Schon lange hat der Untertage-Marathon in, oder besser gesagt, unter Sondershausen auf meiner Planung gestanden, doch getraut habe ich mich lange nicht. Dann meinte allerdings die Redaktionsleitung: „Jetzt ist es allerhöchste Zeit, jetzt musst Du hin!“ Wie es mir bei meiner Schicht im Schacht ergangen ist und wo mir zuvor doch der Arsch auf Grundeis ging, erfahrt ihr hier.
Ein Vereinsfreund hat vor zwei Jahren beim hiesigen Kristalllauf über gut zehn Kilometer teilgenommen und danach über die schweren Bedingungen, viele Höhenmeter, Wärme und staubige Luft berichtet und dass das sein bisher schwerstes Rennen war. Das hat vielleicht auch zu meinem Zögern beigetragen.
„Wenn du dich nicht traust, wer denn dann,“ muss ich von einem Vereinskollegen hören. So bleibt mir keine Ausrede mehr offen und ich suche das Heil in der Flucht nach Sondershausen.
Die 22000 Einwohner zählende Kreis- und Bergstadt liegt im nördlichen Teil von Thüringen, rund 50 Kilometer von Erfurt entfernt. Mit der Eisenbahn (Bahnhof vor Ort) und mit der eigenen Karre (Autobahn A70 und A38) ist der Ort gut erreichbar. Wer das Wochenende in Sondershausen verbringen will, sollte sich frühzeitig um eine Unterkunft bemühen, denn sonst ist in unmittelbarer Nähe alles ausgebucht. Ich finde noch einen Platz in einem Jugendwohnheim und Gästehaus in Sondershausen, und das liegt auch noch sehr zentral zur Altstadt.
Nach dem Einchecken will ich mir die Füße vertreten und so noch ein wenig die Stadt erkunden. Die Trinitatiskirche dominiert die Altstadtsilhouette unterhalb des Schlosses. Auf dem Platz der früheren Andreaskapelle wurde diese Kirche 1620 errichtet, doch schon beim großen Stadtbrand vom 03.06.1621 fiel auch sie in Schutt und Asche. Der Wiederaufbau folgte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die älteste Glocke im Turm stammt aus dem Jahr 1623 und diese wurde erst vor einigen Jahren im schwäbischen Nördlingen von der Glockengießerei Lachenmeyer aufwendig restauriert.
Ein paar Schritte weiter gelange ich zum Marktplatz. Vor mir liegt die Alte Wache, die Baumeister Carl Scheppig, ein Schüler des Architekten Carl Friedrich Schinkel, in den Jahren 1837 bis 1841 errichtete. Den Auftrag dazu gab Fürst Günther Friedrich Carl II von Schwarzburg-Sondershausen, der das oberhalb liegende Stadtschloss im klassizistischen Stil modernisieren wollte. Heute wird die Alte Wache von der Touristeninformation genutzt.
Das oberhalb liegende Stadtschloss wurde bereits 1287 als „Burg zu Sondershausen“ urkundlich erwähnt. Die Schwarzburger Grafen gelangten im 14. Jahrhundert in den Besitz des Ensembles. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts endete die fürstliche Linie, so dass das Schloss in den Besitz der öffentlichen Hand überging. Heute befinden sich dort das Schlossmuseum, ein Konservatorium, die Kreismusikschule sowie weitere Einrichtungen.
Mein Spaziergang führt in den Innenhof mit dem Herkulesbrunnen, zum Achteckhaus, Marstall und Wagenhaus und endet schließlich oberhalb des Schlossparkes, der im 19. Jahrhundert nach englischer Prägung umgestaltet wurde.
Am nächsten Tag bin ich zeitig beim Erlebnisbergwerk, das rund zwei Kilometer von der Innenstadt entfernt ist. Der Startort ist einfach zu finden, denn das Bergwerk ist aus allen Richtungen ausgeschildert und Parkplätze sind zur Genüge vorhanden.
Zulange sollte man mit der Meldung für den Untertage-Marathon nicht warten, denn die 400 Plätze sind limitiert, es könnte vielleicht doch eng werden. Wer sich nicht voranmelden will, soll unbedingt in zeitlichem Abstand zum Starttag noch Kontakt mit dem Veranstalter SC im-puls Erfurt aufnehmen. Eine Nachmeldung erst am Lauftag ist allerdings nicht vorgesehen.
Im Verwaltungsgebäude hole ich mir Nummer und Chip ab, für letzteren wird keine Kaution verlangt. Für die 60 EUR Startgeld ist neben der üblichen Marathon-Infrastruktur auch der Transport nach unten und glücklicherweise auch wieder nach oben enthalten. Medaille, Urkunde, Verpflegung sind inklusive und wer ein günstiges Laufshirt erwerben will, auch dafür ist gesorgt.
„Glückauf“ ist das älteste noch befahrbare Kalibergwerk der Welt. Der Unternehmer Heinrich Brügman, nach dem der Schacht benannt ist, begann im Jahr 1891 mit der Bohrung, die bis in eine Tiefe von 700 Meter ging. Rund 100 Jahre lang wurde das Salz abgebaut. Die Abraumhalden lassen ahnen, wie groß die unterirdischen Hohlräume sein müssen. Bis zu 2,5 Millionen Tonnen wurden jährlich gefördert. Nach der endgültigen Einstellung im Jahr 1991 wurde das Bergwerk 2005 reaktiviert und derzeit erfolgt ein Abbau von Steinsalz für den Winterdienst. Gut 200 Beschäftigte sorgen für den Betrieb als Bergwerk im ursprünglichen Sinn und als Erlebnisbergwerk, das jeder Neugierige besichtigen kann.
Weitere Info unter www.erlebnisbergwerk.com.
Wechselklamotten können in der Kaue hinterlegt werden. Es ist aber nicht so, wie ihr das alle kennt, sondern die Kleidung wird in einen Korb gelegt, der mittels einer Kette bis hoch zur Decke gezogen wird. Bei den Umkleidebänken wird die Kette per Schloss arretiert. Der Läufer sollte aber nicht schon in Laufkleidung Richtung Förderkorb marschieren, denn es ist mit Wartezeit zu rechnen. Zwar hat sich bei mir die Warteschlange im Hof fast aufgelöst, doch die Wartenden haben sich hinter einer Tür verkrochen. Da zieht es wenigstens nicht mehr.
In den Vorraum zum Förderkorb gelangt nur, wer eine Gehirnschüssel auf der Birne hat. Es muss kein Stahlhelm aus der Barraszeit sein, ein Sicherheitshelm kann zum Nulltarif ausgeliehen werden und wer seinen Radhelm dabei hat, darf auch passieren. Letzterer ist wahrscheinlich die beste Kopfbedeckung für den Lauf, ein Schutz ist vorgeschrieben.
Das bei der Startnummernausgabe erhaltene Sportticket wird vor dem Betreten des doppelstöckigen Förderkorbes eingesammelt und wir werden dort gestapelt wie die Ölsardinen. Der Bergwerksmitarbeiter zieht schließlich noch einen Plastikvorhang zu und dann geht es rumpelnd hinunter.
Mit etwa vier Meter pro Sekunde werden wir hinuntergelassen. Eine Funzel im Korb sorgt wenigstens für etwas Licht. Gesprächig sind die etwa zehn, zwölf Läufer nicht. Ich möchte nicht wissen, wie viele Ersttäter außer mir hier drin sind.
Nach vier Minuten Poltern und Rattern wie bei einer Fahrt mit einem Kieskutscher wird der Vorhang aufgezogen und wir sehen vor uns einen etwa zehn Meter breiten und gut fünf Meter hohen Stollen. Ein aufblasbarer Zielbogen hat da gerade Platz. Die an Platzangst Leidenden dürften jetzt ein wenig aufatmen. An der Zeitaufnahme wird gerade noch gearbeitet. Die Bergwerkskapelle ist bereits aktiv.
Ich verziehe mich von diesem Ort, denn es ist kühl und zugig. Nicht umsonst haben hier die Helfer dicke Jacken an. Hundert Meter weiter finde ich dann am Rand ein Plätzchen an einem Biertisch, wo ich mich niederlasse. Am Nebentisch sitzt schon der Nürnberger Roland Blumensaat mit ein paar Lauffreunden. „Das ist mein Lieblingsmarathon,“ erzählt er.
Kurz vor zehn Uhr werden wir zur Startlinie gerufen. Die Läufer müssen jedoch noch geordnet werden, denn sie stehen in der falschen Laufrichtung. Also unter dem Bogen durch und von hinten aufstellen.
Wir erhalten die letzten Informationen. 12 Runden werden es sein, jede 3,5 Kilometer. Auf halber Strecke wird Wasser gereicht. Die Verpflegungsstelle befindet sich gleich ein paar Meter nach dem Start in einem Seitentunnel.