Es ist erst acht Jahre her, dass der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB) das Licht der Läuferwelt erblickte. Aber diese Zeit genügte, um zum neuen Stern am Ultraläuferhimmel zu avancieren.
Den Machern des UTMB ist es gelungen, innerhalb dieser acht Jahre eine Veranstaltung zu etablieren, die einerseits härter ist als (fast) alles andere, was man in Europa läuferisch erleben kann und die dennoch Teilnehmermassen in den Bann zieht wie kaum ein anderer Lauf. Schier unglaublich ist, dass die seinerzeit 2000 Startplätze des 166 km langen Hauptlaufs 2007 binnen 10 Stunden nach Öffnung der Online-Anmeldung vergeben waren und 2008 binnen 7 Minuten (!) 2.000 Anmeldungen vorlagen – und das viele Monate vor dem Start.
Seit 2009 ist man dazu übergegangen, diesen Run auf die Startplätze ein wenig abzufedern. Dem Beispiel des New York Marathon folgend werden seitdem die Plätze, soweit die Anmeldungen in der Anmeldephase das Limit des jeweiligen Laufs überschreiten, verlost. Vier Läufe stehen auch 2010 zur Auswahl: Da ist zunächst der sogenannte CCC als „einfachste“ bzw. abgekürzte Variante des UTMB mit einer Streckenlänge von 98 km und 5.600 Höhenmetern (HM) und einem Limit von 1.800 Teilnehmern. Die nächste Härtestufe bildet der „Sur les Traces des Ducs des Savoia“, kurz TDS genannt, über 106 km (6.600 HM, max. 1.200 Teilnehmer). Die Krönung ist der UTMB über 166 km mit 9.400 HM und einem Limit von nunmehr 2.300 Teilnehmern. Daneben gibt es noch den „La Petite Trotte a Leon“ (PTL) über 240 km (18.000 HM) als Teamlauf.
Beliebig anmelden kann man sich zu diesen Läufen jedoch nicht. Erforderlich sind neben einem ärztlichen Attest Qualifikationspunkte: insgesamt vier aus einem oder mehreren Läufen beim UTMB, „nur“ einer beim CCC. Die Punkte werden für in den letzten drei Jahren erfolgreich absolvierte Berg- und Geländeultraläufe vergeben. Der Veranstalter hat Läufe aus aller Welt je nach Schwierigkeitsgrad mit 1 bis 4 Punkten klassifiziert. Es gibt so gut wie keinen 42 km-Lauf, der auch nur einen Punkt bringt. Zwei Punkte gibt es etwa für den Magadarun auf Madagaskar oder den Solo Khumbu Trail in Nepal – aber zum Glück auch beispielsweise für den Swiss Alpine K 78. Zumindest einen Punkt ist dem Veranstalter z.B. der Rennsteig Supermarathon wert. Man muss also schon etwas jenseits der Marathonmarke im Gelände geleistet haben, um zugelassen zu werden. Andererseits wird damit vorgebeugt, dass sich Läufer allzu blauäugig ins Abenteuer stürzen.
Drei Wochen, vom 23.12.2009 bis zum 13.01.2010, werden als Voranmeldefrist für den Lauf 2010 eingeräumt. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Teilnehmer von Anfang an wieder auf die Startplätze stürzen. Die Online-News melden bereits am 24.12.2009 3.000, am 29.12.2009 4.500 Voranmeldungen und die Überbuchung des UTMB. Es ist für mich irgendwie irreal: Selbst zu den großen Bergmarathons in den Alpen – vom Jungfrau-Marathon und dem Swiss Alpine einmal abgesehen – melden sich ohne jegliches Qualifikationserfordernis gerade einmal 500 bis 1.000 Läufer. Und hier schlagen sich die Leute (zumindest virtuell) zu Tausenden um die Plätze.
Andererseits: Können so viele Leute irren? Oder gibt es tatsächlich so viele Irre?
Nun ja: Auf mich hat dieser Hype jedenfalls nicht seine Wirkung verfehlt. Zumindest ist mir jedoch der Realitätssinn, was meine läuferischen Fähigkeiten anbetrifft, noch nicht ganz abhanden gekommen, sodass ich davon Abstand nehme, mich gleich an die Königsdistanz des UTMB heran zu wagen, sondern mich mit einer Anmeldung zum CCC begnüge.
Das ausgefeilte, ausschließlich über Internet mögliche Anmeldeverfahren bleibt spannend. Zum Ende der Anmeldeperiode am 13.01.2010 ist der CCC schließlich zu 110 % ausgebucht, beim UTMB sind es immerhin 145 %. Das bedeutet: Die Startplätze werden verlost. Am 18.01.2010 bekommen alle 7.069 Vorangemeldeten (Anmelderekord) per E-Mail Bescheid, ob sie zu den Glücklichen gehören. Ich bin dabei. Die Ausgelosten müssen nun kurzfristig die zweite Hälfte der Startgebühr entrichten. Für die Vorlage eines ärztlichen Attests im Original wird uns aber immerhin bis Ende Mai Zeit gegeben.
Eine nette Lektüre zur Einstimmung ist übrigens die „Wettkampfordnung“: Von streckenangemessener Länge mit viel Ethos, Pathos – und einem dicken Strafenkatalog bei Regelverstößen. „Respektlosigkeit gegenüber Personen“ etwa bringt eine Strafzeit von einer Stunde, die stante pede vollstreckt wird. Das heißt: Der Läufer muss dann in Gegenwart eines Streckenkommissars eine Stunde warten, bis er weiterlaufen darf. Um es vorweg zu nehmen: Ich bin artig geblieben.
CCC steht für „Courmayeur – Champex – Chamonix“. Das Kürzel benennt damit die Hauptorte entlang der Laufstrecke. Während der UTMB in einer großen 166 km-Runde mit Start und Ziel in Chamonix vollständig das bis zu 4.810 m üNN aufragende Mont Blanc-Massiv umrundet, legen die Läufer des CCC ab Courmayeur nur die letzten etwa 60 Prozent dieses Rundkurses zurück, allerdings mit Abweichungen auf dem ersten Streckenstück. Die Startzeiten sind so gelegt, dass sich die Teilnehmer des UTMB und des CCC nie in die Quere kommen. Teile der Strecke folgen dem internationalen Weitwanderweg des Tour du Mont-Blanc (GR TMB). Für die vollständige Umwanderung des Mont Blanc-Massivs werden übrigens 7 bis 9 Tage veranschlagt.
Auch wenn der „CCC“ die kürzeste der vier angebotenen Distanzen ist: Zumindest teilnehmermäßig ist er nach dem UTMB die „Nummer 2“ am Mont Blanc. Und „kurz“ bedeutet hier keineswegs „einfach“. Die Sollzeit von 26 Stunden erscheint auf den ersten Blick als großzügig bemessen: Im Durchschnitt würde demnach ein Tempo von gerade einmal 3,8 km/h genügen oder mit anderen Worten: man hat fast 16 Minuten für jeden Kilometer Zeit. Doch die Statistik zeigt: Auch das ist für viele zu schnell. Von 1.866 Gestarteten des CCC kamen 2009 nur 1.266 und damit etwa 2/3 ins Ziel. Vor allem die insgesamt 5.600 HM sind es, die ihren Tribut fordern. Von den fünf Bergen auf dem Trail sind die beiden höchsten gleich im ersten Streckendrittel. Obwohl sie bis auf über 2.500 m üNN ansteigen, sind sie meist noch nicht das große Problem. Kritischer sind eher die drei „Kleinen“ im letzten Drittel, die zwar nur jeweils um die 2.000 m üNN aufweisen, aber für so manchen erschöpften Läufer dennoch zum unüberwindlichen Hindernis werden. Naturgemäß noch etwas schwächer (aber letztlich gar nicht so stark abweichend) ist übrigens die Finisherquote beim UTMB: Sie betrug 2009 60 % (2008: 54 %) bei einer Sollzeit von 46 Stunden.