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21.10.18 - Transviamala

Schluchtenkönigin Teil 2

Einen Tag nach dem Transruinaulta wird der Transviamala ausgetragen. Neben dem 19 km langen Hauptlauf gibt es die kurze Variante mit 11 km, den Juniorlauf mit immer noch 4,4 km (das meiste davon bergauf) und den Kinderlauf. Walker werden extra gewertet. Wer gestern schon den Transruinaulta gemeistert hat und heute noch den Hauptlauf schafft, darf sich „Schluchtenkönig/königin“ nennen; für den Curta gilt dasselbe als „Schluchtenprinz/prinzessin“.

Heute gehen wir es gemütlich an. Start ist ab 10 Uhr in der Neudorfer Straße in Thusis. Weil die Startnummer von gestern noch gilt, sind die Vorbereitungen auch schnell erledigt. Zusätzliche Ausrüstung wird ebenfalls nicht verlangt. Neu ist, dass der Start ebenfalls als Einzelstart durch zwei Tore erfolgt. Der eine Eingang ist für die Läufer des Transviamala und Curta nach ihrer Anmeldezeit, das andere für die Läufer der Kombinationswertungen nach gestriger Einlaufzeit. Wie erwartet starten wir allgemein etwas weiter hinten, ich bin in der letzten Startgruppe.

 

 
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Viele Zuschauer säumen die Straße und feuern uns an. Ich starte zusammen mit Wendel, den ich gestern auch schon getroffen habe. Wir unterhalten uns prächtig, denn eilig haben wir es beide nicht. Nach Verlassen des Ortes geht es leicht bergab und wir erreichen die Via Spluga, den historischen Alpentransitweg, der von Thusis über den Splügenpass nach Italien führt. Vor uns stehen bereits die beeindruckenden Felsenwände der Schlucht. Es geht leicht bergauf und Wendel, als Schweizer, ist hier deutlich im Vorteil. Schnell enteilt er mir. Aber ich bin lange nicht allein. Hinter mir kommt noch ein großes Läuferfeld.

Bei km 1 zeigt sich die Schlucht noch von ihrer einladenden Seite. Die Straße führt hoch über dem Talgrund entlang. Bäume sind rechts und links. Ab km 2 rücken die Wände rechts direkt heran und auch links wird langsam die Schlucht sichtbar, allerdings ist die Straße durch robuste Leitplanken gesichert.

Die Läufer vor mir verschwinden in einem dunklen Tunnel, dem „verlorenen Loch“. Der Weg im Tunnel ist kurz, außerdem hat der Fotograf sein Blitzlicht installiert. Alle paar Sekunden wird es taghell. Die Schlucht öffnet sich und wir streifen das Dorf Rongellen mit seinen 51 Einwohnern, die in weit verstreut stehenden Häusern oberhalb der Schlucht leben. Hier unten gibt es nur die Besenbeiz, ein netter Treff für Wanderer, Mountainbiker und Motorradfahrer.

 

 
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Wir laufen ein kurzes Stück auf der seitlich für uns abgesperrten Kantonsstraße. Über uns führt die stark befahrene Autobahn A13 von Chur zum San Bernadino Pass in einen Tunnel. Streckenposten weisen uns hier hinunter in die Schlucht. Der Weg ist breit und das Gefälle ist gut zum Laufen lassen. Unten angekommen, überqueren wir den Fluss. Ich stoppe auf der Brücke und bin entzückt von den Einblicken in die Schlucht. Wir halten uns rechts auf einem Schotterweg. Bei km 4 gibt es die ersten Getränke und sogar Obst ist im Angebot.

Etwa 500 m lang ist alles gut, dann geht es zum ersten Mal auf einen schmalen Single Trail steil bergauf. Hier ist Überholen fast unmöglich. Zunächst bleibe ich immer wieder stehen und lasse die Eiligen vorbei. So komme ich aber kaum vom Fleck. Ich muss mich einreihen und versuchen, rechts genügend Platz zu lassen. Wieder bin ich neidisch auf die scheinbare Leichtigkeit, mit der die Anderen hier vorbei steigen. Durch die vielen und zum Teil auch recht hohen Stufen gewinnen wir schnell an Höhe.

Ein Helfer warnt vor dem nun kommenden Gefälle. Es geht auch wirklich steil hinunter. Obwohl der Weg mit Steinen und Wurzeln durchzogen ist, lasse ich es laufen. Das Tempo der anderen steckt an. Wir landen von viel Applaus empfangen auf der Kolonialstraße. Hier befindet sich ein Parkplatz,  Schautafeln und ein kleines Informationszentrum informieren über die Schlucht. Kein Wunder, dass sich hier auch Zuschauer eingefunden haben.

 

 
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Zwischen 300 m hohen Felswänden schießt der tosende Sturzbach zu Tal. Für Menschen ist dies eigentlich ein unwirtlicher Ort, wenn hier nicht bereits in früher Zeit die Haupthandelsroute vom Tessin über die Alpen verlaufen wäre. Unglücksfälle wurden einkalkuliert. Daher auch der Name via mala, schlechter/böser Weg. Ein Stück der ersten Straße ist noch zu erkennen und wer genau hinsieht, bemerkt an der gegenüber liegenden Felswand den alten Saumpfad der liebevoll mit stilisierten Menschen und Maultieren ausgestattet wurde.

Wir folgen der Straße durch eine Lawinenverbauung und über eine hohe Brücke. Hier ist die Schlucht ganz eng,  grob geschätzt 5 Meter. Die gegenüberliegenden Felswände kommen dicht heran und unten in der Tiefe kann man das Wasser spritzen sehen.

Bei km 5 verlassen wir die Straße und erreichen nun die eigentliche Schlucht. Zunächst geht es Treppen hinunter dann weiter auf einem schmalen Pfad. Mittlerweile hat sich das Tempo der anderen Läufer meinem etwas angenähert. Ich bleibe nur manchmal an geeigneten Stellen stehen, um Fotos zu machen. Das Laufen in diesem unwegsamen Gelände macht riesigen Spaß, es geht mal rauf mal runter. Dann kommt eine längere Holzbrücke, wo ein Fotograf die balancierenden Läufer ablichtet. Nun wird es steinig und wurzelig, einfach Klasse.

Eine lange Hängebrücke kommt in Sicht. Die Pùnt da Suransuns, besteht aus Granitplatten, die auf zwei Stahlseilen fixiert sind. Sie schwankt, so dass ich gerne langsam drüber gehen würde. Das macht das Ganze aber nicht einfacher und so versuche ich im Gleichschritt mit den anderen zu bleiben. Ich bin froh, als ich wohlbehalten auf der anderen Seite ankomme. Sofort geht es wieder bergauf. Hoch über uns verläuft die Brücke der Kantonalstraße. Die Schlucht wird nun merklich breiter und heller.

 

 
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Eine längere Steigung bei km 7 bringt uns nach oben aus der Schlucht heraus. Der Trail ist aber noch nicht vorbei. Wir befinden uns nun ich einem lichten Wald und es geht immer weiter bergauf. Schon von weitem höre ich das anfeuernde „hopp hopp“ eines Streckenpostens. Als ich näher komme, rufe ich, dass mit hopp hopp bei mir nichts zu machen sei. Er ändert sofort seine Taktik und meint nun: „Alles im eigenen Tempo ist super“. Danke schön.

Der Wald öffnet sich und das breite, sonnendurchflutete Val Schons liegt vor mir. Postkartenidylle pur. Vorne unten kann ich Zillis erkennen. Rechts darüber, allerdings auf der anderen Rheinseite, befindet sich Donat, das heutige Ziel. Ein gemütlicher Wiesenweg führt bergab und ein Gegenanstieg dann bergauf. Oben liegt die VP mit Bouillon, Iso und Tee, Bananen, Orangen, Riegel, km 8. Es geht schon wieder bergab und über eine alte überdachte Holzbrücke, dann bergauf nach Reischen. Ein typisch schweizerisches Dorf erwartet uns mit gepflegten Häusern und engen Gässchen.

Die Straße führt weiter bergab. Bei km 9 zweigen wir auf einen steilen Trail. Die Trennung von Original (Hauptlauf) und Curta, das ist die kurze Strecke, wird hier angekündigt. Sie erfolgt dann im Ort Zillis, wo sich auch einige Zuschauer eingefunden haben. Wir halten uns links, den Berg hinauf. Der trailige und steile Pfad führt an einer alten niedrigen Trockenmauer entlang. Bei km 10 wird der Trail zur Schotterpiste und dann zur asphaltierten Straße. Eine Zeitmessung registriert die Vorbeikommenden.

Auf der Wiese stehen Kühe,  eine davon säugt gerade ihr Kälbchen. Ich kann es bis zu mir schmatzen hören. Die Kuh ist wachsam und beäugt jeden Vorbeikommenden kritisch. Als ich mich kurz umsehe, erkenne ich die ersten Walker hinter mir, wie sie zielstrebig auf mich zusteuern. Ich gebe Gas.

Der nächste Trail bietet abwechselnd Wiese, Erde, geschotterte Flussbette, bis wir bei km 11 wieder auf einem Radweg sind. Ein paar Höhenmeter weiter führt ein schmaler Feldweg oberhalb der Straße wellig dahin. Nett, aber anstrengend. Ich spüre jetzt meine Beine, die von gestern noch nicht wirklich erholt sind. Es geht bergab und unten warten die gutgelaunten Helfer an der VP auf Kundschaft. Zwischen den Riegelstückchen kann ich auch leckere Biberli erkennen. Ich mach kurz Pause.

Das kleine Dörfchen Pignia besticht durch seine alten Bauernhäuser, die zum Teil noch aus Holz sind. Am Ortsausgang ist der Abzweig für die Walker; wir halten uns links. Auf der Ruagn, so heißt die kleine Straße die uns in Halbhöhenlage nach Andeer bringt, ist gut zu laufen, km 13,  die Strecke führt tendenziell bergab und überlebensgroße, geschnitzte Tierfiguren stehen Spalier. Am Ende geht es richtig runter und ich kann im Laufen meine Beine entspannen. Streckenposten weisen mich kurz auf die San Bernadino Pass Straße, dann geht es von hinten nach Andeer hinein, km 14.

 

 
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Mit seinen knapp 1000 Einwohnern ist Andeer der größte Ort im Val Schons. Hier wird der grüne, auch international bekannte Andeer-Granit abgebaut, mit dem z. B. die vorhin überquerte Pùnt da Suransuns belegt ist. Außerdem verfügt der Ort über eine Heilquelle mit einem Mineralbad.

Die Straßen sind leider leer. Hier fand um 13 Uhr der Start des Junior Laufs statt und die Begleiter sind bestimmt schon auf dem Weg nach Donat, um ihre Sprösslinge dort zu empfangen. Ich nehme mit den Streckenposten vorlieb, die mich immer noch anfeuern. Hinter Andeer gibt es noch einmal etwas zu trinken.

Weil ich weiß, dass es nochmals bergauf gehen wird, versuche ich Kraft zu sparen und wechsle auf dem nun eher flachen Stück mit Gehen und Laufen ab. Im winzigen Örtchen Clugin geht es erneut kurz bergab. Helfer weisen aber schon wieder nach oben. Der Kurs der Walker trifft hier wieder auf unsere Strecke. Nun wird es steiler. Hinter dem Ort führen weite Serpentinen durch grüne Almen  nach oben, km 17.

 

 
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Auf halber Höhe kommt eine Gruppe mit Helfern in Sicht. Sie verkünden, dass es jetzt noch eineinhalb Kilometer bergab gehen würde. Ich mobilisiere  meine letzten Kräfte und renne talwärts. Es geht in einer langen Kurve hinunter und über eine überdachte Holzbrücke. Donat liegen unter mir, auch die Lautsprecher sind bereits zu hören.

Hinter einer steinernen Brücke kündigt ein Schild die letzten 500 m an. Konzentriert laufe ich weiter am Ortsschild vorbei bergab. Dann geht es um die letzte Kurve, hier gilt es im Zielkorridor noch eine Brücke zu überwinden. Die Sprecherin begrüßt mich im Ziel, dann wird mir der Chip abgenommen und die „Medaille“ umgehängt. Diese hölzerne Krone bekommen nur Läufer der Kombiwertungen, als Preis für den „Schluchtenkönig/königin“ bzw „Schluchtenprinz/prinzessin“. Außerdem gibt es das Viamala-Fazalet, ein kleines „Säumer Säckli“ mit Wurst, Käse und Brötchen.

Im Zielbereich herrscht tolle Stimmung. Immer wieder laufen Finisher ein. Der Moderator feuert gerade die Kinder beim Lumpazi Lauf an. Das ist Volksfest auf Schweizerisch. Laura ist schon lange da, ihr ist es richtig gut gelaufen. Norbert kann ebenfalls zufrieden sein. Beide sind bereits geduscht und so wenden wir uns zum Essenszelt, um unseren Gutschein für die Zielverpflegung einzulösen. Zur Auswahl stehen Pasta oder Viamala-Pizokels, eine Graubündner Spezialität ähnlich unseren Kässpätzle, aber mit Speck und Gemüse. Wir statten dem großen Kuchenbuffet noch einen Besuch ab und setzten unsere letzten Franken in süße Kohlenhydrate um. Dann geht es mit dem Postbus zurück nach Thusis ins Tal.

 

Fazit:

Das war Klasse! Vor allem die neue, kürzere Kombiwertung finde ich interessant. Man hat die spektakulären Streckenteile dabei, muss aber nicht unbedingt ein Marathonläufer sein. Das Wochenende hat zwischen dem einzigartigen Einzelstart am Samstag bis zum stimmungsvollen Zieleinlauf am Sonntag alles, was ein Trailläufer liebt. Dazu gibt es opulente Verpflegung und gut zu laufende Strecken. Außerdem vermute ich einen guten Draht zum Wettergott. Die Sonne scheint hier Mitte Oktober im Akkord. Die Gastfreundschaft der Graubündner hat uns wieder völlig überzeugt.

 

 

Informationen: Transviamala
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