Bereits zum 20. Mal wird der 50 km lange Westerwald-Lauf vom TV Rengsdorf ausgerichtet. Er findet immer am Himmelfahrtstag im Rahmen des Rengsdorfer Wandertages statt, der sogar schon seine 47. Auflage erlebt. Was mal klein anfing, ist mittlerweile zumindest in der Region zum Kultlauf am Vatertag avanciert. Was natürlich die Läuferinnen keineswegs ausschließt. Das Bier müssen sie auch nicht tragen, das gibt’s an den VPs. Mit lecker Bockwurst und Erbsensuppe. Und allem läufergerechten Futter. Wir teilen uns die Strecke mit den Wanderern, die schon 2-3 Stunden vorher losmarschieren.
Ein schöner Brauch ist es, dass es jedes Jahre neue Strecken gibt. Mal mit mehr, mal mit weniger Höhenmetern. Zeitvergleiche sind also überflüssig, auf den Spaß am Laufen und an der Landschaft kommt es an. Der Westerwald hat schon was und zieht die Leute aus allen Richtungen an. Start ist am Freibad Rengsdorf. Schön auch das völlig unkomplizierte Einchecken. Heute wird ein Gummiband ums Handgelenk gelegt. Auf Vorauszahlung verzichtet man, die Läufer zahlen 15 Euro cash vor Ort. Bares ist Wahres. Später im Ziel schaut man selber auf die Uhr, geht zum Office-desk, nennt Name und Zeit und gibt das Gummi wieder ab und bekommt im Gegenzug die Urkunde. Ganz einfach, oder?
Die Chefs norden uns noch flott ein und pünktlich um 8 traben wir unter markerschütterndem Gebrüll auf die Strecke. Und die ist klasse, perfekt ausgeschildert mit Pfeilen am Boden und an den Bäumen im Wald. Besser geht es nicht. Es ist ein völlig entspanntes Traben bei kühlem und trockenem Wohlfühlwetter. Die Wege sind im Wesentlichen ohne Hindernisse und Schlamm, also gut zu laufen. Genau richtig an Vaters Tag.
Das Feld ist nicht zu groß, 136 Läuferinnen und Läufer sind beim Ultralauf am Start (Wanderer über 500). Natürlich – man kennt sich. Ultras sind unter sich. Irgendwie war das schon immer so. Beim Klönen kommen immer die gleichen Themen. Hast du schon den gemacht, also der war ja und in 2 Wochen ist der und da kann man…sowas eben. Wer noch kein Ultra ist: Gut zuhören, die Tipps sind wirklich Gold wert. Dann steigt es knackig an. Der Rest ist Schweigen.
Dieses Jahr mäandern wir nach Kurtscheid. Breite Wege werden schnell zu Singletrails, Treppen rauf und runter in ein Wildgehege. Neugieriges Damwild peilt zu uns rüber, Brückchen lassen uns trocken bleiben. Der Ginster blüht gelb, die Luft ist frisch und die Vorauswanderer lassen uns freundlich passieren.
Der VP 1 liegt am Ortsrand von Kurtscheid, viel wird getrunken und wenig geklönt. Nun folgen wir einer Hauptstraße, aber nur ein Stück. Unterwegs zweigen die 22 und 32 km-Strecken ab. Alles ist sehr gut markier, keiner kommt von seinem Weg ab!
Wald und Feld bieten nun Aussichten ins Wiedtal. Prachtvoll. Wir laufen Richtung Datzeroth, dann die Wied längs, am Campingplatz über die Brücke und unverdrossen nach Solscheid hoch. Zur Abwechslung laufen wir mal auf Asphalt. Ist ja schließlich eine zivilisierte Gegend hier. Ein kleines Kapellchen ist Treffpunkt 2, die Bockwurst einfach klasse.
Die nächsten 10 km bleiben wir etwa auf gleicher Höhe. Ein wenig Straße, ein bisschen Forstweg. So kommen wir zum Malberg. Der ehemalige Basaltabbau hat ein tiefes Loch und einen See hinterlassen. Die Steine befestigen heute noch unsere Nordseeinseln.
Zwischendurch laufen wir auf einem Singletrail, tolle Aussichten gibt es fast permanent. Und weil es so schön und so lang auf diesem Streckenabschnitt ist, erwartet uns eine Teestelle auf halbem Weg. Stopperich heißt so, weil hier wohl die Zeit gestoppt hat. Leider ist Oma gerade reingegangen, sonst sitzt sie immer vor dem Haus. Wie früher ihre Oma.
Entspanntes Laufen runter zum Fluss, durch Gasbitze. Etwa km 30 und der VP3 wir erreicht. Alles gut sortiert und reichlich vorhanden und bestens gelaunt das Team. Hier sollte ordentlich aufgefüllt werden, der Aufstieg Richtung Bärenkopp ist lang und grausam und brutal steil am Schluss. Den Bärenkopp selber lassen wir aus.
Es geht über den Parkplatz und eine heftig befahrene Straße. Es ist Mittag, die Reisenden sind hungrig und zieht es mit Macht zu den Gaststätten. Hat man lebend die Querung geschafft, kann man völlig entspannt ins Fockenbachtal absteigen. Dieses Gewässer begleiten wir nun eine beträchtliche Strecke, vorbei an Mühlen, Gehöften und alten Eisenerzschächten. Und einem Fliegerdenkmal. Der Pilot flog damals einen der modernsten Düsenjäger, eine Arado, wurde getroffen und stürzte hier ab. 30 Jahre später grub man die Überreste aus. Ein Museum nahebei weiß genaueres.
VP 4 ist belagert. Viele Wanderer lassen sich‘s bei Wurst uns Erbsensuppe gutgehen. Die wissen, was schmeckt.
Dann raus aus dem Tal und rauf auf windgepeitschte Höhen, die wohl der Dichter des Westerwald-Liedes gemeint hat. Wind von vorn und weite Sicht über das wogende Korn. In der Ferne die Grube Georg mit dem Förderturm gleich neben der Autobahn. Von da kommt auch die B256 und pausenlos donnernder Verkehr. Es ist die mit Abstand unangenehmste Stelle heute. Nur eine kleine Verkehrsinsel rettet den Rest unseres Lebens.
Jetzt wird’s einfach. Auf dem Radweg geht es in den Wald und dann auf schönem Singletrail zwischen Scharen von Wanderern durch zum VP 4. Auch hier Belagerungszustand. So schnell kommen die Helfer gar nicht mit dem Würstchenkochen hinterher, wie die leckern Teilchen in den Bäuchen verschwinden…
Nur noch 7 km, die meisten davon auf Nebenwegen mit Schotter oder im Wald. Wenn es flach wird , ist man fast im Ziel. Aber nur fast. Die letzten knapp 3 km sind gemein: Ein langgestreckter Anstieg vorbei am Ziel, wo gefeiert wird. Man kann es sehen und hören, darf aber erstmal weit ausholend drum rum laufen.
Dann endlich, der Chef gratuliert, Applaus für alle. Schön was trinken, eine Sitzbank gibt’s auch. Nicht vergessen: Auf die Uhr gucken! Die große Westerwaldrunde ist geschafft.
Im Freibad kann man duschen, schwimmen und sich ernähren, wovon gerne Gebraucht gemacht wird.
Wann ist nächstes Jahr Vaters Tag und der 21. Westerwald-Lauf? Am 21. Mai! Gleich im Kalender markieren!
Fazit
Ein lockerer, sehr abwechslungsreicher Ultra. Zum Einstieg in die Ultrawelt ideal, da es keinen Druck gibt. Es geht auf und ab durch eine richtig tolle Gegend. Man kann nicht anders, man wird es lieben. Normalschuhe reichen bei trockenem Wetter völlig, aber bei Regen werden einige Passagen anspruchsvoll. Dafür hat man dann das Schwimmbecken (23°) für sich…
02.10.21 | Diesmal nur ein „Läufchen“ |
Frank Albrecht |