Bis zum nächsten Aufstieg sind 2 km im Tal zu überbrücken, mal leicht rauf, mal runter geht es auf wechselnden, gut zu laufenden Untergründen etwas oberhalb der Fernpassstraße weiter. Nach dem Weiler Obergarten verschwinden wir im Wald. Ein Holzbrett sorgt für eine trockene Überquerung eines Baches. Bis zur Gartneralm geht es im Wald auf schmalen Pfaden nach oben, manchmal bricht der Hang steil nach unten ab. Ziemlich einsam bin ich mittlerweile unterwegs, das Läuferfeld hat sich seit dem Abstieg vom Grünen Ups weit auseinandergezogen.
Dafür wird ab Gartneralm (1400m) der Ausblick richtig imposant, vor uns liegen jetzt das Gartnertal und das gewaltige Massiv der Gartnerwand mit seinen zerfurchten Schrofen. Sie gehört zu den Lechtaler Alpen. Für versierte Kletterer gibt es oben eine 3 km lange Gratwanderung. Einige hundert Meter links davon führt unser Trail in Serpentinen steil nach oben zu einem Übergang. Hier sind auch wieder steilabfallende Abschnitte zu passieren, die teilweise auch mit Seilen gesichert sind. 700 Höhenmeter beinhaltet der Aufstieg, der schon dem ein oder anderen schwer zu schaffen macht.
Kurz oberhalb der Wolfratshauser Hütte (1750 m) erreichen wir den Rand des Talkessels und höchsten Punkt des zweiten Aufstieges. An allen heiklen Stellen stehen Bergwachtler bereit, was man auch mal lobend erwähnen muss.
Ab Wolfratshauser Hütte führt uns eine komfortable Forststraße meist leicht abwärts bis zu den Liftanlagen des Skigebietes Biberwier/Leermoos. Am Gamsjet geht es in die Büsche und auf einen herrlichen Downhill-Trail auf weichen Waldboden. Der hat natürlich seine Tücken, denn er ist unglaublich rutschig. Trotz allem ein genialer Abschnitt. Hier waren Trailexperten bei der Streckenwahl tätig.
Anfangs noch moderat nimmt das Gefälle immer mehr zu. So schön der Pfad zu laufen ist, er ist auch ein richtiger Oberschenkelkiller. Es wird immer schwieriger, sich im Lauftempo auf den Beinen zu halten. Absitzgarantie ist hier inbegriffen. Diesen Berg will ich aber noch ohne Unterstützung meiner Stöcke bewältigen, sie behindern beim Fotografieren ungemein und heute ist Zeit Mangelware. Daher bleiben sie vorerst noch am Rucksack.
Um 11:07 Uhr erreiche ich V2 am Ortsrand von Biberwier. Hier ist der Cut-Off um 11:45 Uhr. So bleibt mir noch Zeit, mich ausreichend zu verpflegen. Die ersten haben schon freiwillig das Handtuch geworfen, obwohl sie noch im Zeitlimit sind. 1660 Höhenmeter in Auf- und Abstieg und 23,7 km sind hier absolviert.
Auf einer Teerstraße geht es gleich ordentlich bergauf weiter. Nach einer Weide mit Lamas zweigen wir ab in den Wald auf einen Trampelpfad. Eine große Gruppe Wanderer, die von oben herunter kommt, feuert jeden Entgegenkommenden mit donnerndem Applaus und Zurufen an. Der Beifall hallt durch den Wald wie bei einem Großereignis. Nur mühsam und sehr langsam komme ich hier voran, es geht richtig streng nach oben.
Am Ende der Waldgrenze wird es nochmals steiler, über Geröll und Felsen führt uns der Knappensteig zur Biberwierer Scharte auf genau 2000 m Höhe. Trittsicherheit ist hier gefragt. Manche Abschnitte sind mit Seilen gesichert, steiler geht kaum mehr. Die Biberwierer Scharte bildet den Einschnitt zwischen Sonnenspitze und dem Schartenkopf. Der Grateinschnitt liegt in einem nördlichen Seitenkamm der Mieminger Kette, somit sind wir heute schon im dritten Gebirge unterwegs.
Über viele Jahrhunderte wurde in der Gegend Erz abgebaut. Unterhalb des Schartenkopfes kann man in den Felsen einige der alten und schwer zugänglichen Abbaugebiete erkennen. Sie gehören zur ältesten hier bekannten Abbauperiode. Selbst unter Fachleuten lösen die entlegenen und schwer erreichbaren Stollen große Verwunderung aus, dass sie überhaupt entdeckt werden konnten.
Ich sehe zwei Männer der Bergwacht über mir, das signalisiert mir das Ende dieses Aufstieges. Über 1000 Höhenmeter beinhaltete die 4 Kilometer lange Kletterpartie. Die Zeit verrinnt gnadenlos, mir bleiben für die nächsten 7 km bis zum Zeitlimit an der Pestkapelle nur mehr 1:20 Std.
Bis zur 100 Meter tiefer liegenden Coburger Hütte kommt man ganz passabel voran, viele geröllige Stellen erschweren aber ein konstantes Laufen. Der Abstieg hinunter zum Seebensee (1.657m) ist wieder steil und deutlich anspruchsvoller.
Kilometerbezeichnungen sind Mangelware, daher weiß man nie ganz genau, wieviel Zeit bleibt. Alle 5 Kilometer werden die Entfernungen zum Ziel angezeigt, wobei ich nicht alle entdecken kann. Ich befürchte, es wird eng mit dem Zeitlimit. Fotostopps kann ich mir leider nur mehr vereinzelt leisten. Wenigstens hält sich das Wetter. Beim Briefing am Morgen wurden für den Nachmittag Regenfälle angekündigt.
Ab Seebensee gibt es wieder längere Abschnitte auf gut zu laufenden Forststraßen und Wanderwegen. Seit Coburger Hütte herrscht auch reger Wanderverkehr. Mein Blick fällt vermehrt auf meine Uhr. Ich muss richtig auf das Tempo drücken, sonst bin ich raus.
„10 km to go“, das Schild sagt mir, dass es nicht mehr weit sein kann, da V3 beim KM 35 liegt. Ein abschließender Single Trail durch den Wald bringt mich dann endlich zur Pestkapelle. Zum Cut-Off bleiben mir gerade noch 10 Minuten. Genug, um auf ein trockenes Shirt zu wechseln, zwei Energy-Gels und ein paar salzige Nüsse runter zu würgen, Flasche auffüllen und noch zwei Becher warmen Tee hinterher zu schütten. Ich bekomme noch Hinweis, pünktlich die Station zu verlassen zu müssen. Man nimmt die Zeitlimits sehr genau.