Der DKV Urban Trail in Luxemburg zählt zu den interessantesten Läufen, die ich kenne. Man mag es kaum glauben, aber der Trail besteht zu 80 % aus Naturwegen, davon die Hälfte Singletrails. Jeder normale Lauf würde entlang der romantischen Alzette führen, dessen tiefes Tal Luxemburg durchschneidet. Aber dieser Lauf ist nicht normal.
Das Tal wird wie eine Halfpipe genutzt: Einmal am Rand angekommen, nimmt man Schwung und kämpft sich freestilmäßig den Gegenhang hinauf. Und sei es auf allen Vieren. Kreuzen der Strecke per Brücken, Unterführungen oder Stahlgerüsten inbegriffen, Überschlag gib es auch, zumindest bei mir.
Die 2500 Startplätze sind komplett ausgebucht, Nachmeldung gibt es nicht. Folgende Strecken werden angeboten: 13, 27, 34 km. Die 56 km fallen in diesem Jahr ausnahmsweise wegen Baumaßnahmen aus.
Die Startnummernausgabe befindet sich samstags im Shopping Center „City Concorde“. Der Name ist ein Witz, denn dieses Center befindet sich 12 km ausserhalb der City. Man hat aber genügend Zeit, sich sonntags vor dem Start die Startunterlagen am Place de la Constitution abzuholen, da wo die „Gelle Fra“ steht.
Nein, die „Gelle Frau“ ist nicht aus der Bahnhofsgegend, es ist die goldene Siegensgöttin, die hoch oben auf dem Obelisken steht. Hier ist das Start/Zielgelände, oberhalb der Petrusse, in der Nähe der Kathedrale.
Der Urban Trail findet immer am letzten Sonntag vor Ostern statt. Dann finden auch die Luxemburger RestoDays statt: Man bucht sich übers Internet in eines der besten Restaurants der Stadt ein und lässt sich für 31-41 Euro überraschen. Das Masconi hat nur noch einen Stern, die Gänsestopfleber und Wachteln sind deutlich besser als Nudeln mit Hackfleischsosse.
Als ich Joao kennenlernte, dackelte gerade ein Bilderbuchskorpion über seine Füsse. Das war nicht hier, sondern in Kambotscha. Bei Kalbsbäckchen besprechen wir unser nächstes großes Projekt: den Peneda-Geres Trail über 280 km in drei Wochen. Joao ist LuxPortugiese.
Stupidedia behauptet, dass die Bevölkerung in Luxemburg zu 99,54 % aus LuxPortugiesen besteht. Gefühlt ist das fast richtig, wenn man die Anmeldelisten des Urban Trail checkt. Die LuxPortugiesen sind begeisterte Läufer. Die Portugiesen wurden in den 60ern angeworben, um Bau- und Montanindustrie aufzubauen.
Ingvar ist Isländer und Pilot. Die meisten der 600 Isländer mit Doppelpass in Luxemburg sind in der Fliegerei tätig.
Eine besondere Gruppe in Luxemburg sind die Jenischen, „fahrende Leute“, die die Dauermigration des 30jährigen Krieges beibehalten haben. Etwa 2500 Personen zählt diese Gruppe. Sind das die Laufsüchtigen? Die Einschreibung wurde doch auch nach 2500 Anmeldungen geschlossen.
Vom Grand Hotel Cravat habe ich einen wunderbaren Blick über das Startgelände. Guerir le pont Adolphe steht auf weissem Plakat der Brücke, einem der Wahrzeichen der Stadt: „Renovierung der Adolphbrücke“, benannt nach dem Großherzogs des Baujahres 1903.
„Spuerkeess“ ist kein überreifes Michprodukt, sondern die Sparkasse und Sponsor, deren Turm genau gegenüber das Tal überragt. Der andere Sponsor ist die DKV, die Deutsche Krankenversicherung.
Am Start stehen jetzt fast alle Läufer, die in drei Wochen den Peneda-Geres Trail in Portugal antreten werden. Fast, denn Zeitumstellung und andere Sachen, die die innere Uhr durcheinanderbringen, fordern Opfer. Ich habe knapp, wenn auch sichtlich gezeichnet überlebt.
Los geht’s. Zunächst durch die Fussgängerzone, leicht ansteigend, nach 500 Metern vorbei an der Börse und dem irisch Pub „urban“, dahinter das Großherzogliche Palais (Palais Grand-Ducal). Es ist die Stadtresidenz der großherzoglichen Familie. Seit über 14 Jahren ist Henri von Nassau das Staatsoberhaupt von Luxemburg. Erstaunlich seine Titel, die die Verbindung nach Hessen Nassau offenbaren: Seine Königliche Hoheit Henri, Großherzog von Luxemburg, Herzog von Nassau, Prinz von Bourbon-Parma, Graf von Sayn, Königstein, Katznenelnbogen und Diez, Burggraf von Hammerstein, Herr von Mahlberg,Wiesbaden, Idstein, Merenberg, Limburg und Eppstein.