Nach 9 Kilometern kann man bei Randa rechterhand noch die Reste eines riesigen Felssturzes begutachten. Im April 1991 stürzten hier aus 600 Metern Höhe rund 15 Millionen Kubikmeter Fels zu Tal. Die Felsblöcke waren teilweise so groß wie Einfamilienhäuser. Drei Wochen später rutschte der Berg weiter ab. Insgesamt wurden so 33 Mio. Kubik Geröll nach unten befördert. Wer sich das nicht vorstellen kann, hier ein Vergleich: Das Volumen der Cheops-Pyramide beträgt 2,5 Mio. m³. Glücklicherweise gab es seinerzeit keine Toten zu beklagen.
Ganz in der Nähe der Stelle gab es heuer im Mai abermals einen Felsabbruch von mehreren tausend Kubikmetern Gestein, der Randa in eine Staubwolke hüllte. Während einiger Minuten war der Himmel über der Region verdunkelt. Also, ein nicht ganz ungefährlicher Abschnitt. Leider geht es gerade bergauf, so kann ich meine Geschwindigkeit nicht erhöhen. In Randa gibt es Getränkenachschub. Wer eine kleine Pause einlegen will, wird von den Wäsmali-Chatze Lözern bestens mit Guggenmusik unterhalten.
Am Wegesrand gibt es immer wieder schöne alte Walserhäuser aus von der Sonne geschwärztem Lärchenholz zu bewundern. Meist führt unser Weg über eine schmale, asphaltierte Verbindungsstraße Richtung Zermatt, teilweise mit spürbaren Anstiegen. Man sollte dies nicht unterschätzen, ab Start geht es tendenziell immer aufwärts. Nach km 15 passieren wir einen Tunnel. Die Abkühlung hält sich in Grenzen, ebenso wie die Lichtausbeute. In der Mitte ist es stockdunkel.
Über einen früheren Saumweg erreichen wir den überdachten „Hohsteg“, dort überqueren wir eine tiefe Schlucht der wild tosenden Matter Vispa. Der Ort nennt sich Schlangengruebe. Einer Sage nach soll einst ein Fremder alle Schlangen im Talkessel von Zermatt in ein Loch gelockt und verbrannt haben. Oberhalb der Bahnlinie folgen wir einem herrlichen Single-Trail in einem fortwährenden leichten Auf und Ab bis an den Ortsanfang von Zermatt, das Matterhorn inzwischen voll im Blick. Kurz nach dem Heliport können wir am Ortseingang wieder nachtanken.
Geradeaus geht es auf der Bahnhofstraße durch Zermatt. Am Bahnhofsplatz laufen wir über die Zeitmessmatten, hier ist für die Marathonis Halbzeit. Hier erfolgte um 10:25 Uhr auch der Start zum Halbmarathon. Um 11:50 Uhr, ohne die Verschiebung, ist Kontrollschluss. Wer also nach 3:15 Stunden nicht durchkommt, darf nur mehr auf eigene Gefahr weiterlaufen. Es wird keine ärztliche Betreuung mehr gewährleistet.
Eine Schleife führt uns etwa 500 Meter aus dem Ortskern hinaus und über die Gorner Schlucht und direkt am betonierten Bett der Matter Vispa etwas weiter südlich wieder zurück nach Zermatt. Nach 25 Kilometern ist die „harmlose“ erste Hälfte beendet, etwa 500 Höhenmeter beinhaltete der Abschnitt, alles meist gut laufbar. Dann geht’s raus aus dem Ort und in den Berganstieg. Jetzt sind die Kraxler gefragt.
Auf einem Forstweg geht es steil nach oben. Bei Km 27 befinden wir uns auf einer ständig eingerichteten Freeride- und Downhill-Strecke für Mountainbiker, die von Sunnega herunterführt. Die insgesamt 3 Kilometer lange Radl-Piste weist 500 Höhenmeter abwärts auf. Der Blick auf die jetzt neben uns einbiegende, verblockte Passage durch dichten Baumbestand und ziemlich derber Steilheit würde mir auf dem Bike etwas Kopfzerbrechen bereiten. Da marschiere ich schon lieber hinauf.
Nach 600 Höhenmetern Aufstieg ist in Sunnegga (Km 31,6) wieder eine Cut-Off-Zeit zu überwinden, um 14:15 Uhr sollten alle hier durch sein. Sunnegga Paradise wird die Station auch bezeichnet, sie liegt auf 2280 m auf einer großen Sonnenterrasse. Was wir auch kräftig zu spüren bekommen, aber ich bin immer noch der Meinung, es ist noch akzeptabel und verträglich. Hier ist der Ausgangspunkt vieler Wanderungen im Sommer und wichtiger Knotenpunkt von Pisten im Winter, das Paradies ist auch heute von Urlaubern gut besucht. Kein Wunder, der Blick auf das Matterhorn ist einfach traumhaft.
Kurz bergab geht es zum Leisee. Hier und auf den nachfolgendem Kilometer sollte man sich zusammenreißen, mehrere Fotografen des Veranstalters lauern auf uns und das hat natürlich seinen guten Grund: Dieser Abschnitt ist für sie ein erstklassiger Standort. Ich empfehle jedem, den Lauf einmal kurz zu unterbrechen und sich umzudrehen. Ihre Majestät „Z Hore“, wie die Einheimischen das Matterhorn nennen, gibt sich die Ehre. Seine majestätische und mystische Ausstrahlung kommt hier perfekt zur Geltung. Es gibt Leute, die sagen, nur von diesem Standort habe die Pyramide die perfekte Form.
4478 Meter ist es hoch, damit nicht einmal der höchste Berg der Schweiz und schon gar nicht von Europa. Trotzdem ist er der berühmteste, schönste, faszinierendste und spektakulärste Berg der Welt. In all den Jahren seit seiner Erstbesteigung hat das Matterhorn nichts an Ausstrahlung verloren und ist selbst heute mit bester Ausrüstung für die Gipfelstürmer immer noch eine gewaltige Herausforderung. Gut 2500 bis 3000 Bergsteiger versuchen jährlich auf seinen Gipfel zu gelangen, an Spitzentagen bis zu 130, die sich dann auch oft selbst behindern. Und immer wieder gibt es dabei auch Tote zu beklagen. Seit der Erstbesteigung haben über 500 Wagemutige ihr Leben lassen müssen.
Am Hang des Rothorns entlang geht es nach dem Leisee auf einem schmalen Pfad meist leicht aufwärts weiter. Nach überqueren des Findelbaches geht es nach einer Spitzkehre in entgegen gesetzter Richtung bis zur Riffelalp. Seine Majestät liegt jetzt genau in unserem Blickfeld und ich kann mich seinem Antlitz kaum mehr entziehen. Bis zur Riffelalp geht es über mehrere Kilometer meist schwach abwärts. An der Riffelalp (Km 39) ist wieder einiges los. Die Guggenmusiker von den Wäsmali-Chatze sind nach hier umgezogen und geben erneut ihr Bestes.
Richtig schweißtreibend ist der 3 km lange Abschnitt hinauf zur Bergstation Riffelberg und dem Ziel des Marathons. In der prallen Sonne geht es durchgängig steil auf einem Schotterweg nach oben. Der Aufstieg ist mühsam und die Kilometer ziehen sich nur langsam dahin, dafür werden wir aber wieder belohnt. Die Aussicht am Riffelberg gehört mit zum Schönsten, was Zermatt zu bieten hat. Die Luftlinie zum Gipfel des Matterhorns beträgt von hier nur noch 7,5 km. Man ist jetzt so nah am „Hore“, um Ostwand, Hörnligrat, Teile der Nordwand sowie dem Buckel des Zmuttgrates in seiner ganzen Schönheit betrachten zu können. 1500 Meter ragt es ganz alleine stehend, majestätisch über den Horizont hinaus. Ein paar Wolken sind jetzt aufgezogen und lassen das Horn rauchen. Heute werden uns wirklich die allerbesten Ausblicke auf den schönsten Berg der Welt geboten.
Bei der ersten Ankunft durch einen Zielbogen etwas unterhalb der Bergstation Riffelberg ist das Marathonziel noch nicht erreicht, erst geht es noch in einer etwa 500 Meter langen Schleife rechts vorbei und über einen kurzen Anstieg hinunter ins endgültige Ziel.
Einige hundert Meter vor dem Zielbogen des Marathons können sich die Ultras entscheiden, ob sie das knapp 3,5 km lange und mit 500 Höhenmetern versehene Zusatzstück der Ultradistanz auf den Gornergrat noch anhängen wollen oder doch lieber doch einen vorzeitigen Abbruch vornehmen wollen und so in der Marathon-Wertung gelistet werden. Grundvoraussetzung ist aber auch hier wieder ein Zeitlimit. Um 15:45 Uhr wird dicht gemacht.
Hier beginnt ab Riffelberg und somit ausschließlich für die Ultraläufer das Sahnestück der Strecke. Immer atemberaubender wird die Aussicht. Das Monte-Rosa-Massiv mit dem höchsten Schweizer Berg, der Dufourspitze (4634 m), das kleine Matterhorn, der Lyskamm und der zweitgrößte Gletscher der Alpen, der Gornergletscher, sowie 29 weitere 4000er Bergriesen stehen Spalier. Und alles zum Greifen nah. Oh, Verzeihung Ihre Majestät, das Matterhorn habe ich bei der Aufzählung vergessen.
Für mein persönliches Glücksempfinden sorgt auch der herrliche Trailabschnitt. Fast weglos, nur auf schmalen Trampelpfaden, geht es Richtung Gornergrat. Die Abstände werden uns ab Km 42 in 500m-Schritten angezeigt. Einen Kilometer vor unserem Finale rückt dann auch die Aussichtsplattform des Gornergrats ins Visier. Obwohl der Aufstieg auch sehr anspruchsvoll ist, muss ich fast sagen: Leider. Aber vorher gibt es noch einige traumhafte Einblicke in das Gletschergebiet zu genießen.
Über Stahltreppen führen uns die letzten Meter ins Ziel der Gornergrat-Plattform, 3100 Meter über dem Meeresspiegel. Für die absolvierten 45,595 km und 2450 Höhenmeter bekommen wir eine wunderschöne Medaille überreicht und in einem Nebenraum dürfen wir unser Finishershirt überstreifen. Die Ultras werden besonders ausgezeichnet, denn auf der Rückseite des Shirts prangt stolz ein großes „U“, während alle anderen Distanzen mit einem „F“ für Finisher ausgezeichnet werden.
Gefühlte 25 Grad hat es selbst hier oben auf der Höhe. Wer will oder es nötig hat, kann sich die Muskeln durchkneten lassen. Duschen und unsere Wechselkleidung sind eine Station tiefer zu finden, an der Riffelberg-Station.
Ein außergewöhnlich schöner und auch warmer Tag geht so für mich erfolgreich zu Ende. 99 Langstrecken stehen jetzt auf meiner Liste mit vielen Höhepunkten. Der Gornergrat Zermatt Marathon zählt sicherlich dazu. Als bekennender Trailrunner würde ich sagen: Das Beste kommt zum Schluss. Leider dürfen nur 700 Läufer/innen an diesem Vergnügen teilhaben. Also frühzeitig anmelden.
Marathon - zugleich Berglauf-WM/Langdistanz
Männer
1. Vaccina Tommaso, Italien 3:01.51,5
2. Wacker Andy, Vereinigte Staaten von Amerika 3:03.51,2
3. Puppi Francesco, Italien 3:04.14,8
Frauen
1. Strähl Martina, Schweiz 3:21.38,4
2. Camboulives Aline, F-St Jorioz 3:29.45,8
3. Bertone Catherine, Italien 3:33.56,6
904 Finisher
Ultramarathon
Männer
1. Perreten Helmut, Unterseen 4:03.55,4
2. Wyss Roman, Niederbipp 4:12.17,8
3. Feuz Patrick, Lenk im Simmental 4:13.24,0
Frauen
1. Gudem Hilde, N-Oslo 4:52.36,0
2. Hegner Simone, Bern 4:58.25,2
3. Ogi Helene, Kandersteg 5:02.00,7
558 Finisher
interAir GmbH Sport- und Incentive-Reisen D-35415 Pohlheim http://www.interair.de |