„Der härteste Marathon der Alpen“, „der härteste der Welt“ und jetzt also „der höchste und härteste in Deutschland“. Viele Veranstaltungen werben gerade mit diesen Attributen. Mir persönlich ist es eigentlich egal, wer da was aufweisen kann. Höhe, Härte und Weite sind nicht die Kriterien, nach denen ich einen Lauf auswähle. Manchmal kann ja auch weniger mehr sein. Ich hoffe vielmehr auf eine schöne und zumindest auch teilweise „laufbare“ Strecke mit geilen Trails.
Das sollte eigentlich auch gegeben sein, wenn die Spezialisten vom erfahrenen Trail-Event-Veranstalter Plan B für die Strecken verantwortlich sind. Natürlich bin ich nicht blauäugig, mir ist klar dass bei einem Lauf auf das Zugspitzplateau auch viele höchst alpine Abschnitte dabei sein werden und Bergsteigerqualitäten gefragt sind. Ein weiterer Beweggrund hier teilzunehmen ist für mich auch die Tatsache, dass ich noch nie auf dem Gipfel von Deutschlands höchstem Berg war, geschweige denn zu Fuß. Ja, Schande über mich. Das werde ich jetzt aber versuchen auszumerzen.
Der längste Lauf im Rahmen der Zugspitz Trailrun Challenge war ursprünglich ganz anders vorgesehen und lanciert. In der ersten Ausschreibung im Frühjahr war er noch ein ganz „normaler“ Bergmarathon mit 42 km, versehen mit 2200 Höhenmetern mit Startort in Grainau und Ziel in Ehrwald. Erst wenige Wochen vor der Austragung erfolgte der Urknall. Das Ziel wurde auf den Zugspitzgipfel verlegt und die Strecke wies nun satte 4600 Höhenmeter auf 44 km auf. Zahlen, die nicht einmal jeder Skyrunning Wettbewerb aufweisen kann. Das sorgte für einigen Aufruhr in den sozialen Netzwerken, viele waren davon nicht unbedingt begeistert. Ich gebe zu, meine erste Reaktion war ähnlich.
Ein bisschen verrückt muss man sein und so stehe ich dann doch in aller Herrgottsfrüh 6 Uhr, noch in vollkommender Dunkelheit, am Start des „Rock the Top of Germany“ in Ehrwald. Die Strecke wurde noch einmal geändert und der aktuellen Wetterlage, Neuschnee im Gipfelbereich der 2962 m hohen Zugspitze, angepasst. Ziel ist jetzt beim Sonnalpin. Somit bleiben exakt 44,1 km und 3891 Höhenmeter übrig.
Mich überrascht das nicht, ich habe auch die Vorhersagen beobachtet und Bilder im Web vom Aufbau des Zielbogens in Schnee und Nebel auf dem Gipfel gesehen und von vorneherein meine Zweifel gehegt, dass es bis ganz nach oben geht. Und mal ganz ehrlich, in Anbetracht der eh schon äußerst großzügig dimensionierten Höhenmeter ist die kleine Kürzung für meine Leistungsklasse eher eine positive Nachricht. So gerne ich natürlich auf den „Top“ gelaufen wäre.
Der „Rock the Top“ ist aber nicht die einzige Veranstaltung der Zugspitz Trailrun Challenge. Bereits gestern wurde in Garmisch der „City Sprint“ über 2,5 km ausgetragen. Am Sonntag startet die „Vertical Challenge“, hier geht es über 15,8 km und 2100 Hm von Ehrwald nochmals, aber diesmal direkt auf den Gipfel der Zugspitze …falls denn das Wetter mitspielt. Wer an allen drei Rennen teilnimmt, wird zusätzlich in einer gesonderten Triple-Wertung geführt. Das ist aber noch immer nicht alles. Im dritten Veranstaltungsort Grainau, kann man heute noch die „Rock the Trails“ über 22 km/680 Hm und 9,1 km/200 Hm bestreiten. Ein wirklich tolles Programm, wo für jeden die geeignete Strecke dabei sein müsste. Und die Kids kommen mit ein paar Läufen auch noch zu ihrem Vergnügen
Am Kirchplatz von Ehrwald stehen heute 125 Trailrocker zum Start bereit, um am „Rock the Top” teilzunehmen. Bevor man sich in die Startaufstellung einreihen kann, steht aber noch die Kontrolle der Pflichtausrüstung an. Selbstverständlich läuft hier keiner nur mit Rennhosen und Singlet auf die Berge, obwohl hier unten im Tal mit 12 Grad eigentlich ganz angenehme Lauftemperaturen herrschen und es auch noch die nächsten Stunden trocken bleiben soll. Regenjacke, Wärmebekleidung, Handschuhe, Mütze sowie Handy mit Notrufnummer und Getränke sind Pflicht.
Nach zwei flachen Anfangskilometern auf Asphalt erreichen wir nach Überquerung der Loisach unsere erste Bergprüfung. Anfangs auf schmalen Wegen und Pfaden durch den Wald, geht es hoch zu den Almwiesen des Grünen Ups auf 1850 m. Mitten in der Wiese steht das etwas schief geratene, hölzerne Gipfelkreuz an einer Stelle, die zumindest optisch nicht unbedingt den höchsten Punkt markiert. Knapp 900 Höhenmeter beinhaltet der Aufstieg bis hierher. Bob Marley rockt mir auf seiner Minigitarre zur ersten Gipfelfeier ein Ständchen.
Vier Gebirgsgruppen treffen in dieser Region aufeinander und alle werden wir tangieren: Die Lechtaler Alpen, die Mieminger Kette, das Wettersteingebirge und die Ammergauer Alpen, zu der die über uns thronende Upsspitze zählt. An ihren grünen Flanken entlang halten wir noch etwa zwei km die Höhe. Mit Sonne hätten wir hier ein großartiges Panorama. Schön wellig führt die Strecke über feuchte und ausgewaschene, löchrige Wiesentrails, die viel Aufmerksamkeit erfordern.
Bei der Konzentration auf den Boden verliere ich den Überblick zur nächsten Streckenmarkierung, auch mein Vordermann ist sich nicht mehr sicher, wo es weitergeht. Wir sind etwas zu weit. Aach einer kleinen Suchaktion führen uns nachfolgenden Läufer wieder auf die richtige Fährte. Über steile und wieder sehr rutschige Abhänge gelangen wir ins Tal. Auf besonders gefährliche Stellen wird mit grellorangen Hinweisschildern hingewiesen.
Nach 12 km wartet in Lähn die erste Versorgungsstation auf uns. Es gibt u. a. heißen Tee und Kuchen, mein erstes richtiges Frühstück heute. Es werden keine Plastikbecher mehr ausgegeben, jeder muss seinen eigenen mitführen. Langsam bürgert sich das ein, ich habe schon eine ganze Sammlung an diversen Bechern und finde das wirklich gut so. Keiner muss mehr unseren Abfall beseitigen. Um 9 Uhr, also nach 3 Stunden, läuft hier das Zeitlimit ab. Ich habe eine halbe Stunde Luft. 25 Läufer/innen sollen noch hinter mir sein.