Schweizer wünschen es präzise. Es ist 8:35 Uhr und knapp 18 Grad, die Elite-Läufer sprinten los. Gefühlte zehn Minuten später beginnt endlich auch für die Läufer im letzten Startblock der Wettlauf auf den Gipfel des Gornergrades. Die Regeln des Rennens sind einfach. Es gibt nur eine Richtung: nach oben! Das bekomme ich auf gleich zu spüren.
Kurz nach dem die engen Gassen von St. Niklaus mit ihren teils über 200 Jahre alten Speichern, die auf Stelzen und runde Steinplatten stehen, steigt die Strecke auch schon an. Von den Spitzenläufern ist weit und breit schon lange nichts mehr zu sehen. Aber ich erkenne einen „Fitnessparcours“, bei uns eher als Trimm-dich-Pfad bekannt. Wer hat´s erfunden? Ein Schweizer. Mitte der 60er Jahre war es Trend, durch Klimmzüge oder Sit-ups an den Stationen aus Metall und Holz zu trainieren. Bald darauf waren über 4500 Trimmpfade in den USA der Renner. Mir ist heute keiner mehr bekannt. Dabei wäre schon so ein einfacher Pfad ein gutes Mittel gegen die die Sinne betäubende Monotonie von Laufbändern und Steppern in stickigen Fitnesstempeln.
Die Straße ist nass, der Nebel klammert sich noch fest an die Baumspitzen. Das erste Highlight: Neben mir fährt der Zug mit Panoramafenstern und dem rotweißroten Anstrich in den Nationalfarben. Glückliche haben sich einen Sitzplatz, natürlich auf der richtigen Seite, ergattert. Andere stehen dichtgedrängt dahinter. Sie winken und fotografieren. Besonders für Touristen aus Übersee gehört eine Fahrt mit dem Glacier-Express zum festen Bestandteil einer Europa-Reise. Die lange flache Gerade ist wie geschaffen für die nächsten Gewöhnungskilometer.
Die vielen Läufer um mich herum erlauben ein gemächliches Dahinjoggen. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre, Zeit für neue Perspektiven und Muße für die Landschaft. Felsbrocken, groß wie ein VW-Käfer liegen am Wegesrand. Ländlich entspannt blickt das Weidevieh zu diesem Biotop von Menschen. Ich kann meinen Blick nicht abwenden vom Laufschritt eines großgewachsenen Läufers vor mir. Bei jedem Schritt schiebt er, den Unterarm angewinkelt, energisch von vorn nach hinten - es gleicht einem Hobeln an einer Hobelbank. Ich denke mir, bis er im Ziel ist, hat er sicherlich sein Gesellenstück bearbeitet.
Die Sonne kommt endlich aus den Wolken, sofort ist es schwül, aber es sieht nun vielversprechend aus. Nach einigen Kilometern spüre ich die ersten Gewöhnungseffekte und ich finde mich damit ab, dass hier schon kein Laufschritt mehr möglich ist. Ganz anders sehen das die Bergbewohner, wie zum Beispiel Armand Biner, Mitarbeiter bei der Zermatter Bergbahn. Er empfindet die Strecke von St. Niklaus bis Zermatt mit immerhin fast fünfhundert Höhenmetern als „verhältnismäßig flach“ und so sagt er weiter: „Ab Zermatt geht’s vor allem fast nur noch bergauf“. Na dann genieße ich zur Ablenkung das alpenländische Kolorit mit den sattgrünen Almen, den rundherum hohen Bergen, den rauschenden Flüssen und den rotweißen Zügen.
Die schneebedeckten Gipfelspitzen zieht bereits aus der Ferne meinen Blick auf sich und betont den vor mir liegenden Höhenunterschied. Einige Läufer vor mir mussten eben noch an dem Bahnübergang warten. Jetzt ist der Zug durch. „Wie heißt dieser Berg?“, frage ich einen hier Beheimateten an der Bahnschranke. „Welcher?“, seine trockene Antwort. Jetzt bemerke ich, wie skurril meine Frage war. Um uns herum sind nur Berge. Na, ich meine genau diesen vor uns, der schneebedeckte Breite dort. Breithorn! Breithorn? Ja, Breithorn. Das Breithorn ist der höchste vollständig in der Schweiz liegende Berg und wurde auch als erster bestiegen - allerdings noch nicht von Angelika und Eberhard.
Der auf 1.439 Meter ü. M. und dennoch in der Talebene gelegene kleine Ort Randa ist erreicht. Noch sind es etwa zehn Kilometer bis nach Zermatt. Am Ortsausgang, wo früher Kühe oder Schafe grasten, gönnen sich die etwa 430 Einwohner einen 9-Loch-Golfplatz. Die Sonne spiegelt sich im Metall der Golfschläger von der anderen Straßenseite bis herüber zu mir - ich möchte nicht tauschen. Kurz darauf, oder besser bei Kilometer 15, ist das „Dorf vor den Toren Zermatts“ erreicht. Die Strecke führt mitten durch den Ortskern und die Stimmung ist südländisch temperamentvoll.
Nicht nur das religiöse Leben in Täsch ist sehr rege. Die Kirchgemeinde lebt von den Einheimischen, aber auch von den Einwanderern aus Portugal. Hier werden die heiligen Messen in deutscher und portugiesischer Sprache gehalten. Heute spielen vor der Kirche die Guggamusiker: „Mit 66 Jahren da fängt das Leben an…“ - Irgendwie grotesk, so direkt neben dem Friedhof.
Auf der Strecke herrscht eine fast unheimliche Stille, weit unter mir fährt die auf „H0“ geschrumpfte rotweiße Zahnradbahn. Über die Holzplanken des Hohsteg überqueren wir den Fluss “Matter Vispa“ und schlängeln uns auf schmalen Pfaden hinauf bis zum Ortsanfang von Zermatt. Die fliegende rotweiße Intensivstation der Air Zermatt steht für Notfälle bereit - nicht nur zur Bergrettung.
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