Die Strecke führt uns ab der Hütte auf einem glitschigen Trail den steil ansteigenden Kamm des Mont des la Saxe empor. Endlos weite grüngelbe Wiesen prägen die sanft geschwungene Berglandschaft um uns herum - kein Baum, kein Strauch durchbricht dieses Bild. Weit in die Ferne reicht der Blick auf die umliegenden höheren, sehr viel schrofferen, schneebedeckten Gebirgszüge und hinab in das Tal, vor allem das Val Ferret zu unserer Linken. Je höher wir kommen, desto eindrucksvoller wird dieses Panorama, zumal sich das Wetter weiter bessert und die Wolken windgetrieben immer mehr den Rückzug antreten. Beeindruckend ist auch der sich im offenen Gelände bietende Blick auf die Läuferkette, die sich vor und hinter mir immer wieder schier endlos dahin ziehend bis zu winzigen bunten Pünktchen am Horizont verliert.
Die ersten 20 Minuten nach Verlassen des Refuge sind wirklich hart. Im Schneckentempo kämpfen wir uns dicht an dicht den steilen Abhang empor. Dann geht es etwas angenehmer in Wellen über die grünen Hügel weiter hinauf. Unser Ziel ist aber lange nicht auszumachen. Immer wenn man die höchste Stelle am Horizont erreicht, tauchen dahinter die nächsten Hügel und Steigungen auf. Immer mehr Sonnenstrahlen durchbrechen die Wolken und tauchen die Berglandschaft in ein warmes Licht. Die die unnahbaren Berggipfel umspielenden zersausten Wolkenfetzen, die sich öffnenden blauen Himmelsfenster, dazu die sich auf den Berghängen im stetigen Wandel abzeichnenden Licht-Schatten-Kontraste bilden ein höchst reizvolles Szenario. Ich lasse mich zu einem Fotostop nach dem anderen hinreißen.
Eine gute Stunde nach Verlassen des Refuge ist es soweit: Ich erreiche 3 1/4 Stunden und 16,3 km nach dem Start den Tête de la Tronche, mit 2.584 m üNN der höchste Punkt unseres Streckenkurses. Die Sonne lacht vom Himmel und wärmt uns selbst in dieser Höhe. Das Gebirgspanorama ist in alle Himmelsrichtungen überwältigend - diese Farben- und Formenvielfalt, dieses Gefühl endloser Weite inmitten einer unberührten, archaischen Naturlandschaft.
Viele Läufer und auch ich halten hier erst einmal inne, um dieses optische Spektakel zu genießen. 1.400 Meter unter mir sehe ich winzig klein Courmayeur. Auch wenn der CCC letztlich nur einen Ausschnitt des “großen Bruders” UTMB widerspiegelt: In puncto Tête de la Tronche hat er dem UTMB etwas voraus. Denn der wird von den UTMB-Läufern gar nicht angelaufen.
Richtig steil geht es auf der anderen Seite des Tête de la Tronche weiter - nur jetzt bergab. Zum Glück ist der schmale, steinige Pfad trocken, sodass man es wagen kann, im Galopp hinunter zu preschen. Schnell verlieren wir an Höhe. Bis weit in die Gipfelregionen grasbewachsenen Berge türmen sich direkt vor uns auf und bilden eine eindrucksvolle Kulisse.
Mittlerweile ist es so warm, dass auch der letzte Läufer sich seines Regenschutzes entledigt. Wir tauchen schließlich ein in die Weiten grüner Hochebenen und nähern uns langsam, aber sicher wieder dem Val Ferret und den auf der jenseitigen Talweite empor ragenden Ausläufern des Mont Blanc Massivs.
Nach einer halben Stunde ist die Bergflanke des Val Ferret erreicht. Dieser folgen wir auf einem ausgesetzten Höhenweg. Die Natur wird, je weiter wir an Höhe verlieren, wieder vielfälltiger - Bäume, Büsche, Blumen säumen den Weg. Wobei ich zugeben muss: Die monotone, weite Grasmattenlandschaft weiter oben hat für mich schon einen ganz besonderen Reiz.
Nachdem wir so relativ schnell über 600 HM verloren haben, müssen einen kurzen, aber kräftigen Gegenanstieg bewältigen, ehe wir zur Belohnung nach 21,8 km am malerisch ins Gebirgsidyll eingebetteten Refuge Bonatti (2.020 m üNN) eine weitere Trinkpause einlegen dürfen. Erst ab hier ist übrigens der Laufkurs der UTMB-Läufer identisch; diese legen die Strecke auf einem anderen Weg ab Courmayeur in nur 12,5 km zurück.