir nähern uns dem ersten Etappenziel

 
Croix de Coeur (2192m) 06:54 Uhr, 9,7km


Ich bin schneller als je zuvor an diesem VP, dabei wollte ich es gemütlich angehen. Gut, jetzt aber Beherrschung. Ich fülle etwas Wasser nach und dann nix wie runter vom Berg. Jetzt auf der anderen Bergseite offenbart sich uns der gigantische Ausblick auf das Rhonetal, hinunter nach Martigny. Der Weg wird vom Wirtschaftsweg zum Singletral der ganz üblen Sorte. Ziemlich steil, kleine Tritte, Wurzeln und einen Läufer mit Hoka-Schuhen vor mir, der es mir unmöglich macht zu überholen. Er hat echte Probleme, rutscht, knickt um, fällt hin, eiert weiter. Argwöhnisch sehe ich seinem Treiben und Rumgeeiere eine Zeit lang zu, bis sich endlich an einer Spitzkehre die Möglichkeit bietet, an dieser Gefahrenquelle vorbeizukommen.

Dann wird es wieder flacher, der Weg ist wieder besser zu laufen, wir queren einige Bäche und bewegen uns fortan in einem schattigen Mischwald - endlich Laufen und Strecke machen. Leider müssen wir dann ein ziemlich langes Stück auf einer Teerstraße den Berg hoch. Speedhiken ist angesagt und die Sonne meiden wo's nur geht. Der Streckenverlauf führt uns wieder zurück in die Botanik und wir gelangen nach

 
Levron (1410m) 08:25 Uhr, 21,2km

 
Hier wieder nur das Nötigste auffüllen, einen Snack im Vorbeigehen einschieben und weiter. Dieses kleine Dorf hat was Charmantes und es ist eigentlich zu schade, hier nur einfach durchzujagen. Die malerischen Häuser und die Menschen hier würden Fotomotive ohne Ende liefern, aber ich bin ja nicht zum Vergnügen hier. Ich habe einen Auftrag. Wir laufen runter bis zum tiefsten Punkt des ganzen Rennens, entlang der Dranse de Bagnes. Dieses Wegstück verläuft bis Sembracher flach und  schattenlos dahin, da kann ich es laufen lassen - im Wohlfühlbereich versteht sich. Ein kühler Wind sorgt für ausreichend Kühlung, das war hier auch schon anders. Wir durchlaufen den Ort Sembracher und erreichen jetzt einen gut gefüllten Verpflegungspunkt.

 
Sembrancher (721m) 09:12 Uhr, 28km

 
Ich bin 15 Minuten vor meinem Zeitplan hier und eigentlich viel zu schnell, aber es läuft… Ich fühle mich gut, esse und trinke ausreichend, nehme Mineraltabletten, da ich viel schwitze und mir keinen Einbruch erlauben möchte. Es gibt sogar Bouillon, bei warmem Wetter zwar eher nicht mein Ding, aber ich muss essen. Mein Kalorienbedarf für diesen Lauf liegt deutlich im fünfstelligen Bereich. Als Vegetarier mit Hang zum Veganer ist das Lebensmittelangebot an den VPs für mich allerdings etwas dürftig. Dennoch gestärkt und frohen Mutes ziehe ich weiter.

 Erst führt eine knackige Steigung den Wald hoch, oben angekommen spuckt mich der Wald aus und ich laufe auf der Sonnenseite Champex entgegen. Ich merke aber schon nach ein paar Kilometern, dass irgendwas nicht stimmt. Der Magen macht Probleme. Nicht schon wieder. Es (und mir) ist im wahrsten Sinne zum k…. Bei jedem Schritt meldet sich der Mageninhalt und mir ist speiübel, das kann ja heiter werden. Bis nach Champex ist der Wegverlauf wellig und tendenziell leicht ansteigend. Die Aussicht ist grandios und es könnte alles so gut laufen. Der letzte Anstieg vor Champex ist nochmal ein richtiger Brecher und dann bin ich endlich am nächsten Verpflegungspunkt

 
Champex (1428m) 10:54 Uhr, 37km

 
Hier kann ich trotz der angebotenen Lebensmittel nichts essen, nur Trinken. Ich bekomme nichts runter. Ich habe das so noch nie erlebt, wie hartnäckig sich ein Oatsnack weigern kann, geschluckt zu werden. Das Zeug klebt am Gaumen und droht festzuwachsen. Also lasse ich es, dann halt nicht.

Ich ziehe weiter und laufe ab jetzt in entgegengesetzter Laufrichtung auf der Strecke des UTMB bis nach La Fouly. Zunächst 400 Höhenmeter durch einen traumhaften Wald runter bis nach Issert, danach gilt es bis La Fouly die 700 Höhenmeter wieder gut zumachen. Schon umkreisen mich die ersten Gedanken ans Aufgeben wie Aasgeier einen Kadaver. Ich fühle mich aber auch wie Letzterer. Ich komme nicht mehr so recht voran, muss Tempo rausnehmen und bin völlig kraftlos.

Dennoch stapfe ich tapfer weiter, muss einen Läufer nach dem anderen an mir vorbeiziehen lassen. Der Entschluss, in La Fouly auszusteigen, nimmt feste Gestalt an. Na, dann halt nicht, dann war's das, aber nochmal mache ich das hier nicht, Verbier kann mir gestohlen bleiben.

Meine Energygels für Notfälle verhindern jetzt einen drohenden Hungerast und ich arbeite mich im wahrsten Sinne bis nach LaFouly durch. Ich habe bis hier viel Zeit eingebüßt. Die Cutoff-Zeit liegt allerdings noch in weiter Ferne (15:30). Jetzt kommt mir zu allem Überfluss auch noch Peter entgegen, der wegen Magenproblemen aufgibt und mit dem Bus heimfährt. Er hat fertig. Er hat auch keine Kraft mehr in den Beinen. Wem erzählt der das, mir geht's mindestens genauso bescheiden, halte aber die Klappe und mime den harten Kerl.

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Informationen: Trail Verbier Saint-Bernard
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