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18.10.14 - Transruinaulta

''Patschifig''

Nein, Ruinaulta hat nichts mit mir zu tun. Der aus den romanischen Wörtern „ruina“ und „aulta“ (hoch)zusammengesetzte Begriff beschreibt zwar, wie ich mich körperlich fühle - wie eine 184cm hohe Ruine – bezieht sich aber auf die Gegend, die ich heute zu durchlaufen, zu durchkeuchen und zu genießen beabsichtige. Ruina heißt in dieser Landesgegend Geröllhalde. Eine solche hat sich vor 10‘000 Jahren  bei einem der größten Bergsturzereignisse, dem Flimser Bergsturz, an der Stelle aufgetürmt, an welcher sich mittlerweile der Hinterrhein eine wunderbare Schlucht gefressen hat. Durch diese führt erstmals ein Marathon, der Transruinaulta eben.

Der Transruinaulta ist der jüngere aber große Bruder einer seit Jahren beliebten und immer wieder frühzeitig ausgebuchten anderen Laufveranstaltung durch eine andere imposante Schlucht, dem Transviamala. Erfahrene Organisatoren haben ihr Portfolio ausgebaut und bieten die Möglichkeit, mit der Teilnahme an beiden Läufen um den Titel des Schluchtenkönigs zu kämpfen.

Geplant war, dass ich den Transruinaulta als Egolauf, also ohne Berichterstatterfunktion, ganz für mich und zusammen mit Barbla bestreiten werde. Dann kam der Hilferuf vom Cheffe: „Der vorgesehene Reporter fällt aus, du bist doch auch dabei. Könntest du nicht diesen Job übernehmen?“

Der Zug ins Bünderland ist gut besetzt, dabei ist es Samstag und noch elend früh. Auffallend ist der Kleidungsstil der Passagiere, ein Querschnitt aus sämtlichen verfügbaren Katalogen der Outdoor-Bekleidungsindustrie, dazwischen ein paar noch mehr auf Sport getrimmte Garnituren. Kein Wunder, die Wetterpropheten haben ein Traumwochenende vorhergesagt. Zwei sonnige, warme Tage, bevor das Quecksilber zehn Striche  fällt.

Nach Reichenau-Tamins sind kleine Nebelbänke in den Hängen der Rheinschlucht auszumachen, und je tiefer die Bahn in die Schlucht eintaucht, umso größer werden diese, bis dichter Nebel alles um uns herum einhüllt. Nach dem Aussteigen in Ilanz ist aber zu erahnen, dass die Obergrenze nur wenig höher liegt und sich diese Suppe lichten wird, sobald die Sonne am Firmament etwas höher steht.

Am Bahnhof treffe ich Barbla, die Physiotherapeutin, die mich so überraschend schnell wieder auf die Strecke zurückbehandelt hat. Im Frühjahr haben wir beschlossen, dass ich sie beim Transruinaulta auf ihrem ersten Marathon begleiten werde. Sie konnte dann aber nicht mehr warten und hat den Erstling kurz entschlossen schon im Juli beim K42 aufs Parkett gelegt.

Es ist nur ein kurzer Weg zum Schulhaus, wo die Starnummernausgabe und die Garderoben angesiedelt sind. Das Aushändigen der Unterlagen und die Materialkontrolle gehen speditiv vonstatten. In der kleinen Startertüte sind auch ein faltbarer Trinkbecher (Pflichtausrüstung) und ein wasserfestes A4-Blatt mit Karte, detailliertem Verpflegungsplan und allen anderen wichtigen Informationen. Durchdachte Sache.

 
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Der Start in Intervallen von 5 Sekunden, basierend auf der selbst deklarierten Laufzeit für 10km, beginnt um 09.30 Uhr. Für uns bedeutet das, dass wir noch gemütlich einen Kaffee trinken können.

Die für uns angegebenen Startzeiten verschieben sich nach hinten, da ein paar schnelle Nachmelder sich aus verständlichen Gründen nicht hintenan stellen wollen. Kein Problem, denn mittlerweile scheint die Sonne und es gibt genügend Bekannte, mit denen ich schon lange kein Wort wechseln konnte.
Dann darf auch ich die Steinstufen zum Startpodest erklimmen und werde auf die Strecke geschickt. „Daniel Steiner aus Neuhausen am Rheinfall – aber so weit musst du nicht laufen“, das sind die Worte, welche der Moderator an das Publikum und an mich richtet.

Nach zwei, drei Ecken geht es auf einem herrlichen Trail so los, wie es den Rest des Tages weitergehen wird. Die Beschaffenheit des Untergrundes wechselt immer wieder, wie auch die Aussicht und die verschiedenen Blickwinkel, aus welchen die Landschaft genossen werden kann. Die der Jahreszeit entsprechend tiefer stehende Sonne mag häufig nur die andere Talseite in ihren direkten Schein zu tauchen. Fototechnisch ist das suboptimal, zumindest von der Temperatur her aber problemlos. Ich befinde mich diesbezüglich in der absoluten Wohlfühlzone.

 
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Im hinteren Bereich des Feldes ist es in Sachen überholen und überholen lassen völlig unproblematisch. Da ist ein Haufen friedlicher, freundlicher Genießer unterwegs, die von ebenfalls freundlichen Helfern betreut werden. Obwohl es an der Markierung der Strecke nichts zu bemängeln gibt, sind an potentiell kritischen Stellen – zumindest für Läufer mit Tunnelblick – noch zusätzliche Streckenposten aufgestellt. 

Auf den ersten rund 12 Kilometern geht es mit kleinen Auf- und Abstiegen logischerweise tendenziell abwärts. Bei der Bahnstation Versam muss der Bahnübergang überquert werden. „Verzerrung des Wettbewerbs“ könnte man schreien, falls sich die Schranke einem vor der Nase senken sollte.  Falsch! Auch daran haben die Organisatoren gedacht. Vor und nach dem Übergang sind Zeitmessmatten ausgelegt. Das Rennen wird an dieser Stelle neutralisiert. Käme es bei mir auf ein paar Sekunden mehr oder weniger an, würde ich gleich eine Pinkelpause einlegen. ..

 
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Kurz darauf kommt nicht der längste, sondern der heftigste Anstieg der Strecke. Eine hervorstehende Wurzel bohrt sich direkt hinter dem Zehenschutz in das Gewebe meines sonst noch gut erhaltenen Trailschuhs und meine Sturzprävention führt dazu, dass die Wurzel beim Verlassen des Gewebes einen Riss hinterlässt. Wie heißt die abgedroschene Bewertung für solche Wege? Trail pur.

Auf der Sonnenterrasse Versam ist der nächste Verpflegungsposten mit Aussicht und allem Drum und Dran. Wie heißt es schon in der Bibel: „Hier ist gut sein, lasst uns Hütten bauen!“

Gleich darauf kommt der Abstieg ins Versamer Tobel, dann geht es wieder hoch. Barbla hat auf Abwärtspassagen immer mehr mit Schmerzen zu kämpfen. Sie weiß, was es ist, kann jedoch nichts dagegen tun. Nach über der Hälfte der Strecke, beim langgezogenen Abstieg nach Rhäzüns, stellt sie sich zwangsläufig die Frage, wie sinnvoll es ist weiterzulaufen. So knapp zehn Kilometer würde sie sich noch durchbeißen, wenn sie dann schon im Ziel wäre.

 
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Beim Verpflegungsposten stellt sie die Vernunft in den Vordergrund und entscheidet sich auszusteigen. Wir verabschieden uns voneinander und beim Weiterlaufen treffe ich auf Armin. Mit ihm zusammen bin ich nun ab Km 25 im gleichen gemütlichen Tempo unterwegs.

Es ist abgesehen vom Pech, dass Barbla nicht mehr weiterlaufen kann, ein Traumtag auf einer Traumstrecke. Der Weg ist mal so, mal so, immer Natur. Fünf Kilometer weiter ist der höchste Punkt der Strecke und der dritte mit allen Leckereien verpflegungspunkt erreicht. Mit wie viel Liebe die Helfer bei der Arbeit sind wird zum Beispiel daran sichtbar, dass die Käsestücke nicht einfach irgendwie auf dem Holzbrett liegen. Sie sind so angerichtet, dass damit die typisch schweizerische Anfeuerung „Hopp“  (mit vielen Ausrufezeichen) geschrieben und eine Schweizer Flagge gezeichnet ist.

Auf den folgenden 5 Kilometern werden um die 400 Meter abgebaut. Die Wege, auf welchen dies geschieht, können mit dem gleichen Prädikat wie die vorangegangenen ausgezeichnet werden. Mir gefällt es rundum. Daran können die drei Gegenansteige nach dem Verpflegungsposten bei Km 35 nicht ändern. Die machen sich zwar immer stärker in der Muskulatur bemerkbar, aber begleitet von einem allgemeinen Wohlgefühl.

Zwei Kilometer vor dem Ziel gibt es nochmals etwas Kraftsoff. Gefragtestes Produkt sei die Cola, meinen die beiden Helferinnen und schicken uns mit den besten Wünschen auf den letzten Abschnitt.

 
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Aus dem Wald hinaus geht es in Thusis mitten ins Wohngebiet und in die letzten dreihundert Meter Pflicht nach dieser langen Kür. Asphalt mit leichtem Anstieg heißt dieses Programm, welches ich mit dem Ziel vor dem inneren Augen im Stil des 12-Stundenlaufs noch gut auf die Reihe bekomme. Dann folgt eine scharfe Linkskurve und ein paar Meter weiter unten sehe ich das echte Ziel leibhaftig vor meinen Augen. In einem Bogen um das aufblasbare Bündner Wappentier herum werde ich auf die Zielmatte geführt. Nicht schnell, sondern gemütlich und immer noch längst in der Sollzeit komme ich an. Eben genau so, wie Barbla und ich es von Beginn weg machten: patschifig. So sagt man dazu im Bündnerland und der geneigte Romanist hört daraus, dass damit nicht nur gemächlich, sondern auch friedlich gemeint ist.

Das Finishergeschenk ist mal was anderes als eine Medaille oder ein T-Shirt. So sympathisch wie die ganze Veranstaltung ist auch dieses (auch wenn ich als Vegetarier dabei teilweise in die Röhre gucke). Ein aus Ahornholz in einer geschützten Werkstatt  hergestelltes Schneide- oder Vesperbrettchen mit einem Qualitätsmesser und dazu eine Bündner Fleischspezialität , ein Salsiz.

Was wäre ein Bericht von mir, der nicht mit einer Bemerkung über die Dusche aufhören würde. Diese ist so heiß wie dieses neue Eisen im Laufkalender. Die Verlockung ist groß, mich jetzt schon festzulegen, dass ich bei der zweiten Austragung auch dabei sein werde. Dann allerding mit dem Doppelpack: Am Samstag Transruinaulta, am Sonntag Transviamala.

 

 

 

Informationen: Transruinaulta
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