An der Station Pestkapelle liegen bereits 2800 Höhenmeter hinter uns, also stehen jetzt die letzten 1000 vertikalen Meter an. Bis zur ursprünglich geplanten nächsten Sollzeit an SonnAlpin stünden uns laut Reglement noch 2:30 Std. zur Verfügung. Da aber dort bereits das Ziel liegt, entfällt für mich der Druck, diese Zeit noch genau einhalten, die mir sehr eng bemessen zu sein scheint. Mir liegt auch keine Information vor, dass die Zielzeit von 12 Stunden angepasst wurde. Ich gehe davon aus und bin mir sicher, das Top auf alle Fälle rocken.
Über Wiesen und Geröllfelder geht es nochmals kurz bergab Richtung Gatterl. Ein Fixseil erleichtert den kurzen steilen Aufstieg zum Grenzübergang am 2024 m hohen Gatterl. Hinter Andreas erreiche ich die Grenze nach Deutschland. Er ist der einzige Teilnehmer, mit dem ich auf dem Abschnitt Pestkapelle – SonnAlpin in Kontakt komme. Im dichten Nebel warten die aufmerksamen Männer der Bergwacht bereits auf uns. Ich bin im Übrigen nicht der Letzte, der hier noch vorbei muss. Es liegen noch drei Läufer hinter mir.
Ein kurzes Stück später passiere ich die Zugspitzkapelle. Seit 1953 findet hier jährlich die Gatterlmesse statt. Zum Gedenken an den Lawinentod von vier bayerischen Grenzpolizisten und an alle tödlich Verunglückten im Zugspitzgebiet. Im Dezember 1952 ging am Gatterl eine riesige Lawine ab. Dabei verunglückten die Beamten und ein österreichischer Bergtourist. Die nächste Messe findet am 14. September statt.
Durch eine Steinwüste erreiche ich über den fast ebenen Plattsteig die Knorrhütte, die 1855 die erste Hütte im gesamten Wettersteingebirge war.108 Übernachtungsplätze stehen zur Verfügung. Sie liegt unmittelbar am Abbruch des Zugspitzplatts zum Reintalanger in aussichtsreicher Lage mit großer Sonnenterasse. Heute ist niemand zu sehen und leider ist auch nicht ansatzweise etwas von der Umgebung zu sehen.
Vor der Hütte ist die Bergwacht mit einem Unterstand präsent. Für alle Teilnehmer gilt hier und heute die Vorschrift, auf lange Hosen und Jacken zu wechseln. Als ich gerade am Auspacken bin, fängt es zu schütten an. In aller Ruhe nehme ich somit gleich einen kompletten Klamottenwechsel vor. Als ich fertig bin, ist das Schlimmste auch schon wieder vorbei und es regnet nur mehr schwach.
Drei Kilometer und 600 Höhenmeter nur mehr steil bergauf liegen noch vor mir. „Wie lange benötigt ein Wanderer für die Strecke?“ „Zwei Stunden, du schaffst das in 1:15 Std.“ gibt mir der Mann von der Bergwacht zur Auskunft.
Weiter geht es auf dem Plattsteig durch die karge Karst-Landschaft des Zugspitzsplatts. Die letzten fünf Kilometer sind sogar in Kilometerschritten ausgeschildert, wobei sich die Entfernung immer noch auf eine Zielankunft auf dem Gipfel bezieht. Ich darf also 800 Meter abziehen. Nach einer halben Stunde hört es wieder auf zu regnen und nach Durchschreiten der ersten Wolkenschicht wird es sogar wieder etwas heller und die Sicht besser. Für ein grandioses Panorama reicht es natürlich noch lange nicht.
Auch die an den Flanken der Zugspitze befindlichen drei Gletscher, darunter die beiden größten Deutschlands, der Nördliche Schneeferner und der Höllentalferner, sind kurz vor SonnAlpin nicht auszumachen. Vom Gipfel kann ich nicht einmal etwas erahnen. Es hat für mich ein bisschen was von einer Mondlandschaft. Das kann ja auch durchaus etwas Reizvolles haben.
Nach 11:48 Stunden ist mein Rock auf die Zugspitze beendet, ich erreiche den Zieldurchlauf auf SonnAlpin. Schwein gehabt. Normalerweise wäre hier der Cut-Off zur finalen Gipfelbesteigung bei 11 Stunden, somit ist mir wahrscheinlich ein DNF erspart geblieben. Wer sich diese 2,5 Stunden Sollzeit auf dem letzten Abschnitt ausgedacht hat, muss zur Gattung der schnellen Läufer gehören.
In der Bergstation der Sonnenkar-Bahn hat man zwischen den geparkten Gondeln etwas eingeheizt und unsere Wechselklamotten deponiert. Es gibt heiße Getränke, warme Brühe und auch genügend zu knabbern. Nach unten ins Tal geht es von SonnAlpin nicht. Zuerst geht es, exklusiv nur für die Trailer, nach oben. So kommen wir dann doch noch alle aufs Top of Germany. Zu sehen gibt’s oben heute freilich nichts, rein gar nichts. Somit muss auch keiner traurig sein, den Gipfelsturm „per pedes“ verpasst zu haben.
Ab 19 Uhr findet in Ehrwald im Zugspitzsaal die Pasta Party und die Siegerehrung statt. Immerhin haben von 125 Gestarteten 103 das Ziel erreicht. Das sind nur 20 % Ausfallquote, ich hätte mehr befürchtet.
Anschließend ist das Briefing für die morgige „Vertical Challenge“. Das Wetter wird noch schlechter vorhergesagt, daher kann dann ebenfalls nicht auf den Gipfel gelaufen werden.
Rennleiter Wolfi Pohl wünscht sich für zukünftige Austragungen mehr Teilnehmer. Zu gönnen wäre es den Veranstaltern. Das tolle Konzept mit den wunderbaren Trails, die hervorragende Organisation und die Durchführung mit einer omnipräsenten Bergwacht, die mir immer das Gefühl von Sicherheit gab, hätte es absolut verdient.
Dass der „Rock the Top“, der höchste und härteste Marathon oder Trail in Deutschland ist, hat er eindrucksvoll bewiesen. Ob dieses Attribut aber zu einer deutlichen Steigerung der Teilnehmerzahlen führt, bleibt abzuwarten. Die Zahl derer, die so eine hammerschwere Strecke mit 4300 Höhenmetern in 12 Stunden bewältigen können, ist derzeit noch relativ überschaubar. An den 12 Stunden Zeitlimit wird sich wenig ändern lassen, eher an der Streckenführung und an den Höhenmetern.
Männer
1 LEX Konrad GER Skitrab 05:47:07
2 STOCK Markus AUT DYNAFIT AUSTRIA MAS 06:14:48
3 MATTHES Martin GER Team Scott Deutschland 06:42:59
Frauen
1 CALMBACH Andrea GER DJK Schwäbisch Gmünd 07:46:37
2 WALSS Anita AUT VIVO BAREFOOT AUSTRIA 07:59:23
3 FÄRBERBÖCK Eva GER Murnau WOMEN 08:01:34
22.07.17 | Die Wahl der Qual |
Klaus Sobirey | ||
23.07.16 | Geburtstagsfeier auf der Zugspitze |
Ralf Birchmeier |