Klar, das Lied ist deutschlandweit bekannt. Doch wenn man fragen würde, wo der Westerwald denn liegt, kämen viele sicher ins Schwimmen. Gut, dass es seit letztem Jahr den Wiedtal Ultra Trail gibt, um sich mit diesem schönen Flecken Deutschlands vertraut zu machen.
Der Spaß, den der Lauf trotz Schnee und frostiger Temperaturen 2013 gemacht hat, motiviert mich, erneut anzutreten. Dass es nicht nur mir so geht, erkenne ich an den zahlreichen bekannten Namen auf der Teilnehmerliste. Aufgrund der großen Nachfrage wurde das Teilnehmerlimit auf 50 erhöht. Jedoch muss der milde Winter einigen mehr zugesetzt haben als gedacht, denn als wir uns ab 7.00 Uhr an der Sporthalle in Waldbreitbach versammeln, fehlen neben drei abgemeldeten Teilnehmern noch einige weitere Starter. Umso herzlicher begrüßt Wolfgang die Anwesenden und nach einer kurzen Einweisung begibt sich schließlich ein munteres Trüppchen von etwa 40 Unermüdlichen auf die Strecke.
An der Grundschule vorbei überqueren wie erstmals die Wied und folgen ihr ein Stück flussabwärts in Richtung Hausen. Der östliche Nebenfluss des Rheins findet sich auch im Namen des hiesigen Kreises wieder und hat in Waldbreitbach etwa die Hälfte seiner insgesamt 102 Kilometer zurückgelegt. Wir lassen die Wied jedoch bereits nach knapp 500 m links liegen. Schließlich haben wir keinen flachen Lauf am Fluss gebucht, sondern einen Trail über die Höhen des rheinischen Westerwaldes.
Bereits durch Hausen führt uns die Strecke steil nach oben, gilt es doch, gleich zu Anfang den Malberg, den mit 370 m ü. NN höchsten Punkt der Tour, zu erklimmen. Da es sich beim WUT um einen Gemeinschaftslauf handelt, werden die meisten Steigungen gehend genommen, um möglichst geschlossen zusammen zu bleiben. Das ist nicht immer so einfach. Als die letzten vier den Gipfel des ehemaligen Vulkans erreichen, sind die anderen bereits außer Sichtweite. Das trübe Wetter und die damit fehlende Weitsicht haben nicht zum Verweilen eingeladen. Doch dank modernster Kommunikationsmittel können wir schnell auf unseren Rückstand aufmerksam machen und bereits nach wenigen Minuten die wartende Gruppe wieder erreichen. Gerade rechtzeitig, um die stattliche Kaisereiche zu bewundern, die Kaiser Wilhelm II. bei einem Besuch hier gepflanzt hat.
Schnell ist das Naturdenkmal aus unserem Blickfeld verschwunden, denn die nächsten 3 KM werden laufend zurückgelegt. Hier führt der Weg uns hinab ins Nonnenbachtal, ehe wir erneut die Höhe, diesmal zur Wüstung Rockenfeld, erklimmen. Die Ortschaft, die es früher hier gab, war zu klein und lag zu weit abseits, um ihren Einwohnern ein ausreichendes Einkommen zu gewährleisten. Da blieb als Alternative nur die Auswanderung. Etwas abgewandelt in „Rockefeller“ wurde der Name in alle Welt getragen. Unsere Aussicht für die folgenden Kilometer ist leider trübe, denn der Frühnebel bildet noch eine dichte Wand. Zum Glück ist der Weg gut zu erkennen und wir können gefahrlos locker hinab zur Wied rollen.
Auf dem Wanderparkplatz erwartet uns schon Josef mit seinem Team, die Verpflegungsstelle ist heute unter einem Zeltdach aufgebaut. Hier können wir uns mit allem, was das Läuferherz begehrt, stärken. Die eingeplanten 10 Minuten Pause geben zudem ausreichend Zeit, um wirklich alles zu probieren, da könnte man das Weiterlaufen glatt vergessen. Doch Wolfgang behält die Uhr im Blick und mahnt uns pünktlich zum Aufbruch.
Gleich zu Anfang überqueren wir zum 2. Mal die Wied, direkt hinter der Brücke folgen wir ihr ein Stück weit. Noch sind die Beine frisch, da fällt es leicht, die nächste Steigung in Angriff zu nehmen. Der Nebel ist immer noch dicht, die Feuchtigkeit körperlich spürbar. Da verwundert es nicht, dass vereinzelt die Regenjacke übergestreift wird. Die folgenden Aussichtspunkte auf Clemenshütte und Datzeroth lassen die Ortschaften im Tal heute nur erahnen. Ein paar Erinnerungsfotos lohnen sich trotzdem, kommen doch so die Personen im Vordergrund besser zur Geltung. Auf dem Weg nach Wolfenacker gewinnen wir weitere Höhenmeter. Seit dem Wanderparkplatz an der Wied schon wieder über 170, zum Durchbrechen der Wolkendecke aber nicht genug. Für die fehlenden Weitblicke werden wir heute durch die blühende Natur entschädigt.
Wenn es schon nicht für wärmende Sonnenstrahlen reicht, erfreut unsere Herzen der Weg hinab zur Neuerburg. Auch wenn sie einsam im Wald liegt und sich heute zudem im Nebel versteckt, war sie früher Verwaltungssitz und somit Zentrum des Gebietes des heutigen Waldbreitbachs. Wir folgen dem Klosterweg hinab zum Kelterhof. Von Kelter und Weinberg ist kaum noch etwas zu erahnen, der Wein war wohl selbst den Nonnen zu sauer.
Zwischendurch erfahre ich, dass es unter den Einheimischen strittig ist, ob die Landschaft um Waldbreitbach überhaupt zum Westerwald zählt. Bei den etwa 2.100 Höhenmetern, die heute insgesamt zu bewältigen sind, ist es ziemlich egal. Geologisch stimmt es auf jeden Fall. Auch das Fockenbachtal, das auf den nächsten Kilometern enger wird, vermittelt eher den Eindruck hoher Berge als Flachland. Da überrascht uns das Muhen einer Kuh. Können die hier an den steilen Hängen überhaupt grasen oder ist es nur das Handy eines Teilnehmers? Das Erreichen des Ackerhofes, wieder auf der Höhe, gibt uns die Antwort. Oder doch nicht? Auf der Wiese kommt nur ein Pferd interessiert näher. Als Fortbewegungsmittel wäre es jetzt schon sehr willkommen, doch leider ist der trennende Zaun nicht zu überwinden. Da bleibt uns halt nichts anderes übrig, als die eigenen Beine wieder in die Hand zu nehmen. Weiter geht es hinauf in Richtung Glockscheid. Das Gelände wäre wieder prädestiniert für herrliche Weitblicke, aber der Nebel hält sich weiter hartnäckig. Am nächsten Aussichtspunkt soll eigentlich die Neuerburg noch einmal zu sehen sein, doch sie lässt sich nur in Konturen erahnen. Da streikt selbst die Kamera.
Die Wetterverhältnisse dämpfen die Erwartungen. Da bin ich schon zufrieden, dass ich oberhalb von Glockscheid zumindest schon das nächste Etappenziel, Kloster Marienhaus, erkennen kann. Gleichzeitig bedeutet es, dass die nächste Verpflegung nicht mehr weit ist. Der Kaffee (!) ist förmlich schon zu riechen und bald kann ich ihn auch genießen. Bei immer noch beschaulichen Temperaturen beschert er mir wohlige Wärme. Gespräche lenken ab. Bevor wir Gefahr laufen, unbemerkt auszukühlen, mahnt Wolfgang zum wieder zum Aufbruch.