Selbst Schuld, brabble ich vor mich hin. „Der Teilnehmer hat dafür zu sorgen, dass er zusätzlich immer ausreichend Verpflegung und Getränke mit sich führt“ steht in der Ausschreibung. Zuhause liegt mein Laufrucksack mit der ein-Liter-Getränkeblase. Prima! Alles Ballast, brauche ich nicht, es sind ja genügend Verpflegungsmöglichkeiten vorhanden, glaubte ich noch vor ein paar Tagen.
Aber heute ist es warm und knappe acht Kilometer mit den entsprechenden Steigungen können wirklich lang werden. An der Verpflegung stürze ich mich auf die Cola, den tollen Ausblick von hier oben auf die Skyline Frankfurts nehme ich gar nicht wirklich wahr. Immer noch weiter geht es aufwärts. Der Durst ist gestillt, aber jetzt gluckert die Cola in meinem Bauch bei jedem Schritt.
Das frische hellgrün des Blätterwerks am Weinberg ist überwältigend. „Ich ging im Walde so vor mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn“, fällt mir ein und ich frage mich, ob Goethe jemals solche Bauchschmerzen gehabt hat, wie ich gerade?
Während ich vor mich hin trabe, habe ich mich unbemerkt über den langgestreckten Höhenzug auf 437 Metern in die Höhe geschraubt. Der Hahnenkamm mit dem Ludwigsturm und der Hahnenkammgaststätte ist erreicht.
Ob es sich bei der Gaststätte um „das Wirtshaus im Spessart“ handelt, kann ich nicht sagen; auch nicht, ob es sich bei den vielen Mountainbikern die hier oben mit einem kalten Bier in der Hand herumlungern, um die legendären Spessarträuber handelt. Aber es ist doch eher unwahrscheinlich. Jedenfalls ist die Hahnenkamm-Gaststätte eine zünftige Schänke am Fuße des 1880 errichteten Ludwigsturms.
Noch ehe ich das Panorama über das gesamte Rhein-Main-Gebiet bis zum Großen Feldberg, meinem Trainingsterrain, wirklich aufnehmen kann, geht es für mich schon wieder bergab. Schlagartig wird mir klar, dass die Mountainbiker sich erstmal Mut antrinken müssen, bevor sie sich hier Downhill in die Tiefe stürzen.
Herausstechend, wie als starkes Symbol, das zum Durchhalten motivieren soll, hat sich eine jahrhundertealte Eiche auf dem Bergkamm postiert. Ausgehöhlt und nur noch als ein Eichengerippe trotzte sie stürmischen Winden und Blitzschlägen. Nur widerwillig lasse ich mich überholen. Wer einmal an der Spitze läuft - und wenn auch nur an der hinteren Läufer - sieht nicht leicht ein, warum er nun wieder ins Glied zurücktreten soll.
Der aufblasbare Zielbogen macht schlapp. Zwei holländische Läuferinnen halten ihn hoch. Wieder läuten die Glocken, als ich in Mömbris, dem Zentrum des mittleren Kahlgrundes, genauso schlapp wie der Zielbogen, ins Ziel laufe.
Am Ende dieses Läufertages bekommen die Sieger ihren Auftritt. Und als würde morgen eine Hungersnot ausbrechen, schaufeln sich einige die Pasta auf den Teller. Helmut informiert beim Streckenbriefing für das morgige, letzte Rennen. „Wir“, so sagt er, „haben auch morgen ein super Wetter und so müssen zum Glück nicht noch witterungsbedingt Streckenabschnitte geändert werden."
Nichts liegt mir jetzt näher, als den lauen Abend, mit einem kühlen alkoholfreien Bier in der Hand ausklingen zu lassen. Ich habe mich im wahrsten Sinne des Wortes ausgetobt und heute Nacht werde ich endlich wieder gut schlafen.