Der Grindjesee liegt zwischen Sträuchern versteckt und fällt einem kaum auf, weil man sich gerade hier ja auch auf den Weg konzentrieren muss. Das sumpfige Ufer ist teilweise nur dank der dicken Holzbohlen begehbar. Nach einem kurzen Abwärtslauf auf gutem Weg überqueren wir den vom gleichnamigen Gletscher gespeisten Findelbach und wechseln die Talseite. „Schön, dass Du nicht bei Kälte und Regen hier sitzen musst“, sage ich zu einem Streckenposten, der wie viele Kolleginnen und Kollegen trotz ausgezeichneter Markierungen darüber wacht, dass an kritischen Stellen alle auf dem richtigen Weg bleiben. „Ich freu mich für Dich“, ruft er zurück.
Das Wetter ist wirklich ein Traum. Strahlender Sonnenschein und dabei nicht zu warm. Ein wolkenfreies Matterhorn wäre zu viel des Guten. Genusslauf auf 2300 m Höhe, einfach paradiesisch! Am Grünsee vorbei kommt man zum Bärghus Grünsee (2296 m – 36,7 km). Schnell verliert man Höhe und ist in einem kleinen Kiefernwäldchen. Wie ich Euch an anderer Stelle erzählte, waren es früher die Engländer, die die Schweizer Berge eroberten. Jetzt sind es die Japaner. Sie sind einfach überall und nie alleine. Respektvoll machen sie den Weg frei, verneigen sich, klatschen Beifall und sagen Unverständliches.
Hier kann ich zwei „Rote“ einholen. Die kenne ich. Das eine ist Karl, ungefähr mein Jahrgang, sein Freund ist Ludwig-Georg, er ist fast 70. Ihn, den Älteren, mache ich gleich an: „Hast Du vergangenes Jahr nicht genau an dieser Stelle geschworen, das sei Dein letzter Marathon?“ Ein wenig stutzt er, dann fällt es ihm ein. Er druckst ein wenig rum, dann helfe ich ihm aus der Verlegenheit. „Lass mal, ich kenn das. Wir sehen uns nächstes Jahr wieder. Wetten?“ Ganz überzeugt ist er nicht. Aber ich weiß aus Erfahrung, wie gerade bei älteren Menschen das Hirn funktioniert, wenn die Kapazitätsgrenze erreicht ist. Es werden, wie praktisch, nur noch die schönen Erinnerungen gespeichert.
Von der Bergstation Riffelalp hinüber zum feudalen Hotel (2355 m - 39,7 km) fährt normalerweise eine Straßenbahn. Die braucht heute natürlich kein Mensch. Gleich fünf Helferinnen und Helfer halten mir Becher entgegen und preisen ihre Kostbarkeiten an. Ich greife bei allen zu. Jetzt kann nichts mehr schief gehen. Etwas Musik könnte nicht schaden, aber die Gugge macht gerade Bierpause.
Ich halte nichts von Vergleichen. Jeder Lauf hat seinen Charakter und seine Spezialität. Die des Zermatt Marathon kommt jetzt. Jeder bisherige Steigung und Schwierigkeit kann man vergessen. Hände auf die Oberschenkel, Oberkörper nach vorne und auf geht’s, die letzten 230 Höhenmeter gehen auch noch. Oben sieht man die Galerie, durch die die Bahn die letzte Strecke bis Riffelberg zurücklegt. Irgendwie beeindruckt mich das heute nicht. Ist das der Höhenrausch?
Noch eine Getränkestelle. „Du sollst laufen, nicht fotografieren“, werde ich angemault. „Ich bin eine arme Sau, ich muss beides machen!“ Eine Helferin bietet mir den Platz neben ihr auf der Luftmatratze an. Die weiß genau, dass sie keine Chance hat.
Ein kurzes, flaches Stück, dann sind wir auf der Rampe. Erbarmungslos geht’s bergauf. Schritt für Schritt, langsam, aber ohne Pause – so muss es sein. Ab und zu sollte man aber schauen: Zurück, das macht stolz. Voraus zum Matterhorn, das macht happy.
Noch 500 m verheißt eine große Tafel. Eben haben mich noch die Klänge der Mountain-Piper beflügelt, jetzt packen sie ihre Instrumente weg. Na, dann. Der Rest ist auch ohne Musik ein Hochgenuss.
Inmitten der schönsten Bergwelt läuft man ins Ziel, wird beklatscht für das, was man tut, um sich selber eine Freude zu machen. Die Welt ist schön und das Leben ist schön. Besonders hier.
Lustig ist dann noch die Siegerehrung. Als die Altersklasse W 65 an der Reihe ist, steht nur die kleine Renate Werz aus Offenburg bereit. Mit großer Mühe und auf allen Vieren klettert sie auf das Podest. Die Zweitplatzierte, so wird verkündet, sei gerade erst eingelaufen und die Dritte ist noch auf der Strecke. Derweil hält die 155 cm große Schwarzwälderin den Riesenkäse fest umschlugen. Der reicht, bis sie sich nächstes Jahr einen neuen Laib abholt. Es sei denn, sie lädt mich mal zum Essen ein.
Männer
1. Michieka Paul Maticha, Immensee 2:59.54,9
2. Wieser Patrick, Aadorf 3:07.58,6
3. Dupont Jean-Christophe, F-St Jean de Sixt 3:11.36,1
Frauen
1. Gassmann Bahr Daniela, Siebnen 3:29.13,1
2. Camboulives Aline, F-St Jorioz 3:33.39,1
3. Nunige Jasmin, Davos Platz 3:43.51,8
802 Finisher
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