Immer mehr Läufer treffen mit den Shuttlebussen ein. Da ist der Vater, der 42km, der Sohn, der 105 läuft, da sind Eltern, oder Partner, die die Zeit für Wanderungen oder Sonnenbaden nutzen. Da verbringen italienische Selbstdarsteller die Tage und hängen preisgünstig in einer exotischen Umgebung ab. Laufen wollten die nicht. Schnee-Vorhersage: 0-30 Grad - wir werden überleben.
Bei der Startnummernausgabe wird die Pflichtausrüstung kontrolliert, ohne Vorlage des Originals des ärztlichen Attest auf UTAT-Vordruck gibt es keine Startberechtigung. Selbst für den 26 km Lauf gilt die Pflichtausrüstung des UTMB, schliesslich läuft man im Hochgebirge. Wer das Original zu hause vergessen hat, der kann mit den Shuttle zurück zu einem Arzt nach Marrakech fahren.
Als ich mich von den 105 km auf die 26 ummelde, steht Rachid El Morabity, der Gewinner des MdS 2011 neben mir. Rachid kenne ich aus Zagora, er wohnt in dem Haus neben den Ahansal-Brüdern ( Mohamand Ahansal: 5facher MdS-Gewinner, Lahcen Ahansal 10facher). Die drei Jungs waren Nomaden, zogen dann nach Zagora, um dort zur Schule zu gehen. Damals startete der MdS in Zagora und so liefen die drei einfach einige Etappen ohne Startnummer mit, so wie das in Marokko üblich ist. So wurden sie zu Extremläufern.
Der Zagora-Marathon der Lahcen-Brüder findet am 29.12. statt. Ich habe ein Programm zusammengestellt, das von interAir realisiert wird.
Aus Mitleid mir gegenüber meldet sich Rachid auch für die 26 um. Er laboriert mit seinem Oberschenkel nun seit 2012, als er den MdS abbrechen musste, was ihn aber nicht davon abhält, mit der Metallstange im Knochen, die 26 km am Freitag in 2:32:29 zu gewinnen. Auch der Zweite des UTAT 2012, Dawa Sherpa ist verletzt, also befinde ich mich in guter Gesellschaft.
Vor dem CAF steht ein großes Zelt des Medizinmannes, dort lasse ich mir meine Achillissehne untersuchen. Es dauert keine 10 Minuten, dann nimmt man mir die 26-km Startnummer ab. Laufverbot.
Beim Abendessen gehe ich einzelne Abschnitte mit den deutschen Läufern durch. Philipp hat erstaunliche Infos über jeden Stein des UTAT. Er lebt im Allgäu auf 900 Meter Höhe, für die täglichen Brötchen läuft er ins Tal. Markus No1 hat dreimal den Spartathlon gefinisht, Oliver und Willi kennen fast jeden Trail in Frankreich, der durchgeknallte Stefan hatte für den Badwater damals 50 Dollar gezahlt. Aber Favoritin ist natürlich Trailschnittchen Julia Böttger, Zweite beim Sardona Ultra Trails im September.
In der Nacht erreicht mich eine SMS von Bhutan-Holger, wie denn die Adresse zur Abholung der Startnummernausgabe ist. Ich habe Ohrstöpsel drin und schlafe einen Ultraschlaf. „Danke für die Hilfe!“ lese ich daher auch erst am Mittag.
Also für nächstes Jahr: der Ort heisst L´Oukaimeden, hat nur 20 Häuser, es gibt keine Strassennamen, keine Adresse, 74 km südlich von Marakesch. Taxi für Leute wie Chaos-Holger, die meinen, selbständig (und nicht mit dem stündlichen Shuttlebus) erst zum Frückstück um 4:30 Uhr anreisen zu müssen: 50 Euro. Die Startnummernausgabe ist auf der Wiese der Hochalm, aber nur bis zum Vorabend. Wie Holger es geschafft hat, bei der vorzüglichen Organisation so einen Stress zu veranstalten, ist mir schleierhaft. Er hat es mit einem Essen in Marrakesch wieder gutgemacht.
In der Nacht vorm Start flippen sämtliche Hunde aus, heulen im Einklang mit mir. Stelle fest, dass das Zeltdorf nach der Milchstrasse ausgerichtet ist. Hier schlafen 400 Läufer, erstaunlich ruhig, man sollte aber einen dicken Schlafsack haben.
Ab drei Uhr wird geraschelt, Holger wird in 30 Minuten aus Marrakech eintreffen. Markus No 2 und Brigitte kommen relativ früh um 1 Uhr in Oukaimeden an. Alle sind sehr ruhig und gefasst, sodass ich als Nichtläufer weiterpennen kann. Zeltdorf, Zeltburg, Start, Ziel, Sanitäranlagen, alles in Sichtweite auf der Almwiese. Viele Läufer haben ihr spezielles Müsli mitgebracht, denn in Marokko gibt es traditionell nur Brot/Butter/Marmeladen/Honig, dazu Kaffee, Milch, Kakao oder Tee zum Frühstück.
6 Uhr - gemeinsamer Start der 105 und 42 km. Es ist stockdunkel, und als würde Schnee fallen, so reflektieren die Staubkörner, die von adrenalingepushten Läufern aufgewirbelt werden, das Blitzlicht. Ich reflektiere meinen UTAT-Lauf 2012: DNF und dieses Jahr DNS. Der UTAT wird mystisch.
Dann zieht sich die Prozesssion der Stirnlampen in einer ewiglangen Schlange hinauf auf 3500 Meter Höhe. Vorne die ganz Schnellen, dann der dicke Pulk der Trainierten, danach wäre mein Platz gewesen, da irgendwo, wo nur noch vereinzelte Lampen funkeln.
Ich verziehe mich für ein Frust-Nickerchen ins Zelt. Dort wird es jetzt sehr warm, dennoch ist es erträglich, da die Luft rein und trocken ist. Also, außerhalb des Zeltes.
Ich habe keine Möglichkeit, per Auto für Fotos an einen Verpflegungspunkt zu gelangen. Ilmil, der nächste erreichbare VP, wo ich letztes Jahr aussteigen musste, ist zwar nur 18 km entfernt, aber selbst der schnellste Läufer braucht für diese Strecke 4 Stunden, genausoviel wie das Auto. Eine Rückfahrt wäre erst Freitag möglich. Dann möchte ich doch lieber den Zieleinlauf der Marathonläufer beobachten.
Seit zwei Tagen transportieren nun die Mulikaravanen Ausrüstungsgegenstände zu den Kontrollpunkten (CP), die in einem Abstand von 20 km aufgebaut sind. Immer mehr Material wird in die Berge geschafft. Es ist eine logistische Meisterleistung, was hier für die Sicherheit der Läufer getan wird.
Über verschieden Kanäle werden die Positionen der Läufer per Funk ins CAF übertragen, wo sechs Helfer die Daten in den PC eingeben. Letztes Jahr sind vier Funk-Relaisstationen oben, auf den Bergen im Unwetter weggefegt worden. Geht die Sonne unter, dann steigt in der Sahara, auf der Südseite des Hohen Atlas, die warme Luft empor und zieht vom Meer gewaltige Luftmengen an. Minus 10 Grad und 100km/h-Wind gab es deswegen letztes Jahr für einige Stunden oben auf den Pässen. Als ich den Arzt treffe, der mich letztes Jahr wegen meiner mangelhaften Ausrüstung erst acht Stunden später hinauf liess, danke ich ihm dafür nochmals.
Am späten Vormittag treffen die ersten Marathonläufer ein. 4:51:57 Std brauchen die Gewinner Hamid Idbelaid und Mostapha Morchid Alaoui. Weking, der Flame, der sich unserer deutschen Truppe angeschlossen hat, läuft normalerweise den Marathon unter 3 Stunden, heute unter 6. Chaos-Holger, 10facher Matterhorn-Bezwinger, braucht 12:03 Std. Aber er hatte ja auch eine Chaos-Nacht.
Kurz darauf trifft auch schon der Gewinner der 105 km ein: Arnaud Lejeune (12:49:44), der schon letztes Jahr gewonnen hatte. Passenderweise war er Dritter bei der Diagonale der Bekloppten ( La Diagonale des Fous), La Reunion. Arnaud ist Franzose und wohnt in der Schweiz. Er trainiert nur 8 bis 12 Stunden während der Woche, sein Trainer ist der dreifache Trailweltmeister Julien Rancon. Arnaud nimmt nur an Wettkämpfen teil, die mindestens 100 km lang sind.
Trailschnittchen Julia Böttger (16:36) ist beste Frau und siebte in der Gesamtplatzierung. Da sind die Deutschen doch prozentual gesehen die beste Nation, und wir dementsprechend stolz auf unser Schnittchen.
In den nächsten 23 Stunden laufen die restlichen 105 km-Läufer ins Ziel, bis morgen abend 18 Uhr ist das Ziel geöffnet.
9 Uhr Start der 26 km. Die Kombi 42 km am Donnerstag und 26 km am Freitag ist begehrt. Doch sehr vielen Läufern reichen die 26. Herausragender Gewinner ist Rachid El Morabity in 2:33.
Der letzte Läufer der 26 km trifft nach 7:31 Std ein, da sind immer noch viele der 105 km Läufer unterwegs. 4x4-Wagen treffen mit abgekämpften Kriegern ein, aber es sind insgesamt nur 24 und niemand musste in diesem Jahr per Muli aus den entlegenen Tälern transportiert werden.
Der Belgier Stephen wird letzter Läufer der 105 km, mit 34:52 Stunden (Limt 36 Std) werden, ihn musste ich letztes Jahr bei km 68 ziehen lassen und 8 Stunden Wetterpause einlegen. Dort also wäre meine diesjährige Platzierung gewesen.
Ich werde definitiv nächstes Jahr wieder hier antreten. Es gibt keinen exotischen Lauf, bei dem man sich so gut um den Läufer von Ankunft am Flughafen bis Abflug kümmert. Und wo bekommt man noch 5 Tage Urlaub mit Unterkunft, Essen und 105km-Lauf für 270 Euro?
Hoffe, Euch begeistert zu haben. Der Lauf ist ein Brett!
1. es gibt kaum einen technisch anspruchvolleren Trail. Selbst die 26 km sind extrem
2. Die Einsamkeit in den baumlosen Gebieten, die psychisch einiges abverlangt, gerade in der eiskalten, sternenklaren Nacht
3. die ewig langen, zermürbenden, gnadenlosen Anstiege hoch zu den Pässen, die steilen Abstiege, die ein (Normal)läufer nicht laufen kann
4. Die Höhe: durchgehend in 2650-3600 Metern, extreme Temperaturunterschiede
5. Verpflegung: nur alle 20 km, also etwa alle 4-6 Stunden. Wasser, Cola, Nahrung bei km 20, 68 und 86.
6. Eine heroische Landschaft, die jede Minute zum Stop, Staunen und Fotografieren zwingt und dir den Atem raubt
Siegerliste
105 Km (3.-4.Okt):
Männer
1.Lejeune, Arnaud (FRA)12:48:44
2.Molin, Ivano (ITA)14:08:04
3.Delebarre, Vincent (FRA)14:10
Frauen
1.Böttger, Julia (GER)16.36:14
2.Martinez Urruzola Nerea (ESP)17:11:08
3. Rozenberg, Sandrine (BEL) 23:02:23
42 Km (3. Okt) :
Männer
1.Idbelaid Hamid (MAR) 4:51:57
2.Morchid Alaoui Mostapha (MAR) 4:51:57
3. Lenormand Guiellaume (FRA) 4:55:18
Frauen
1. Negro Sylvie (FRA) 5:51:37
2. Rousett Melanie (FRA) 6:02:17
3. Perche, Susanne (FRA) 6:39:59
26 km ( 4.Okt)
Männer
1. El Morabity Rachid (MAR)2:32:29
2. Kemissa Abderahim (MAR) 2:35:37
3. Ait Tazarte Abdalla (MAR) 2:39:46
Frauen
1. Negro, Sylvie (FRA) 3:29:06
2. Rousette Melanie (FRA) 3:29:07
3. Mey, Celine (FRA) 3:47:18
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