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03.10.14 - Ultra Trail Atlas Toubkal (UTAT)

Geniales Laufabenteuer im Hohen Atlas

Die letzten Tage waren recht stressig, der Herbst macht sich mit Nebel und kühlerer Luft bemerkbar, der Flug ist ziemlich laut, die Gedanken gehen quer Beet.

Marrakesch, kurz vor 19 Uhr. Mein Gepäck bahnt sich seinen Weg durch die Kofferschar am Gepäckband, die Euros sind in Dirham getauscht, meine letzten Schritte vorbei am Zöllner, hinaus über die Ankunft/Abflughalle ins Abendlicht bei unheimlich angenehmen 28°Grad. Nun ist sie da. Die Zeit. Die Zeit zur Entschleunigung beim Ultratrail Atlas Toubcal, kurz UTAT.

Ich treffe am Empfangszelt der Organisation ein. Bonjour and Hello, die Deutschen sind da. Ja, die Weltmeister sind da. Weltmeister sind wir, in allem. Aber hier in Marokko lernen wir das weltmeisterliche Entspannen, Improvisieren, oder einfach nur die französische Gelassenheit. Und was soll ich sagen: Es funktioniert auch. Vor vielen Wochen hatten wir den letzten möglichen Busshuttle um 18 Uhr reserviert, jetzt ist es 18:45 Uhr. Aber kein Problem sagt uns Morgane vom Empfang, nehmt euch Wasser, setzt euch, es kommt noch ein Bus, oder zwei... Wann? Achselzucken. Entschleunigung! Er kommt auch wirklich; je entspannter wir sind, desto mehr können wir das Ambiente genießen. Der Busshuttle nach Oukaimeden dauert ca. 90min und ist abenteuerlich schön.

 
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Die Dunkelheit frisst die Aussicht auf das Land auf, und so können wir nur im Scheinwerferlicht des Busses sehen, welch atemberaubende Landschaft sich hier verbirgt. Ankunft in Oukaimeden auf ca. 2600mtr. Unser Eldorado für die nächsten 4 Tage. Essen, Schlafen, Starten, Finishen, Freundschaften schließen, Quälen, Schnappatmung. Hier lernen wir unser „Ich“ besser kennen. Back to the Basics.

Wir beziehen das uns zugeteilte Zelt. Eingeteilt im 4-Mann-Zelt, belegt mit 5 Personen, aber wiederum in zwei verschiedenen Zelten. Fragezeichen auf der Stirn? Französische Excelliste, wenig Englisch, aber es klappt doch irgendwie und wir landen bequem zu dritt im 4-Mann-Zelt. Geht doch.

Der Wind heult und nebenan auch die Hirtenhunde. Es ist stockdunkel und wir bahnen gegen nunmehr Mitternacht unseren Weg zum Essenszelt und zur CAF-Hütte zum Wasserkauf. Wo sind wir hier und wie sieht es um uns herum aus? Diese Fragen stellen sich mir. Ich bin zu müde und verschwinde in meinen Schlafsack. Komforttemperatur +7°C, steht auf dem Label des Schalfsackes, aber ich friere wie ein Schneider und ziehe mehr an als ich vorhatte.

Mit dem Morgengebet um 6 Uhr verschwinden die jaulende Hunde, an Kindergeschrei erinnerndes Ziegen-Gemecker und der tobende Wind. Kurz vor Sonnenaufgang der erste unwirkliche Blick nach oben: Was für ein Sternenhimmel? Unglaublich intensiv. Toilettengang und Zähneputzen. Wieder der Blick gegen den Himmel: Was für ein Farbenspiel bei Sonnenaufgang. Unwirklich, bombastisch. Jetzt bin ich angekommen. Die Nacht ist vergessen. Ich bin in meinem Abenteuer gefangen. Die Blicke gehen 360° umher und entdecken immer mehr Sachen, welche meine Augen noch nie gesehen haben. Berberdörfer, jede Menge Gipfel über 3000mtr Höhe, unendliche Weiten.

 
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Zeit für einen Minztee im Frühstückszelt. Daunenjacke, Mütze ist Pflicht, ergattert man keinen der wenigen Plätze am Heizstrahler im Essenszelt. Frühstück und Zeit, ein hohes Gut. Treffen mit Lauffreunden, Smalltalk. Was machen wir jetzt? Zeit haben. Akklimatisieren, Wandern, Photoshooting, Treffen in der alpinen Skihütte des französischen Alpenvereines CAF zum Espresso oder wieder zum Minztee.

Kein Wifi, kein Businesstalk, kein sinnloses Telefonieren (die Telefongebühren sind horrend). Die Sonne brennt schon nach kurzer Zeit vom Himmel herunter und warnt schon mal die Teilnehmer vor morgen am Raceday. Ihre Kraft kann erdrückend sein. Der Tag vergeht wie im Fluge. Die Tee-Menge gleicht der Strichliste auf einem Kölsch-Bierdeckel. Es sind schon die ersten Bekanntschaften geschlossen worden, sind doch bei der sechsten Ausgabe des UTAT schon 20 Deutsche und 6 Österreicher vertreten. Yes, Platz 2 in der Nationenwertung der Teilnehmerzahlen. Weit vor den Spaniern und Italienern. Ich freue mich. Quantensprung, gegenüber den 6 Deutschen im letzten Jahr.

Nun steigt aber die Anspannung immer mehr, da gegen Abend das Briefing wartet. Der Veranstalter hat aus der Kritik vom letzten Jahr gelernt und hält ein zweisprachiges Briefing für die Läufe 105km und 42/26km. Französisch/Englisch wird angeboten, wobei das französisch sich besser anhört als das englische mit irisch-schottisch-walisischem Akzent. Hard to understand. Aber es gibt ja noch Erklärungen und intensiven Austausch an den deutsch-österreichischen Tischen beim Abendessen. Wir sind beste Freunde geworden. Zwei Nationen – eine Sprache. Alle sind bestens bedient.

Es geht zum 2.Teil der Entspannungsreise. War der erste Tag zum Herunterfahren - kommt nun das Highlight am zweiten Tag. Das Rennen. Aber ist es ein Rennen? Nein. Das ist mehr. Das ist ein Abenteuerlauf. Mit wenig zu vergleichen. Ein Augenschmaus. Ein Orgasmus für die Augen. Bilder, wie sie in den Alpen nirgends zu sehen sind. Und die Bedingungen - traumhaft. Zwischen 10 und 20°C am Tage, je nach Höhe. Morgens noch orkanartige Böen, nachmittags Windstille, Sonne pur, intensiv blauer Himmel. Keine schattenwerfenden Bäume. Nur Steine, Schotter, Wege, Staub. Und dazwischen: traumhafte Oase, sattgrüne Plantagen der Berberdörfer.

 
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Der Start um 6 Uhr ist für alle 42+105km-Läufer gleich. 15min vor dem Start ist noch nicht viel zu spüren von Hektik, aber 5 min später boxt der Papst. Ludo und Seb heizen der Meute ein. Ein Gemisch aus Pop- und orientalischer Musik fetzt durch die Ohren, Blitzgewitter der Fotoapparate, Videoaufnahmen, Stirnlampen schwenken hin und her, ich wünsche meinem Laufpartner und dem daneben alles Gute auf der Reise, trois-deux-une - los.

Millionen von Sterne am Firmament, 280 Stirnlampen, ein Weg, ein Ziel. Die Reise zum Ich beginnt. Was uns erwartet, wissen wir nicht. Die Kraft scheint gerade unendlich groß, haben wir doch alle bestens trainiert für den läuferischen Höhepunkt des Jahres. Die ersten 10km ziehen wir durch, kraftvoll von 2600 über dem Meeresspiegel auf 3000mtr. Die Luft wird dünner, der Pulsschlag höher. Beginnt der Magen zu rebellieren? Ich weiß es nicht. Ich muss hinter einen Busch, aber Büsche gibt es nicht. Dafür orkanartige Böen, gefühlte Windstärke 10. Das kann nicht gut gehen. Es geht steil und regelmäßigen in Schlangenlinien bergab. Große Steine, überdimensional groß, ersetzen den Busch. Erlösung.

Rasant verlieren wir an Höhe und werden in eine andere Welt katapultiert. In die der Berberdörfer. Die Welt der großen, staunenden Kinderaugen. High-Five oder nicht high-five mit den Kids. Das ist die persönliche Frage jedes Einzelnen bei den Hygieneverhältnissen. Wie hat es jemand auf FB passend geschrieben: Linke Hand zum Essen, rechte Hand zum Po. Der Kilometer 19 empfängt uns mit den Markierungsschildern 42km-blau rechts / 105km-rosarot links ab. Der Marathon nimmt nun rasant an Fahrt auf. Oder soll man sagen: „Es wird rasant langsamer“.

Nach dem ersten VP warten ca. 1200 Höhenmeter darauf, auf ca. 8km steil erklommen zu werden. Die Erlösung auf über 3100mtr – unglaubliche Aussicht, unendliche Weite, geniale Bilder für die Augen, Kamera raus und Bilder für die Hausnachbarn machen. Das erlebt nicht jeder. Die Marathonzeit ist schon lange Makulatur. Und wer sich etwas ausgerechnet hat, dem wird spätestens hier klar: meine Zeit ist mir egal. Ich möchte das hier nur lange erleben dürfen. Ein deutsches Ehepaar geht zusammen die Challenge hier an, Transalpine-erfahren, 4Trails abgerockt, ab hier werden gemeinsame Erlebnisse ins Gehirn eingebrannt und gegenseitig Tränen getrocknet. Das ist es, wovon ich schwärme. Lebensfreude beim Laufen finden. Grenzen ausloten und doch noch Kraft haben, die Eindrücke zu genießen. Die Entschleunigung ist auf dem Höhepunkt.

Über VP2 bei KM32 und 600mtr Downhill geht’s zum Schlussakkord auf den finalen Pass auf ca. 3000mtr bei KM37, ein Blick über die Schulter zeigt nochmals den gigantischen Hohen Atlas und das Dorf Imlil. Laufzeiten im Mittel von 8-9 Std lassen die Schwierigkeit des Marathon erahnen. Oder haben alle Läufer die Aussicht extrem genossen? Die ultraharten Läufer dürfen noch bis KM30 laufen um das erste Mal eine Verpflegung zu erhalten. Wasser und getrocknetes Obst oder Bananen. Tage zuvor wurde lange getüftelt, überlegt.

 
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VP1 liegt bei KM30, VP2 bei 68. 38km rein rechnerisch, ca. 8 Stunden Laufzeit rein praktisch, bei diesem Höhenprofil. Wasser, Wasser, Wasser. Die Zauberformel gilt es umzusetzen. Mehr Wasser in Trinkflaschen, Trinkbeutel oder ähnliches oder zwischendurch Bachwasser aufnehmen und mit der Micropur-Tablette entkeimen lassen. Viele Taktiken. Ich erreiche KM30 gegen 10 Uhr, die nächste Verpflegung kommt bei mir gegen 17-18 Uhr, oder später. Spannend, neu, vielfältig, reizvoll, herausfordernd. Traumhafte Bilder kommen an jeder Ecke, an jedem Pass vor die Linse.
 
Eine Impression jagt die andere. Dann ein wahrliches Highlight in dieser Einsamkeit. 4-6 Berberjungs bieten Cola, Fanta und Wasser an. Yeah! Wer Kleingeld hat, dem entgeht das aufwendige Wechselprozedere, die Jungs können schnell 10 + 10 Dirham (10 Dirham = ca. 1 Euro) zusammenaddieren. Aber 100-80 Dirham? Das kann schon mal längere Diskussionen hervorrufen. Oder ist das gewollt? „Hoffentlich rennt der Läufer entnervt gleich weiter, ohne Wechselgeld“, denken die sicherlich. Ich überlege, wer cleverer ist. Aber egal, ich habe meinen Spaß, meine Cola und mein frisches Wasser. Wer nur 100 Dirham als Schein hat, findet auch eine Lösung und bezahlt z. B. für seine Laufkollegen mit, man verweilt einen Moment, der Rest ist Trinkgeld.

 
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Der Weg wird zäh, die Luft dünner, die Sonne heißer. KM49,5 auf ca. 2300mtr mit gleichzeitiger Cut-off- Barriere wartet. Idyllisch, unglaublich beeindruckend, der tosende Bachlauf lädt zum Verweilen ein. Zu schön um wahr zu sein. Der Kontrollpunkt liegt autonom im Irgendwo und wurde einen Tag vorher mit einigen Maultieren, 5 Berbern und 3 Franzosen eingerichtet. Jean-Luc ist einer der über 60 freiwilligen Franzosen, welche alle zusammen über eine Woche für den Lauf Urlaub nehmen und ihre Freizeit für uns aufbringen. Genial und super freundlich. Halbzeit und der Spaß fängt nun erst richtig an. Die Augen schweifen weg vom Bach, 360° Rundumblick. Wo geht’s lang? Ohhh, da soll der Weg sein?

3km und 700 Höhenmeter, rauf auf über 3000mtr, zum zweiten Mal über diesen Wert. Schnauf, die Luft wird dünn, und die Beine sind doch nicht mehr so frisch wie bei KM10. Meine Laufpartnerschaft wird jäh gesprengt. Meinem Partner geht’s nicht gut. Übelkeit, Brechen, alles kommt raus, 1-2-3…., Ende aus, fertig. Der Geist gibt auf. Der Körper ist zu matt, zu viel verloren an Flüssigkeit, er verweigert alles an Nahrung. Unmöglich, im Moment weiterzugehen. Respekt vor der Aufgabe, Respekt vor dem Mut und der geistigen Vernunft. Aber nun? Wo geht’s nach Hause? Nichts, keine Chance. Der Doc sagt: „Du bleibst hier, schlafen, ausruhen, morgen bauen wir ab und gehen alle zurück zum Punkt KM30“. Ohhh. Ahhh. Selbstrettung.

Und nun kommt die Pflichtausrüstung voll und ganz zum Einsatz. Oft diskutiert, oft Auswege und Alternativen gesucht. Ich habe persönlich immer alles dabei, mehr als genug. Alle anderen auch? Wie bekommen die das ganze Zeug in den 3ltr-Rucksack. Unverständnis. Wir liegen zusammen im Zelt bei Kontrollpunkt PC5, trinken Tee. Mein Partner ist sehr betrübt, aber die Entscheidung steht, die Startnummer ist beim Doc, er ist aus dem Rennen, aber noch immer mittendrin. Was wir beide zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wissen: Das wird die erlebnisreichste Wanderung seines Lebens werden. Und prägend für alle seine weiteren Läufe. Er wird es bei seinem Lebenstraum UTMB irgendwann mal wieder aus dem Gedächtnis kramen.

 
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Wir trennen uns, wehmütig, aber absolut sinnig. Zurück auf der Strecke schwirren die schrillsten Gedanken in meinem Kopf. Ich fühle mich stark, absolut präsent, gleichzeitig aber auch den Wunsch, etwas ganz anderes zu machen. Irgendwo einen schönen Platz suchen, Vespern, die Läufer beobachten, diese wunderbare Gegend anschauen, die Zeit Zeit sein lassen. Ich habe alle Zeit der Welt – keine Gruppe mehr, keinen Laufpartner, ich bin alleine. Ein Blick auf die Uhr bringt mich doch wieder in den Wettkampf und in die Rechenspiele: In zwei Std wird es dunkel, es kommen 12 Std Laufen in der Nacht, es wird frisch, ich könnte doch noch meine Zeit aus 2013 einstellen und zwei Std Rückstand einholen. Ok, die Renntaktik steht: Tempo erhöhen, mehr Risiko auf den Downhill, keine Stehpausen, außer an den VP’s, und ich will so zügig wie möglich ins Ziel, um per Funk mit Hilfe des Organisators mit meinem Laufpartner in Kontakt zu treten.

Eine halbe Stunde vor Beginn der Dämmerung erreiche ich VP2 bei KM68. Den ganzen Tag trinke ich schon an meinem 1-Liter Vitargo-Elektrolyt. Nun gibt’s endlich handfestes: Gekochte Kartoffel, zwei Teller Nudelsuppe, Cola, ein paar getrocknete Aprikosen und Rosinen garniert mit meinen Myvitargo-Salztabletten. Beinlinge, Armlinge und Mütze mit Lampe anziehen. Es kann nun richtig losgehen. Das Abendprogramm in den nächsten 6 Std besteht aus: 6km Aufstieg von 2600mtr auf 3100mtr, Downhill, 5km Aufstieg von 2800mtr auf über 3600mtr, Downhill auf einer Länge von ca. 3km und einem Höhenverlust von sage und schreibe ca. 1600mtr. Dieser Downhill ist wirklich etwas Beeindruckendes, nach immerhin ca. 18 Laufstunden und zur besten Zeit um Mitternacht. Heute fliege ich förmlich hinunter und treffe bei Kontrollpunkt (PC)11 auf Siggi Fischer. 2xTee mit Zucker für mich bitte und kurze Erholung für die Oberschenkelmuskulatur.

Der folgende Weg nach Imlil kann auch zermürbend sein, weil es nie eben wird. Extrem staubig und ruppig geht’s weiter. VP3, nach einigen Irrwegen in Imlil, erreiche in gegen 2:oo Uhr nachts. Ein ganz toller Teller mit trockenen Nudeln erwartet mich. Auf mein Nachfragen, ob es ein wenig Tomatensoße gibt, bekomme ich den Salzstreuer gereicht. Ich vergaß. Letztes Jahr war es genauso. Wie konnte ich dieses Luxusessen vergessen? Damals hatte ich mir noch Brühe als Garnitur geben lassen.

Weitere Rechenspiele beginnen. Meine Taktik und der Laufrhythmus zahlen sich aus. Ich habe nun in 9 Std Laufzeit 2 Std gegenüber meinen Zwischenzeiten aus 2013 aufgeholt und könnte mit einer Zielzeit vor Sonnenaufgang um 7 Uhr rechnen. Trockene Nudeln und Salz mit Sprite runtergespült, herrlich. 10min Pause. Das Ziel ist verhältnismäßig nah, die Luft ist wärmer geworden, aber es liegt noch ein mental schwieriges Stück vor mir. Auf und ab, immer wieder, ca. 1600 Höhenmeter verteilt auf die restlichen 17km, tief in der Nacht, Dreck und Gestank durch die Randbezirke von Imlil, die Schönheit der Umgebung wird durch die Nacht geschluckt. Ich ziehe hinter den vereinzelten Lampen auf den Serpentinen weiter. Wie können 500 Höhenmeter so irrsinnig lang werden?

Weiter, weiter, ich will nun aufhören. Irgendwas stört mich, irgendwas will nicht mehr. Was macht mein Kumpel nun irgendwo da hinten im Hochgebirge? Weiter, ich muss ins Ziel, um es zu erfahren. PC13 bei KM98. Die nette Dame sagt, es sind nur noch7km und ca. 1000 Höhenmeter. „You look tired“ meint sie. Ach was. Natürlich sage ich ihr, dass es mir blendend geht. Weiter. Unendliche Schlangenlinien als  Aufstiegspfade, irgendwo am Himmel ein heller Stern, er kommt und geht. Fehlanzeige, irgendwo  in diesem Weltall ist eine Kopflampe auf den Serpentinen unterwegs. Das kann doch nicht sein, so weit weg. Schlussfolgerung: Da muss ich auch noch hin. Ich bin mental down. Hinsetzen, Ausruhen, Augen zu machen. Ist das schön. Nochmal und nochmal. Sekundenschlaf, wie bist du schön.

Ich schrecke hoch, ein helle Kopflampe nähert sich mir, nix wie weg, weiter. Ich gebe Gas, das Ganze muss jetzt beendet werden. Der Drehwurm auf dem Anstieg lässt nach und der lange, schräg am Hang liegende Ziehweg kommt. Ich weiß wieder, wo ich bin. Ein Blick auf die Uhr bestätigt mich, es wird knapp mit sub25, Tempo erhöhen - bergauf. Der Pass, die Kante, kein Sonnenaufgang, die Zeltstadt, Oukaimeden, die im Wind wehenden marokkanischen Flaggen, ein letzter Downhill, ich erreiche das Ziel um 6:53 Uhr. 24.53 Laufzeit für 105km und +/- 6500 Höhenmeter, 3 Pässe über 3000mtr und 1 Pass über 3600mtr und ich werde grandios in der beginnenden Dämmerung  empfangen.

Cyrille und Ludo umarmen mich. Meine Freunde Günter und Willi begrüßen mich. Was für eine nette Geste. Stefan ist da. Ich falle Willi um den Hals und die Emotionen gehen ihren Weg. Was für eine Nacht, was für Gefühle, welch ein Wettkampf. Ich bitte Cyrille um Kontaktaufnahme zum Doc bei PC5 und wenige Sekunden später bekomme ich lächelnd die Information: „Your man is ok, he is walking with all volunteers on the track“. Prima.

Ab zum Frühstück, zur Dusche und zu einer himmlischen Massage bei den Physiotherapeutinnen. Nach 3 Stunden geht es mir äußert gut und ich kann alles weitere hier genießen. Start der 26km Läufer, Volklore-Tanzgruppen, Pferdespektakel, Laufgespräche, Minztee, Erlebnisse austauschen. Entschleunigung.

Mein Laufpartner erlebt das Abenteuer seines Lebens. Nach 2-3 Stunden Erholung bei PC5, wandert er mit dem Besenwagen-Läufer zu PC6, übernachtet dort ca. 3 Std und baut am nächsten Morgen die Verpflegungsstelle 6 ab. Maultiere, Berber kennenlernen, Wanderung bei Tageslicht über 3600mtr nach Imlil kommen ihm wie ein Traum vor. Bekanntschaften, visuelle Begegnungen mit Land, Leute und Landschaft werden ihm unvergesslich bleiben. Per Taxi geht’s für ihn zurück – Ankunft nach ca. 37 Std – ein Laufabenteuer eben, auf die andere Art und Weise, aber prägend und im Nachhinein schön.

Die Abrundung des sehr langen Tages findet mit Siegerehrung, 4 Gänge-Menü und Smalltalk mit allen Freunden statt. Ein letztes Mal in den Schlafsack kuscheln, bevor es am Samstag für 30 Std nach Marrakesch geht. Orientalische Tage gehen exquisit zu Ende. Eine traumhafte Entschleunigungskur wie sie besser nicht sein könnte. Danke für dieses Erlebnis, Danke für diese Freundschaften. Im nächsten Jahr bin ich zu 100% wieder dabei. Au revoir. A bientot.

Bis zum nächsten Mal am 01.Oktober 2015

Einmalige und geniale Videos vom Veranstalter sind unter www.atlas-trail.com zu sehen.

utat.ger@atlas-trail.com

 

Informationen: Ultra Trail Atlas Toubkal (UTAT)
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