Ein Ultratrail in dem Land Andorra ist anders – er ist unbarmherzig mit einem selbst; er ist hart, aber ehrlich; er deckt Schwächen an der eigenen Rennmaschine gnadenlos auf. Man sollte vorbereitet sein. Aber auf was kann man sich in diesem Land, welches wunderschön in den Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien eingebettet liegt, einstellen? Für mich ist das Laufen in den Pyrenäen eine persönliche Weiterentwicklung zum Laufen in den Alpen. Technisch schwieriger, weniger Serpentinen, mehr geradliniges bergauf, viel mehr Blockgelände und landschaftliches Neuland.
Andorra steht für eine lange Anreise, es kann auch lange auf dem Trail dauern, man braucht in diesem Land viel Geduld. Aber man wird belohnt. Belohnt mit neuen Grenzerfahrungen. Belohnt mit einem wunderschönen Laufevent. Belohnt mit einer perfekten Organisation und 425 ehrenamtlichen Helfern für mittlerweile 3000 Läufern bei verschiedenen Wettbewerben.
Die beiden Chef-Organisatoren Valerie und Gerard haben 2017 zur mittlerweile 9. Veranstaltung eingeladen. Und sie kommen, die Läufer/innen zu den ganz großen schweren Brocken, aber auch zu den kürzen heftigen Rennen. Fernab der ganzen ITRA-Diskussion, weil ITRA-Punkte/Qualifikationen gibt es in Andorra nicht. Man geht seinen eigenen Weg. Mit Erfolg. Und es ist schön, diese Entwicklung über viele Jahre zu sehen. Es macht einfach nur Spaß, sich mit Organisatoren zu unterhalten, die voller Esprit, Hingabe und Unterstützung der Region ihr Laufevent entwickeln. Von Jahr zu Jahr etwas Neues.
Die Entwicklungen in Andorra kann man über das ganze Jahr hinweg über die sozialen Netzwerke und auf der Homepage des Veranstalters verfolgen. Und dieser Andorra-Ultratrail hat seine ganz persönliche Note. Vergangenen Oktober saß ich mit Valerie im Rahmen des UTAT Ultratrail Atlas Toubcal beim Minztee im Hohen Atlas und wir philosophierten. Direkt von Chef-Organisatorin zum Läufer, vom Mega-Event mit 3000 Teilnehmern zu schnuckeligen 300 Teilnehmern beim UTAT. Aber Valerie ist immer bereit, etwas Neues aufzunehmen, aber auch bereit, Erfahrungen weiterzugeben. Sympathisch, sehr sympathisch diese Frau.
Und das Ganze spiegelt sich in ihren Läufen wieder. Absolute Spitzenklasse. Der Ultratrail in Andorra bietet für alle Trailläufer etwas. Die Monsterdistanz, die Steigerung zum langen Kante in Chamonix, die brutale Mitteldistanz und ein Marathon der besonderen Art. Mit Namen und Zahlen liest sich das so: Euphoria del cims 233km mit +/- 20.000 Höhenmeter; Ronda del cims 170km mit +/- 13.500 Höhenmeter; Mitic 112km mit +/- 9.700 Höhenmeter, Celestrail 83km mit +/- 5.000 Höhenmeter und der Marathon 42,5km mit +/- 3.000 Höhenmeter.
Zahlen, die einen auffordern, gut trainiert an den Start zu gehen und Strecken, bei den man die Ausschreibung, das Höhenprofil, die Verpflegungspunkte, die Startzeiten im Vorfeld genau anschauen sollte. Der Euphoria-Lauf (ein Paar-Lauf) ist wahnwitzig lang und hat nur 4 (!) Verpflegungsstellen. Julia Böttger und Tom Zechmeister gewannen heuer die Mixed-Wertung mit einer Laufzeit von 86 Std:27min. Wahnwitzig. Noch wahnwitziger ist, dass Julia und Tom nach ihrem Zieleinlauf ziemlich erholt und fast wie aus dem Ei ausgepellt ausgesehen haben – ich denke sie waren top vorbereitet.
Ein weiterer Deutscher, Andreas Schneidewind, bewältigte den Euphoria-Lauf mit seinem Schweizer Partner in 105Std:35min. Die Ronda nahmen 7 Deutsche dieses Jahr unter die Beine; 3 von Ihnen kamen durch. Georg Kunzfeld (45 Std:34min) und Uwe Herrmann (45Std:43min) finishten bereits zum zweiten Male über diese sehr fordernde Strecke. Respekt, wenn man weiß was auf einen zukommt, um dann nochmals an den Start zu gehen.
Ebenso beglückwünschen konnte man Fabio Cismondi (46Std:23min). Der Mitic-Lauf war auch in diesem Jahr ein hartes Ding und forderte Verluste: 50% Ausfallquote. Von den 8 Deutschen-Startern kamen 3 durch. Katrin und Matthias Grieger sowie Timo Litters können sich zu den Glücklichen zählen, welche ein Land umrundet haben. Auch das ist in Andorra einmalig – die 3 großen Läufe umrunden (mehr oder weniger) das gesamte Land Andorra. Sowas macht sich auch hübsch auf der eigenen, persönlichen Visitenkarte: Alpenüberquerer, Inselüberquerer, Landumrunder,…., und vieles mehr.
Beim etwas einfacheren Celestrail bewältigten leider nur 2 der 7 deutschen Starter. Der Autor, Oliver Binz, mit seinem Laufpartner Oliver Karst überquerten kurz vor der Dämmerung freudig, Hand in Hand, die Ziellinie. Beim Marathon war die Quote wiederrum besser: 15 von 18 Deutschen Startern trotzten Orkanböen und Unwetter und ließen sich im Ziel feiern. Das Wetter spielte dieses Jahr zwischenzeitlich eine Hauptrolle. Zwar vorhergesagt und registriert, hauten Blitz und Donner den Fahrplan ein wenig um. Blitz und gleichzeitig auf über 2500mtr sind nicht nett und sehr gefährlich. Zum Glück kamen alle durch, aber die persönlichen Schilderungen am Tag danach waren schon sehr beeindruckend.
Die Rennleitung hatte auch umgehend mit dem Unwetter die Strecken geändert und die Läufer in tiefere Lagen umgeleitet. Respekt vor dieser Mammutaufgabe, adhoc neue Strecken (ausgeschildert) parat zu haben. Sicherlich hilft das dem Läufer der gerade ganz oben ist nicht, aber alle anderen Läufer werden zumindest umgeleitet und nicht in die Gefahrenregion geschickt.
In Andorra hatte somit jeder seine persönliche Grenzerfahrung gemacht und kann voller Stolz sagen: ich war dabei, ich habe mich getraut. Und die Rückreise kann man auch noch positiv gestalten: Shopping in der Steueroase Andorra.
Alle weiteren Information zu den Läufen, Ergebnisse, Profilen usw findet man unter www.andorraultratrail.com
Die 10. Andorra-Ultratrail-Veranstaltung findet in den Tagen 26.06 bis 01.07.2018 statt.