Die Truppe muss sich trennen. Die Medizinmänner vom PC6 und PC 6.5 bleiben bei Robert, die Mutter von Medizinmann PC6 begleitet uns. Ihr drücke ich nun meine Startnummer in die Hand, habe dieses Steineumdrehen satt, will weiter, will finishen, auf eigene Faust.
Einsam erreiche ich den höchsten Punkt der Strecke, Tizi n `Tarharate, PC 7, auf 3500 Meter Höhe. Der Platz ist leer, man hat uns 4 Flaschen Wasser hinterlassen. Bier wäre mir lieber gewesen. Würde mich nicht wundern, hier unter einem Stein den Abschiedsbrief von Robert Falcon Scott zu finden. Die gesamte Station ist heute Nacht weggefegt worden, weswegen es keine Verbindung mehr gab. Grotesker Anblick einer evakuierten Station.
Vernunft? Beim Joe? Meine Träume haben mich gebremst, ich haben selten Angst, aber wenn, dann bin ich raus. Mit meiner Ausrüstung hätte ich die minus 10 Grad im Schneesturm hier oben nicht überlebt. Über mir der Berg Azrou-n-Tamadot (3664), gegenüber der Toubkal. Ich bin dankbar dafür, Angst noch respektieren zu können.
Ich hatte gedacht, ich könnte auf der anderen Seite wunderbar hinunter laufen nach Imlil. Dachte, die nördliche Seite wäre wie die südliche. Aber da reißt mir der Wind die Brille weg. Demut vor der Natur auf allen Vieren. Nachrichtensperre, denn fast sämtliche Besitztümer sind im steinigen Hang geblieben. Unten angekommen, stehe ich lachend vor einer Quelle (unglaubliches Foto eines kleinen Wasserfalles) und wasche mir den Staub aus den Haaren. Für alle, die nach mir kommen werden: Nachrichtensperre aber ganz, ganz großes Grins, denn das hier ist der Hit!
Ein Muliführer kommt mir entgegen: Ob dies der richtige Weg sei, denn dort oben wäre jemand den Abhang hinunter gestürzt. „Ja!“, sage ich, aber er käme nur bis zur Quelle, den Rest schafft das Maultier nicht. Mir doch egal!
Den Ort Aroumd lasse ich links liegen, eine Kuppel aus Schnee erinnert mich an Ischgl. Es ist unglaublich heiß, und ich kann immer noch nicht laufen. Erst dort unten, ca 3 km vor Imlil, km 88,5 (1740 m) kann ich endlich wieder laufen. Ein Trail der in Deutschland als „ anspruchsvoll“ bezeichnet würde.
Maultier-Karawanen kommen mir entgegen. Ich quatsche mit den Führern, die halten mich für einen Halbgott. Nur nicht die Viecher mit ihren ausladenden Gepäckträgern. Ich sehe noch den Altitalia-Aufkleber an der Tasche seitlich des Maultieres, da rammt mir das Vieh seinen Gepäckträger in den Brustrucksack und ich bin einige Niveaus tiefer. Das Witzige an einem Trailläufer ist, dass er sich den Dreck aus den Haaren schüttelt und benommen weiterläuft. Seine Frusttränen kann niemand sehen.
Touristen auf Maultieren. Ich könnte Kotzen. Es ist vorbei, definitiv vorbei, nicht mehr meine Trailwelt.
14:30 Uhr. Brice, der Chef, steht im Flussbett, wartet auf den Krankentransport. Er gibt mir keine Chance mehr für ein Finish. 6 Stunden wären es noch für die 18 Kilometer nach Ouikamaiden. Ich muss ihm glauben, laufe aber weiter. Er lacht mir breit hinterher.
Marrakesch yes, Oukaimeden yes, Ilmil no!“ Ich feiere meine 88,5 Kilometer mit Fanta und Cola, dabei ist Ilmil der touristische Ausgangspunkt für die Touren auf den Toubkal.
Achmed erkennt seinen Bruder auf den Fotos, lädt mich zum Essen ein. Hände waschen! Denn mit rechts wird das Fladenbrot in das Tanjerine getaucht, dann zerbröselt er mit der rechten Hand das Fleisch, schiebt mir die größten Stücke zu. Ich glaube nicht, dass er gesehen hat, dass ich weine.
Der Trail über den Tizi n´Oukaimeden geht wieder über die 3000. Mein Proviant, den ich hier hinterlegt hatte ist weg, denn der PC (Point Controllé) ist geschlossen. Sechs Stunden ohne Verpflegung ist riskant, würde ich aber machen. Doch der kalte Wind, der in 4 Stunden über den Pass fegen wird, macht mir Angst.
Ich hatte eine liebe Finisher-Party mit Achmed und seinen Freunden, die mir die Nike Free abtauschen wollten. Ich habe fertig. Nach zwei Stunden kommt Brice mit dem 4x4. Es gibt keine andere Straße.
Es war der größte Lauf meiner Karriere, Dawa gewinnt heute, letztes Jahr hatte er aufgeben müssen, so wie ich heute. Er schüttelt mir lachend die Hand: „ Joe! Das nächste Jahr bist du auf Platz eins!“ „Inshalla!“
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